Ad ACTA II Die Diskussion

Etwas ide­al­typ­isch verz­er­rt kann man sagen, dass in der Diskus­sion zwei schein­bar gän­zlich inkom­men­su­rable Welt­bilder aufeinan­der prallen. Das äußert sich zunächst an den die Zustände beschreiben­den Ter­mi­ni. So wieder­holt die eine Seite — nen­nen wir sie «die Kon­ser­v­a­tiv­en» — das Mantra, das Run­ter­laden von copy­right-geschütztem Mate­r­i­al im Inter­net sei «Dieb­stahl». Noch vor eini­gen Tagen titelte das Berlin­er Boule­vard­blatt BZ: «Wisst Ihr ACTA-Demon­stran­ten, dass ihr für Dieb­stahl auf die Straße geht?» Und auch in den Diskus­sio­nen im Kom­men­tar­bere­ich der größeren bürg­er­lichen Zeitun­gen taucht das immer mal wieder auf. Die Idee, mit der solche Rede sich plau­si­bil­isiert, ist fol­gende: Wenn Men­schen für das, was andere pro­duziert haben, nicht bezahlen und es sich ein­fach nehmen, bei den Pro­duzentin­nen also kein Geld ankommt — dann han­dele es sich um Diebstahl.

Die Gegen­seite — «die Pro­gres­siv­en» — sieht die Sache völ­lig anders. Nicht gestohlen werde hier, son­dern geteilt oder getauscht. Daher der Aus­druck «fileshar­ing». Mit Dieb­stahl habe das über­haupt nichts zu tun. Und zwar weil nie­man­dem etwas weg genom­men werde. Dieb­stahl definiere sich aber doch ger­ade dadurch: jeman­dem etwas gegen ihren Willen entwen­den. Beim typ­is­chen Fall geht ein Men­sch in einen Laden, nimmt sich eine CD, und bezahlt nicht. Anschließend hat der Laden eine CD weniger und die Diebin eine mehr. Ger­ade das geschähe beim file­shar­ing nicht, da nur untere­inan­der geteilt und getauscht werde.

Die Kon­ser­v­a­tiv­en antworten, dass dabei aber doch etwas entwen­det werde, näm­lich das Recht der Pro­duzentin auf die Ver­w­er­tung ihres Pro­duk­ts. Der Effekt sei eben der gle­iche: die Kon­sumentin (Diebin) habe eine CD mehr und die Pro­duzentin habe kein Geld dafür erhal­ten. Der Schaden entspreche also genau dem eines Diebstahls.

Worauf die Pro­gres­siv­en ein­wen­den, diese Rech­nung gin­ge schon deswe­gen nicht auf, weil nie­mand beweisen könne, dass die Kon­sumentin Geld für die CD aus­gegeben hätte. Vielle­icht hätte sie sie nie und nim­mer gekauft (weil sie z. B. über­haupt nicht genug Geld dafür habe), son­dern sie sich nur angeeignet, weil sie ihr im Netz kosten­los zum Tausch ange­boten wor­den sei. Daher sei der Pro­duzentin eben dur­chaus über­haupt kein Schaden ent­standen, sie habe genau­so viel (oder wenig) Geld wie zuvor.

Die Kon­ser­v­a­tiv­en kön­nen an dieser Stelle auf den objek­tiv­en Umsatzrück­gang bei CD-Verkäufen hin­weisen, was die Pro­gres­siv­en damit kon­tern, dass dieser über­haupt nichts beweise.

Vielle­icht soll­ten sich die Kon­ser­v­a­tiv­en und die Pro­gres­siv­en in dieser Patt-Sit­u­a­tion auf ein Remis eini­gen, und auf ein neu­traleres Wort, das wed­er die krim­i­nal­isieren­den Untertöne des «Dieb­stahls», noch die nobil­i­tieren­den des «Teilens» trägt, und überdies die Sache am genauesten und ein­fach­sten zu beschreiben ver­mag: Auf das des «Kopierens». Copy­ing is not theft — but copy­ing is not shar­ing, either.

