Ad ACTA II Die Diskussion
Etwas idealtypisch verzerrt kann man sagen, dass in der Diskussion zwei scheinbar gänzlich inkommensurable Weltbilder aufeinander prallen. Das äußert sich zunächst an den die Zustände beschreibenden Termini. So wiederholt die eine Seite — nennen wir sie «die Konservativen» — das Mantra, das Runterladen von copyright-geschütztem Material im Internet sei «Diebstahl». Noch vor einigen Tagen titelte das Berliner Boulevardblatt BZ: «Wisst Ihr ACTA-Demonstranten, dass ihr für Diebstahl auf die Straße geht?» Und auch in den Diskussionen im Kommentarbereich der größeren bürgerlichen Zeitungen taucht das immer mal wieder auf. Die Idee, mit der solche Rede sich plausibilisiert, ist folgende: Wenn Menschen für das, was andere produziert haben, nicht bezahlen und es sich einfach nehmen, bei den Produzentinnen also kein Geld ankommt — dann handele es sich um Diebstahl.
Die Gegenseite — «die Progressiven» — sieht die Sache völlig anders. Nicht gestohlen werde hier, sondern geteilt oder getauscht. Daher der Ausdruck «filesharing». Mit Diebstahl habe das überhaupt nichts zu tun. Und zwar weil niemandem etwas weg genommen werde. Diebstahl definiere sich aber doch gerade dadurch: jemandem etwas gegen ihren Willen entwenden. Beim typischen Fall geht ein Mensch in einen Laden, nimmt sich eine CD, und bezahlt nicht. Anschließend hat der Laden eine CD weniger und die Diebin eine mehr. Gerade das geschähe beim filesharing nicht, da nur untereinander geteilt und getauscht werde.
Die Konservativen antworten, dass dabei aber doch etwas entwendet werde, nämlich das Recht der Produzentin auf die Verwertung ihres Produkts. Der Effekt sei eben der gleiche: die Konsumentin (Diebin) habe eine CD mehr und die Produzentin habe kein Geld dafür erhalten. Der Schaden entspreche also genau dem eines Diebstahls.
Worauf die Progressiven einwenden, diese Rechnung ginge schon deswegen nicht auf, weil niemand beweisen könne, dass die Konsumentin Geld für die CD ausgegeben hätte. Vielleicht hätte sie sie nie und nimmer gekauft (weil sie z. B. überhaupt nicht genug Geld dafür habe), sondern sie sich nur angeeignet, weil sie ihr im Netz kostenlos zum Tausch angeboten worden sei. Daher sei der Produzentin eben durchaus überhaupt kein Schaden entstanden, sie habe genauso viel (oder wenig) Geld wie zuvor.
Die Konservativen können an dieser Stelle auf den objektiven Umsatzrückgang bei CD-Verkäufen hinweisen, was die Progressiven damit kontern, dass dieser überhaupt nichts beweise.
Vielleicht sollten sich die Konservativen und die Progressiven in dieser Patt-Situation auf ein Remis einigen, und auf ein neutraleres Wort, das weder die kriminalisierenden Untertöne des «Diebstahls», noch die nobilitierenden des «Teilens» trägt, und überdies die Sache am genauesten und einfachsten zu beschreiben vermag: Auf das des «Kopierens». Copying is not theft — but copying is not sharing, either.
Damit ist die Diskussion zwischen Konservativen und Progressiven nicht beendet, eigentlich geht sie jetzt erst richtig los. Denn es geht darum, wer was kopieren darf. Hier nun steht die konservative Seite argumentativ erst mal besser da, da sie sich auf bestehendes Recht berufen kann, das das Kopieren von Ideen, Patenten, Kulturgütern etc. verbietet. Die Sache ist so gesehen völlig klar: Das Kopieren von urheberrechtlich geschütztem Material ist illegal, es verstößt gegen geltendes Recht.
