Es gibt drei Arten, die Realität unangenehmer Zustände zu leugnen. a) Man leugnet den Zustand; b) man leugnet, dass der Zustand ein Problem ist; c) man leugnet, dass sich der Zustand ändern ließe. An der Klimakrise lässt sich das beobachten. Es gibt nur noch wenige Spinner, die die Existenz des Klimawandels leugnen; ein paar mehr, die denken, er sei kein Problem; aber leider immer noch ganz schön viele, die ihn für nicht veränderbar halten (weil vermeintlich nicht menschengemacht).
Dieselben Strategien der Leugnung findet man auch beim Kapitalismus: Manche weigern sich, seine Existenz anzuerkennen (und reden immer von “der Wirtschaft”, als sei die völlig unspezifisch); andere erkennen den Kapitalismus als spezifisches Wirtschaftssystem an, wollen aber nicht die von ihm verursachten Probleme sehen; und sehr viele Menschen erkennen zwar, dass der Kapitalismus einen Haufen Probleme macht, leugnen aber, dass es Alternativen gibt. Im Ergebnis aber läuft die Realitätsverweigerung immer auf die gleiche Passivität hinaus.
Gute Beiträge zur Einschätzung der Corona-Krise liefert Floris Biskamp auf seinem Blog Asketismus und Bummelei. Ich habe eben die letzten beiden Einträge gelesen und kann die Lektüre nur empfehlen. Im ersten setzt er sich mit dem Schwachsinn der Idee der Herdenimmunität auseinander; im zweiten hinterfragt er die Heinsberg-Studie.
Allgemein gesagt ist das größte Problem des Kapitalismus in Zeiten der Krise, dass die individuellen Reaktionen von Unternehmer*innen gesamtheitlich betrachtet nichtintendierte negative Folgen haben: Eine Unternehmer*in entlässt die Hälfte ihrer Belegschaft, weil sie die Gehälter nicht mehr zahlen kann. Die entlassene Belegschaft verliert mit ihrem Einkommen ihre Kaufkraft, daher geht die Nachfrage von Konsumartikeln zurück. Das belastet wieder andere Unternehmer*innen, die ihrerseits nun entlassen müssen undsoweiter.
Daraus ergibt sich ein dynamisches Schrumpfen der Wirtschaft, die sogenannte Rezession. Für „die Wirtschaft“ ist das schlecht, für die entlassenen Leute auch. Gut dagegen ist es für die Natur und das Klima.
Wahnsinnig unfair ist der Kapitalismus, weil die Krisenfolgen so wahnsinnig ungleich verteilt sind: Manche (etwa Lebensmittelhändlerinnen) profitieren, während andere (etwa Restaurantbesitzerinnen) leiden. Egal, ob die Krise endogen (z.B. durch Finanz- und Immobilienspekulation) oder exogen (z.B. durch eine Pandemie) produziert wurde, im Kapitalismus treffen die Folgebelastungen manche sehr hart, manche gar nicht. Der Idee individueller Verantwortung spricht das Hohn (jede ist ihres Glückes Schmiedin, hoho): Warum sollte es meine Schuld sein, wenn ich statt eines Gemüseladens ein Falafelrestaurant eröffnet habe?
Alternative Wirtschaftsmodelle müssten sich also unter anderem daran messen lassen, dass sich a) aus Krisen keine die Krisen verstärkenden Krisendynamiken ergeben, und b) dass die positiven wie die negativen Effekte des Wirtschaftens ungefähr gleichmäßig verteilt werden.