Damit ist die Diskus­sion zwis­chen Kon­ser­v­a­tiv­en und Pro­gres­siv­en nicht been­det, eigentlich geht sie jet­zt erst richtig los. Denn es geht darum, wer was kopieren darf. Hier nun ste­ht die kon­ser­v­a­tive Seite argu­men­ta­tiv erst mal bess­er da, da sie sich auf beste­hen­des Recht berufen kann, das das Kopieren von Ideen, Paten­ten, Kul­turgütern etc. ver­bi­etet. Die Sache ist so gese­hen völ­lig klar: Das Kopieren von urhe­ber­rechtlich geschütztem Mate­r­i­al ist ille­gal, es ver­stößt gegen gel­tendes Recht.

Die Pro­gres­siv­en müssen auswe­ichen. Sie argu­men­tieren, das möge zwar so sein, aber beste­hende Geset­ze seien nicht in Stein gemeißelt und kön­nten auch geän­dert wer­den. Das Urhe­ber­recht sei «nicht mehr zeit­gemäß». Es sei doch his­torisch ent­standen, um zu ver­hin­dern, dass sich andere mit den Frücht­en der eige­nen Arbeit bere­ich­ern. Z.B. um Raub­drucke von Büch­ern zu ver­bi­eten. (Die Entste­hung des Urhe­ber­rechts ist tat­säch­lich eine Kon­se­quenz aus (1.) dem Beginn kap­i­tal­is­tis­ch­er Ver­w­er­tung und (2.) der Erfind­ung des Buch­drucks im Spät­mit­te­lal­ter.) Wo hinge­gen keine kom­merzielle Nutzung der Kopie stat­tfinde, da gebe es auch keinen Grund, von einem Bruch des Urhe­ber­rechts zu sprechen. (Daher die Legal­ität der Pri­vatkopie.) Selb­st das massen­hafte pri­vate Kopieren im Netz (z.B. über tor­rents) bewege sich daher in ein­er Grau­zone des Urheberrechts.

Die Kon­ser­v­a­tiv­en antworten, von Grau­zone könne seit der Ver­schär­fung (so wür­den es die Kon­ser­v­a­tiv­en vielle­icht nicht nen­nen) des Urhe­ber­rechts zum Copy­right, also seit Dig­i­tal Mil­len­ni­um Copy­right Act und  EG-Urhe­ber­recht­srichtlin­ie, keine Rede mehr sein. Dort sei die Sache klipp und klar geregelt.

Wenn man sich deren Kon­se­quen­zen aber angucke, so erwidern wiederum die Pro­gres­siv­en, offen­bare sich die ganze Absur­dität — und damit der Anachro­nis­mus — des Urhe­ber­rechts. Zum Beispiel sei das Umge­hen von auf CDs, DVDs oder Files ange­brachtem Kopier­schutz nach deutsch­er Ausle­gung straf­bar — selb­st wenn dies nur für pri­vate Zwecke geschähe. Das copy­right werde also ein­seit­ig gel­tend gemacht, nur noch für die Pro­duzentin­nen, während das Recht auf Pri­vatkopie das Nach­se­hen habe. Nicht ille­gal sei aber das analoge  Kopieren (zu pri­vat­en Zweck­en) von Mate­r­i­al auf durch Kopier­schutz gesicherten Trägern. So dürfe man den DVD-Film abfil­men, die Musik von CD aufnehmen. Nichts spräche auch dage­gen, dieses Mate­r­i­al anschließend wieder zu dig­i­tal­isieren. Mit anderen Worten: kom­pliziert sei erlaubt, ein­fach aber ver­boten, welch Absurdität.