Die Progressiven müssen ausweichen. Sie argumentieren, das möge zwar so sein, aber bestehende Gesetze seien nicht in Stein gemeißelt und könnten auch geändert werden. Das Urheberrecht sei «nicht mehr zeitgemäß». Es sei doch historisch entstanden, um zu verhindern, dass sich andere mit den Früchten der eigenen Arbeit bereichern. Z.B. um Raubdrucke von Büchern zu verbieten. (Die Entstehung des Urheberrechts ist tatsächlich eine Konsequenz aus (1.) dem Beginn kapitalistischer Verwertung und (2.) der Erfindung des Buchdrucks im Spätmittelalter.) Wo hingegen keine kommerzielle Nutzung der Kopie stattfinde, da gebe es auch keinen Grund, von einem Bruch des Urheberrechts zu sprechen. (Daher die Legalität der Privatkopie.) Selbst das massenhafte private Kopieren im Netz (z.B. über torrents) bewege sich daher in einer Grauzone des Urheberrechts.
Die Konservativen antworten, von Grauzone könne seit der Verschärfung (so würden es die Konservativen vielleicht nicht nennen) des Urheberrechts zum Copyright, also seit Digital Millennium Copyright Act und EG-Urheberrechtsrichtlinie, keine Rede mehr sein. Dort sei die Sache klipp und klar geregelt.
Wenn man sich deren Konsequenzen aber angucke, so erwidern wiederum die Progressiven, offenbare sich die ganze Absurdität — und damit der Anachronismus — des Urheberrechts. Zum Beispiel sei das Umgehen von auf CDs, DVDs oder Files angebrachtem Kopierschutz nach deutscher Auslegung strafbar — selbst wenn dies nur für private Zwecke geschähe. Das copyright werde also einseitig geltend gemacht, nur noch für die Produzentinnen, während das Recht auf Privatkopie das Nachsehen habe. Nicht illegal sei aber das analoge Kopieren (zu privaten Zwecken) von Material auf durch Kopierschutz gesicherten Trägern. So dürfe man den DVD-Film abfilmen, die Musik von CD aufnehmen. Nichts spräche auch dagegen, dieses Material anschließend wieder zu digitalisieren. Mit anderen Worten: kompliziert sei erlaubt, einfach aber verboten, welch Absurdität.
Jetzt wird es für die Konservativen argumentativ eng. Und die Progressiven legen nach. Man könne das auch etwa am Beispiel youtube sehen: die zum Abruf bereit stehenden Videos ließen sich problemlos mitschneiden oder gleich in MP3s umwandeln. Wenn aber der gleiche Track via filesharing oder torrent kopiert werde, sei dies illegal und würde strafrechtlich verfolgt. Sei nicht auch das völlig absurd? Die Konservativen murmeln verlegen etwas von «Lücken im System», die es zu schließen gelte.
Den Progressiven wird Angst und Bange. Sie wissen, dass die Konservativen zwar nicht die besseren Argumente, aber dafür das Kapital, die bürgerliche Presse, das Fernsehen und die Staatsapparate auf ihrer Seite haben. «Lücken im System schließen» klingt bedrohlich. Sie fragen die Konservativen, ob ihnen am Ende immer nur Gewalt einfalle, wenn sie diskursiv unterlegen seien. Die Konservativen entrüsten sich, von Gewalt könne gar keine Rede sein — und greifen zur Moralkeule. Es gehe schließlich um den Schutz der Künstler, ja um den der Kunst schlechthin.
Da möchten die Progressiven dann aber doch gern erwidern, dass dies schlicht nicht stimme. Kunst werde auch unabhängig von finanzieller Belohnung produziert; dies sei schon immer so gewesen und werde immer so bleiben. Das Copyright könne also einfach abgeschafft werden und das Kunstwerk im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit frei zirkulieren. Wie sie sich das denn bitte vorstellten, fragen die Konservativen ihre diskursiven Gegnerinnen (die sie, wie so oft, für naive Utopisten halten). Es sei doch klar, dass Künstler von ihrer Kunst leben können müssten.
Dieses scheinbar stärkste Argument erweist sich als das denkbar schwächste. Ein Zug, mit dem sich die Konservativen selbst matt setzen. So geht die Partie für sie sicher verloren. Denn: Dass Künstler von ihrer Kunst leben können müssten, ist entweder eine plumpe Tautologie (falls Künstlerin nur die sich nennt, die von ihrer Kunst lebt). Oder (empirisch und logisch) einfach völlig falsch.
Und aus unwahren Prämissen kann eine wahre Konklusion nicht folgen. Nie und nimmer.
(Fortsetzung folgt, vielleicht)
ich finde es schön, wenn künstlerinnen von ihrer kunst leben können. noch schöner finde ich jedoch, wenn sie auch ohne ihre kunst leben können. sie sollen leben dürfen auch unabhängig von ihrer kunst. nur das macht die kunst unabhängig und — viel wichtiger — auch die künstlerinnen. dann muss nicht mehr künstlerin sein wer kunst macht. wie auch nicht mehr haushälterin sein muss wer den haushalt macht. das, finde ich, würde sinn machen.
klärt vielleicht einige Punkte in der Diskussion:
http://www.oekonomenstimme.org/artikel/2012/02/copyright-als-raubrittertum/
Oh, danke, sehr interessant. Mein Mitbewohner hatte mir von dem Text erzählt, aber gelesen hatte ich ihn noch nicht. Tatsächlich entspricht vieles, von dem, was die beiden schreiben, dem, was ich in meinem neuen Text als marxistische Perspektive zu entwickeln versucht habe. Ich weiß nicht, ob mich das irritieren sollte. Im besten Fall bedeutet die Konvergenz natürlich nur Gutes.
[…] ACTA III Was die Marxistinnen sagen23. Februar 2012 | KommentierenIn der Diskussion um ACTA und das Urheberrecht haben die Progressiven einen argumentativen Sieg gegen die […]
[…] Künstler führte, und in deren Verlauf ich meine Haltung revidiert habe, eigentlich obsolet. Im zweiten Teil argumentiere ich u.a. für eine bilaterale rhetorische Abrüstung: Wir sollten aufhören, von […]
Guido, wenn ich das lese, was Du hier schreibst, macht mich das zwar wütend, aber ehrlich gesagt eher sehr traurig, denn natürlich spiegelt es die Meinung so vieler Menschen wieder. Ich möchte ungern mit Dir diskutieren, da ich aus dem “konservativen”, also schlechtem Lager komme und Du aus dem “progressiven”, Du also schon klar definiert hast, wer hier im Recht ist — ich kann Dich vermutlich eh nicht überzeugen.
Ich möchte nur ein paar Gedanken aufschreiben.
1. Zum Thema Diebstahl vs. Kopie
Eins der Hauptargumente des “progressiven” Lagers ist ja, dass ein kopiertes MP3 nicht vergleichbar mit einem gestohlenen Produkt ist. Richtig.
Weisst Du was, ich geh zum Bäcker, nehm mir ein Brot mit und leg ihm 30 Cent hin.
Damit sind die Herstellungskosten locker abgedeckt, es ist ihm also kein Verlust entstanden. Der Taxifahrer kriegt 3 Euro, damit sind 20km Benzinkosten locker wieder drin.
Bezahlt, mein Lieber, wird nicht der Wert des Produktes, sondern der Herstellungsprozess.
2. Musik, auch wenn Du das anders siehst, ist ein ganz normales Produkt.
Der eine baut Autos, mit denen der Musiker rumfahren kann, der andere verkauft ihm seine Karotten, der Musiker sorgt dafür, dass die beiden abends nach der Arbeit sich gemütlich mit den Kopfhörern in eine andere Welt beamen können.
3. Du schreibst, es gibt kein Recht für Künstler, von ihrer Kunst zu leben.
Was nimmst Du Dir eigentlich raus? Hast Du das selbst mal probiert und dann noch nicht durchgezogen und rechtfertigst Da irgendwas vor Dir selbst? Welches Recht, hat überhaupt irgendjemand, von seiner Tätigkeit zu leben? Musikmachen ist doch nicht mal eben nen Hit schreiben und ab nach Malle, sondern 10+ Jahre Instrument lernen, unzählige isolierte Übungsstunden im gemieteten Proberaum, vielleicht Bezahlung eines Lehrers oder Studium, volles freiberuflerisches Risiko ohne garantierten Gehaltscheck am Monatsanfang und und und
Wenn ich Tage und Wochen und Monate investier, um supergeile Musik zu machen, die Leute auf Parties spielen oder sich zum Chillen auf Youtube anschauen — dann hab ich in der Zeit weder auf dem Bau gearbeitet, noch mit Aktien handeln können — warum soll ich dann nichts dafür zurückkriegen??? Wenn ich 3 Nebenjobs brauche, um mein Musikerleben zu finanzieren, glaubst Du denn, dann wird meine Musik insgesamt besser? Oft ist die Rede vom tollen Untergrund mitsamt all seiner Perlen, der nur darauf wartet, entdeckt zu werden — cool, ich wette, Dein Ipod ist voll mit Bands ohne Plattenvertrag — leider können die nie lange auf Tour gehen oder 6 Wochen im Studio an Platten arbeiten, weil sonst fliegen die nämlich aus ihren “richtigen” Jobs raus.
Wenn man viele Leute fragt, was ihnen wichtig ist, dann kommt Musik meist an vorderer Stelle. Ihr alle solltet mal 2 Tage lang komplett auf Musik verzichten und Euch dann nochmal fragen, ob das wirklich so ein 0‑Euro-wertloses Zeug ist, für das man ja “eigentlich” irgendwie schon was bezahlen würde, aber die böse Industrie hat ja noch so vorsintflutliche Modelle, selbst schuld…
Ich bin nicht in der GEMA, habe keine Hits geschrieben und absoluter DIY-Underground-Musiker — aber wegen Leuten wie Dir bin ich absolut Pro-Acta.
Viele Grüsse
Lieber Musiker, danke fürs Feedback. Das gibt mir die Möglichkeit, ein paar Missverständnisse auszuräumen.
ad1.) «Bezahlt, mein Lieber, wird nicht der Wert des Produktes, sondern der Herstellungsprozess.» Nein, das ist sicher falsch. Bezahlt wird weder der Herstellungsprozess noch der Wert des Produkts. Bezahlt wird das Produkt selbst, ganz einfach. Wenn ich bei der Bäckerin ein Brötchen bezahle, frage ich sie doch nicht, wie lang sie daran geknetet hat.
ad2.) «Musik ist ein ganz normales Produkt.» Das sehe ich nicht anders. Der einzige Unterschied zu vielen anderen Produkten besteht darin, dass Musik auf bestimmten Trägern existiert, und dass Menschen diese Träger einander ausleihen, miteinander tauschen, sich gegenseitig kopieren. Bei Brötchen ist das, wenn man sie einmal konsumiert hat, etwas schwieriger.
ad3.) Hier beginnt das wirkliche Missverständnis. Und ich gebe gerne zu, dass es an meiner Formulierung liegt. Was die Progressiven sagen wollen, ist nicht, dass du (als Musiker) kein Existenzrecht hast. Sie argumentieren viel allgemeiner. Sie meinen, dass der technische Fortschritt die Möglichkeiten, mit Kunst Geld zu verdienen, vermindert hat, und dass dies kein prinzipielles Problem ist. Sie sehen das genauso wie bei anderem historischem Fortschritt. Daher das Beispiel mit dem Pferdekutscher. Wenn es Eisenbahn und Autos gibt, können Pferdekutscher von ihrer Arbeit nicht mehr leben. So what, sagen die Progressiven.
Jetzt ist es aber so, dass ich selbst nicht (mehr) die Position der Progressiven vertrete. Ich bin zwar immer noch für den Fortschritt, meine aber, dass dieser intelligent zu organisieren ist. Und mit intelligent meine ich: So, dass weder die Künstlerinnen darunter leiden, noch die Hörerinnen/Downloaderinnen. So wie ich ihn verstehe, sollte der Fortschritt nicht auf deren Kosten, sondern auf Kosten von Staat und Kapital Gestalt annehmen.
Zum Schluss: Mach mich nicht wichtiger als ich bin. Es ist doch nicht wegen mir (oder Leuten wie mir), dass du «Pro-Acta» bist. Sondern weil du meinst, so deine Interessen zu verteidigen. Und darin irrst du dich gewaltig.
Herzlich, G
Danke für die Antwort.
zu 1.) Ja, natürlich wird am Ende nur “das Produkt” bezahlt — aber ich meinte, dass indirekt eben alles, was dahintersteckt, damit finanziert wird. Um bei der Bäcker-Analogie zu bleiben: Das Brot kostet eben 1,50, weil da Miete, Gehalt, Strom, Krankenversicherung usw. mit finanziert werden — obwohl die reinen Materialkosten schon mit vielleicht 20 Ct. abgedeckt sind. Das nur zum Thema: Wenn ich ne MP3-Datei kopiere, dann ist ja kein Schaden entstanden, da das Original ja noch vorhanden ist.
Stimmt ja, aber die Herstellungs-Kosten sind eben trotzdem angefallen und Du nutzt das Produkt kostenlos, obwohl ich als Eigentümer und Urheber das nicht möchte.
-> Diebstahl, bzw. Verstoss gegen mein persönliches Eigentums-Grundrecht
2. Exakt und genau deswegen sind neue Regelungen nötig, damit dafür gesorgt ist, dass Produzenten immaterieller Güter — hier geht es längst nicht nur um Künstler, sondern bsp. auch Softwareentwickler und Autoren — nicht um den Lohn ihrer Arbeit betrogen werden.
3. Das Beispiel Eisenbahn/Pferdekutscher trifft für die Situation nicht zu. Es gab nämlich keine industrielle Revolution, die nun die Auftragslage und Bezahlung von einem veralteten Berufszweig zu einem neuen aufstrebenden verlagert. Sondern es wurden einfach neue Techniken entwickelt, die es ermöglichen, aus dem gleichen Berufszweig denselben Nutzen zu ziehen, ihn dafür aber nicht mehr zu entlohnen.
Wenn der Musiker der alte Pferdekutscher sein soll, was ist denn das heutige up-to-date Pendant dazu?
Ich mach Dich nicht wichtiger als Du bist — Du verkörpert einfach eine Entwicklung der Gesellschaft, die ich überhaupt nicht toll finde. Mit irgendwekchen Argumenten versuchen, zu rechtfertigen, dass Du zwar gerne meine Musik hören willst (oder die meiner Kollegen), aber es keine Gegenleistung geben soll.
Ich habe einen Song geschrieben, aufgenommen und produziert und möchte, dass Du mir was dafür gibst, wenn Du den abends hörst oder im Club dazu Party machst.
Keiner zwingt Dich, den zu kaufen oder zu hören — klar könnte ich den auch frei rausgeben — will ich aber nicht zwangsläufig, hab Miete, Equipment, Zeit, usw. investiert und es ist mein Grundrecht (->Eigentumsrecht), das selbst zu entscheiden.
Du möchtest ihn trotzdem unbedingt hören, mir aber nichts dafür geben. also lädtst Du ihn Dir runter und gibst ihn Deinen Freunden, von denen auch keiner mir was dafür gibt — finde ich unfair.
Also freu ich mich drauf, dass ACTA meine Interessen vertritt und ein gewisses Angstklima schafft, dass Leute sich mehrmals überlegen, einen Film oder ein Album runterzuladen und stattdessen in die Videothek gehen oder das ganze sogar (wie früher!) kaufen.
Genauso wie sie es bereitwillig bei ALLEN (!!!!!) anderen Branchen tun. Ohne drüber nachzudenken, ob ein Arzt, Lehrer, Manager, