Musik am Morgen

Es ist besser als Liebe, denn
es hinterläßt keine Wunden: am Morgen
stellt sie das Radio an, Brahms oder Ives
oder Strawinski oder Mozart. Sie kocht
die Eier und zählt laut die Sekunden:
56, 57, 57 … Sie pellt die Eier,
bringt sie mir ans Bett. Nach dem
Frühstück sitze ich in meinem alten
Sessel und höre mir die Musik an. Sie
trinkt ihr erstes Glas Scotch und
raucht ihre dritte Zigarette. Ich sage
ihr, daß ich mal wieder auf ein paar
Pferde wetten muß. Sie ist seit zwei
Tagen und Nächten da. “Wann sehe ich
dich wieder?” frage ich. “Wann du
willst”, meint sie. Ich nicke, und das
Radio spielt Mozart dazu.
(Charles Bukowski, aus: Eine Kinoreklame in der Wüste)
Silvana Koch-Mehrin (SKM) ist die Spitzenkanditatin im Europawahlkampf der FDP. Es ist also von der Partei die Rede, die in diesem Jahr als einzige Partei offiziell ((Wahl-O-Mat-Frage 28: ” Der Kündigungsschutz in den EU-Mitgliedsstaaten soll gelockert werden.”)) für den Abbau der Arbeitnehmerrechte und speziell des Kündigungsschutzes ist und für die SKM mit dem Slogan wirbt: “Arbeit muss sich wieder lohnen.”
Unangenehmerweise (für die FDP) ist jetzt herausgekommen, dass sich für SKM die Arbeit im Europäischen Parlament (EP) besonders lohnt. Das EP gibt nämlich an, sie habe nur 62 Prozent der Sitzungen der vergangenen Legislaturperiode besucht. Wenn man bedenkt, dass ein komplettes EU-Arbeitsjahr nur 95 Tage beträgt, hat die junge Frau also gerade einmal 59 Tage pro Jahr gearbeitet. Da hat sich Arbeit doch mal gelohnt! Vor allem, wenn man dann noch bedenkt, dass die 62 Prozent auch nur zustandekamen, weil die Zeit, in der SKM im Mutterschutz war, komplett als anwesend gewertet wurden, ansonsten wären es sogar unter 45 Prozent gewesen. Der Kollege Daniel Caspary von der CDU twittert sogar, dass es gar nur 38 Prozent gewesen seien. Dass sie in dem fünf Jahren gerade einmal 22 Mal abgestimmt hat, sei nur der Vollständigkeit erwähnt.
Soweit, so gut — und, wie ich finde, auch gar nicht so schlimm. Hätte die FDP-Frau nicht geklagt und zudem eine eidesstattliche Erklärung abgeliefert, in der sie behauptet, 75 Prozent der Sitzungen besucht zu haben. Weiterlesen
Aha. Länger nix gehört von uns von der Debatte Propaganda um gegen die Internet-Piraterie aka filesharing. Offenbar passiert gerade nicht viel. Und wenn nicht viel passiert — man seine Arbeitskraft aber den bürgerlichen Medien verpachtet hat und deshalb irgendwas schreiben muss — macht man aus Nichtereignissen kleine Artikelchen, die dann die erste Seite des Feuilletons zieren dürfen — in diesem Fall jenes der SZ. Und weil uns auch nichts besseres einfällt, machen wir das einfach genauso.
Also nochmal, da steht in der heutigen SZ (unter dem bemüht zynischen Titel “Herr Liberalismus persönlich”): Lars Gustafsson, erfolgreicher schwedischer Buchautor, hat angekündigt, dass er bei der Europawahl die sogenannte Piratenpartei wählen wird, die sich solidarisch gibt mit der Piratebay und sonstigem “Datendiebstahl”. Gustaffson hat zur Begründung “den Widerstand gegen freies Kopieren im Internet mit den Zensurbehörden des Ancien Régime im Frankreich des 18. Jahrhunderts” verglichen. Weiterlesen
Ist genügend betont worden, dass die Art und Menge der Musik, die man zu Lebzeiten gehört hat, verantwortlich für den Seelenzustand nach dem Tod ist?
(Karl-Heinz Stockhausen)
Wer wissen möchte, wie es ist, als Regisseur, (dessen Filme keiner kennt) auf einem Festival zu sein (das keiner kennt), sollte sich Hong Sang-Soos Like You Know It All (Jal Aljido Motamyunseo) ansehen. Weil aber Hong Sang-Soo selbst einer dieser Regisseure ist, die praktisch nur auf Festivals stattfinden und dieser Film noch festival-mäßiger ist, als alle zuvor, wird es dazu leider nie kommen. Schade eigentlich.