Jet­zt wird es für die Kon­ser­v­a­tiv­en argu­men­ta­tiv eng. Und die Pro­gres­siv­en leg­en nach. Man könne das auch etwa am Beispiel youtube sehen: die zum Abruf bere­it ste­hen­den Videos ließen sich prob­lem­los mitschnei­den oder gle­ich in MP3s umwan­deln. Wenn aber der gle­iche Track via file­shar­ing oder tor­rent kopiert werde, sei dies ille­gal und würde strafrechtlich ver­fol­gt. Sei nicht auch das völ­lig absurd? Die Kon­ser­v­a­tiv­en murmeln ver­legen etwas von «Lück­en im Sys­tem», die es zu schließen gelte.

Den Pro­gres­siv­en wird Angst und Bange. Sie wis­sen, dass die Kon­ser­v­a­tiv­en zwar nicht die besseren Argu­mente, aber dafür das Kap­i­tal, die bürg­er­liche Presse, das Fernse­hen und die Staat­sap­pa­rate auf ihrer Seite haben. «Lück­en im Sys­tem schließen» klingt bedrohlich. Sie fra­gen die Kon­ser­v­a­tiv­en, ob ihnen am Ende immer nur Gewalt ein­falle, wenn sie diskur­siv unter­legen seien. Die Kon­ser­v­a­tiv­en entrüsten sich, von Gewalt könne gar keine Rede sein — und greifen zur Moralkeule. Es gehe schließlich um den Schutz der Kün­stler, ja um den der Kun­st schlechthin.

Da möcht­en die Pro­gres­siv­en dann aber doch gern erwidern, dass dies schlicht nicht stimme. Kun­st werde auch unab­hängig von finanzieller Beloh­nung pro­duziert; dies sei schon immer so gewe­sen und werde immer so bleiben. Das Copy­right könne also ein­fach abgeschafft wer­den und das Kunst­werk im Zeital­ter sein­er dig­i­tal­en Repro­duzier­barkeit frei zirkulieren. Wie sie sich das denn bitte vorstell­ten, fra­gen die Kon­ser­v­a­tiv­en ihre diskur­siv­en Geg­ner­in­nen (die sie, wie so oft, für naive Utopis­ten hal­ten). Es sei doch klar, dass Kün­stler von ihrer Kun­st leben kön­nen müssten.

Dieses schein­bar stärk­ste Argu­ment erweist sich als das denkbar schwäch­ste. Ein Zug, mit dem sich die Kon­ser­v­a­tiv­en selb­st matt set­zen. So geht die Par­tie für sie sich­er ver­loren. Denn: Dass Kün­stler von ihrer Kun­st leben kön­nen müssten, ist entwed­er eine plumpe Tau­tolo­gie (falls Kün­st­lerin nur die sich nen­nt, die von ihrer Kun­st lebt). Oder (empirisch und logisch) ein­fach völ­lig falsch.

Und aus unwahren Prämis­sen kann eine wahre Kon­klu­sion nicht fol­gen. Nie und nimmer.

 

(Fort­set­zung fol­gt, vielle­icht)

9 Meinungen zu “Ad ACTA II Die Diskussion

  1. ich finde es schön, wenn kün­st­lerin­nen von ihrer kun­st leben kön­nen. noch schön­er finde ich jedoch, wenn sie auch ohne ihre kun­st leben kön­nen. sie sollen leben dür­fen auch unab­hängig von ihrer kun­st. nur das macht die kun­st unab­hängig und — viel wichtiger — auch die kün­st­lerin­nen. dann muss nicht mehr kün­st­lerin sein wer kun­st macht. wie auch nicht mehr haushäl­terin sein muss wer den haushalt macht. das, finde ich, würde sinn machen.

  2. klärt vielle­icht einige Punk­te in der Diskussion:
    http://www.oekonomenstimme.org/artikel/2012/02/copyright-als-raubrittertum/

    • Oh, danke, sehr inter­es­sant. Mein Mit­be­wohn­er hat­te mir von dem Text erzählt, aber gele­sen hat­te ich ihn noch nicht. Tat­säch­lich entspricht vieles, von dem, was die bei­den schreiben, dem, was ich in meinem neuen Text als marx­is­tis­che Per­spek­tive zu entwick­eln ver­sucht habe. Ich weiß nicht, ob mich das irri­tieren sollte. Im besten Fall bedeutet die Kon­ver­genz natür­lich nur Gutes.

  3. […] ACTA III Was die Marx­istin­nen sagen23. Feb­ru­ar 2012 | Kom­men­tierenIn der Diskus­sion um ACTA und das Urhe­ber­recht haben die Pro­gres­siv­en einen argu­men­ta­tiv­en Sieg gegen die […]

  4. […] Kün­stler führte, und in deren Ver­lauf ich meine Hal­tung rev­i­diert habe, eigentlich obso­let. Im zweit­en Teil argu­men­tiere ich u.a. für eine bilat­erale rhetorische Abrüs­tung: Wir soll­ten aufhören, von […]

  5. Gui­do, wenn ich das lese, was Du hier schreib­st, macht mich das zwar wütend, aber ehrlich gesagt eher sehr trau­rig, denn natür­lich spiegelt es die Mei­n­ung so viel­er Men­schen wieder. Ich möchte ungern mit Dir disku­tieren, da ich aus dem “kon­ser­v­a­tiv­en”, also schlechtem Lager komme und Du aus dem “pro­gres­siv­en”, Du also schon klar definiert hast, wer hier im Recht ist — ich kann Dich ver­mut­lich eh nicht überzeugen.

    Ich möchte nur ein paar Gedanken aufschreiben.

    1. Zum The­ma Dieb­stahl vs. Kopie
    Eins der Haup­tar­gu­mente des “pro­gres­siv­en” Lagers ist ja, dass ein kopiertes MP3 nicht ver­gle­ich­bar mit einem gestohle­nen Pro­dukt ist. Richtig.
    Weisst Du was, ich geh zum Bäck­er, nehm mir ein Brot mit und leg ihm 30 Cent hin.
    Damit sind die Her­stel­lungskosten lock­er abgedeckt, es ist ihm also kein Ver­lust ent­standen. Der Tax­i­fahrer kriegt 3 Euro, damit sind 20km Ben­zinkosten lock­er wieder drin.
    Bezahlt, mein Lieber, wird nicht der Wert des Pro­duk­tes, son­dern der Herstellungsprozess.

    2. Musik, auch wenn Du das anders siehst, ist ein ganz nor­males Produkt.
    Der eine baut Autos, mit denen der Musik­er rum­fahren kann, der andere verkauft ihm seine Karot­ten, der Musik­er sorgt dafür, dass die bei­den abends nach der Arbeit sich gemütlich mit den Kopfhör­ern in eine andere Welt bea­men können.

    3. Du schreib­st, es gibt kein Recht für Kün­stler, von ihrer Kun­st zu leben.
    Was nimmst Du Dir eigentlich raus? Hast Du das selb­st mal pro­biert und dann noch nicht durchge­zo­gen und recht­fer­tigst Da irgend­was vor Dir selb­st? Welch­es Recht, hat über­haupt irgend­je­mand, von sein­er Tätigkeit zu leben? Musik­machen ist doch nicht mal eben nen Hit schreiben und ab nach Malle, son­dern 10+ Jahre Instru­ment ler­nen, unzäh­lige isolierte Übungsstun­den im gemieteten Prober­aum, vielle­icht Bezahlung eines Lehrers oder Studi­um, volles freiberu­flerisches Risiko ohne garantierten Gehaltscheck am Monat­san­fang und und und

    Wenn ich Tage und Wochen und Monate investi­er, um supergeile Musik zu machen, die Leute auf Par­ties spie­len oder sich zum Chillen auf Youtube anschauen — dann hab ich in der Zeit wed­er auf dem Bau gear­beit­et, noch mit Aktien han­deln kön­nen — warum soll ich dann nichts dafür zurück­kriegen??? Wenn ich 3 Neben­jobs brauche, um mein Musik­er­leben zu finanzieren, glaub­st Du denn, dann wird meine Musik ins­ge­samt bess­er? Oft ist die Rede vom tollen Unter­grund mit­samt all sein­er Perlen, der nur darauf wartet, ent­deckt zu wer­den — cool, ich wette, Dein Ipod ist voll mit Bands ohne Plat­ten­ver­trag — lei­der kön­nen die nie lange auf Tour gehen oder 6 Wochen im Stu­dio an Plat­ten arbeit­en, weil son­st fliegen die näm­lich aus ihren “richti­gen” Jobs raus.

    Wenn man viele Leute fragt, was ihnen wichtig ist, dann kommt Musik meist an vorder­er Stelle. Ihr alle soll­tet mal 2 Tage lang kom­plett auf Musik verzicht­en und Euch dann nochmal fra­gen, ob das wirk­lich so ein 0‑Eu­ro-wert­los­es Zeug ist, für das man ja “eigentlich” irgend­wie schon was bezahlen würde, aber die böse Indus­trie hat ja noch so vorsint­flut­liche Mod­elle, selb­st schuld…

    Ich bin nicht in der GEMA, habe keine Hits geschrieben und absoluter DIY-Under­ground-Musik­er — aber wegen Leuten wie Dir bin ich abso­lut Pro-Acta. 

    Viele Grüsse

  6. Lieber Musik­er, danke fürs Feed­back. Das gibt mir die Möglichkeit, ein paar Missver­ständ­nisse auszuräumen.
    ad1.) «Bezahlt, mein Lieber, wird nicht der Wert des Pro­duk­tes, son­dern der Her­stel­lung­sprozess.» Nein, das ist sich­er falsch. Bezahlt wird wed­er der Her­stel­lung­sprozess noch der Wert des Pro­duk­ts. Bezahlt wird das Pro­dukt selb­st, ganz ein­fach. Wenn ich bei der Bäck­erin ein Brötchen bezahle, frage ich sie doch nicht, wie lang sie daran geknetet hat.
    ad2.) «Musik ist ein ganz nor­males Pro­dukt.» Das sehe ich nicht anders. Der einzige Unter­schied zu vie­len anderen Pro­duk­ten beste­ht darin, dass Musik auf bes­timmten Trägern existiert, und dass Men­schen diese Träger einan­der auslei­hen, miteinan­der tauschen, sich gegen­seit­ig kopieren. Bei Brötchen ist das, wenn man sie ein­mal kon­sum­iert hat, etwas schwieriger.
    ad3.) Hier begin­nt das wirk­liche Missver­ständ­nis. Und ich gebe gerne zu, dass es an mein­er For­mulierung liegt. Was die Pro­gres­siv­en sagen wollen, ist nicht, dass du (als Musik­er) kein Exis­ten­zrecht hast. Sie argu­men­tieren viel all­ge­mein­er. Sie meinen, dass der tech­nis­che Fortschritt die Möglichkeit­en, mit Kun­st Geld zu ver­di­enen, ver­min­dert hat, und dass dies kein prinzip­ielles Prob­lem ist. Sie sehen das genau­so wie bei anderem his­torischem Fortschritt. Daher das Beispiel mit dem Pfer­dekutsch­er. Wenn es Eisen­bahn und Autos gibt, kön­nen Pfer­dekutsch­er von ihrer Arbeit nicht mehr leben. So what, sagen die Progressiven.
    Jet­zt ist es aber so, dass ich selb­st nicht (mehr) die Posi­tion der Pro­gres­siv­en vertrete. Ich bin zwar immer noch für den Fortschritt, meine aber, dass dieser intel­li­gent zu organ­isieren ist. Und mit intel­li­gent meine ich: So, dass wed­er die Kün­st­lerin­nen darunter lei­den, noch die Hörerinnen/Downloaderinnen. So wie ich ihn ver­ste­he, sollte der Fortschritt nicht auf deren Kosten, son­dern auf Kosten von Staat und Kap­i­tal Gestalt annehmen. 

    Zum Schluss: Mach mich nicht wichtiger als ich bin. Es ist doch nicht wegen mir (oder Leuten wie mir), dass du «Pro-Acta» bist. Son­dern weil du meinst, so deine Inter­essen zu vertei­di­gen. Und darin irrst du dich gewaltig.

    Her­zlich, G

  7. Danke für die Antwort.

    zu 1.) Ja, natür­lich wird am Ende nur “das Pro­dukt” bezahlt — aber ich meinte, dass indi­rekt eben alles, was dahin­ter­steckt, damit finanziert wird. Um bei der Bäck­er-Analo­gie zu bleiben: Das Brot kostet eben 1,50, weil da Miete, Gehalt, Strom, Kranken­ver­sicherung usw. mit finanziert wer­den — obwohl die reinen Mate­ri­alkosten schon mit vielle­icht 20 Ct. abgedeckt sind. Das nur zum The­ma: Wenn ich ne MP3-Datei kopiere, dann ist ja kein Schaden ent­standen, da das Orig­i­nal ja noch vorhan­den ist.
    Stimmt ja, aber die Her­stel­lungs-Kosten sind eben trotz­dem ange­fall­en und Du nutzt das Pro­dukt kosten­los, obwohl ich als Eigen­tümer und Urhe­ber das nicht möchte.
    -> Dieb­stahl, bzw. Ver­stoss gegen mein per­sön­lich­es Eigentums-Grundrecht

    2. Exakt und genau deswe­gen sind neue Regelun­gen nötig, damit dafür gesorgt ist, dass Pro­duzen­ten imma­terieller Güter — hier geht es längst nicht nur um Kün­stler, son­dern bsp. auch Soft­wa­reen­twick­ler und Autoren — nicht um den Lohn ihrer Arbeit bet­ro­gen werden.

    3. Das Beispiel Eisenbahn/Pferdekutscher trifft für die Sit­u­a­tion nicht zu. Es gab näm­lich keine indus­trielle Rev­o­lu­tion, die nun die Auf­tragslage und Bezahlung von einem ver­al­teten Beruf­szweig zu einem neuen auf­streben­den ver­lagert. Son­dern es wur­den ein­fach neue Tech­niken entwick­elt, die es ermöglichen, aus dem gle­ichen Beruf­szweig densel­ben Nutzen zu ziehen, ihn dafür aber nicht mehr zu entlohnen.
    Wenn der Musik­er der alte Pfer­dekutsch­er sein soll, was ist denn das heutige up-to-date Pen­dant dazu?

    Ich mach Dich nicht wichtiger als Du bist — Du verkör­pert ein­fach eine Entwick­lung der Gesellschaft, die ich über­haupt nicht toll finde. Mit irgendwekchen Argu­menten ver­suchen, zu recht­fer­ti­gen, dass Du zwar gerne meine Musik hören willst (oder die mein­er Kol­le­gen), aber es keine Gegen­leis­tung geben soll. 

    Ich habe einen Song geschrieben, aufgenom­men und pro­duziert und möchte, dass Du mir was dafür gib­st, wenn Du den abends hörst oder im Club dazu Par­ty machst.
    Kein­er zwingt Dich, den zu kaufen oder zu hören — klar kön­nte ich den auch frei raus­geben — will ich aber nicht zwangsläu­fig, hab Miete, Equip­ment, Zeit, usw. investiert und es ist mein Grun­drecht (->Eigen­tum­srecht), das selb­st zu entscheiden.
    Du möcht­est ihn trotz­dem unbe­d­ingt hören, mir aber nichts dafür geben. also lädtst Du ihn Dir runter und gib­st ihn Deinen Fre­un­den, von denen auch kein­er mir was dafür gibt — finde ich unfair.
    Also freu ich mich drauf, dass ACTA meine Inter­essen ver­tritt und ein gewiss­es Angstk­li­ma schafft, dass Leute sich mehrmals über­legen, einen Film oder ein Album run­terzu­laden und stattdessen in die Videothek gehen oder das ganze sog­ar (wie früher!) kaufen.
    Genau­so wie sie es bere­itwillig bei ALLEN (!!!!!) anderen Branchen tun. Ohne drüber nachzu­denken, ob ein Arzt, Lehrer, Man­ag­er, Met­zger, Fliessen­leger, Tax­i­fahrer, Hub­schrauber­pi­lot, Fuss­baller, Anwalt, Über­set­zer, und und und zu Recht für seine Tätigkeit bezahlt wird.

    Wenn ihr nicht darauf scheis­sen würdet, dass ich eine Gegen­leis­tung für meine Arbeit haben möchte und das ganze sog­ar als Kampf gegen irgend ein bös­es Sys­tem glo­ri­fiziert, wäre ich der let­zte, der über sowas wie Acta nach­denken würde.

    viele Grüsse

  8. Zur Dieb­stahl-Prob­lematik: Du musst ein­se­hen, dass die Def­i­n­i­tion hier eine Frage der Per­spek­tive ist. Aus dein­er Sicht ist es Dieb­stahl, weil du für die von dir pro­duzierte Musik kein Geld bekom­men hast. Aus Sicht der Hörerin ist es kein Dieb­stahl, weil sie nichts weggenom­men hat, son­dern nur mit anderen getauscht und geteilt hat. (Sie hätte die CD im Laden vielle­icht nie gekauft.) Um die per­spek­tivis­che Verz­er­rung etwas rauszunehmen, habe ich in dem Text ein neu­traleres Wort vorgeschla­gen: Kopieren. Dies trifft den Sachver­halt am besten und es wäre schön, wenn wir uns darauf eini­gen kön­nten. (In der Frage wie wir den Vor­gang des ille­galen Kopierens moralisch bew­erten, kön­nen wir dann immer noch ander­er Mei­n­ung sein.)

    Zur eigentlich wichti­gen Frage: Warum du Acta unter­stützt und was ich daran falsch finde.
    Du sche­inst anzunehmen, dass mit Acta Zustände wie in den 90er Jahre zurück­kehren, in denen die Musik­branche boomte, und das File­shar­ing im Netz noch mar­gin­al war. Ich glaube das nicht. Ich glaube die Ver­schär­fung der Ille­gal­isierung wird in dieser Rich­tung über­haupt nicht viel brin­gen. Prof­i­tieren wer­den nur die Anwälte, die jet­zt schon scharen­weise, auf Eigenini­tia­tive, auf Jagd nach Down­load­ern gehen. Durch Ille­gal­isierung wird sich File­shar­ing genau­sowenig ver­hin­dern lassen wie Kiffen.

    Außer­dem halte ich es auch für sehr fraglich, dass die 90er für Musik­erin­nen soviel gold­en­er waren als die aktuellen Jahre. Wahrschein­lich waren sie es nur für die Musikin­dus­trie. Sehr viele (die große Mehrheit) der Musik­erin­nen kon­nte allein von ihrer Kun­st auch damals nicht leben. Bands wie Glo­rie erre­ichen mit ihrem Postrock ohne­hin nur ein sehr kleines Pub­likumsseg­ment, und das gilt für die anderen Sparten auch. Nenn mir mal drei Postrock­bands, die in den 90ern allein von ihren Plat­ten­verkäufen leben kon­nten und es jet­zt nicht mehr können.

    Ich kön­nte deinen Ärg­er sehr viel bess­er ver­ste­hen, wenn ich wüsste, dass du früher mit Plat­ten­verkäufen ein angenehmes Auskom­men hat­test, was dir jet­zt ver­wehrt ist. Aber ist das wirk­lich so?

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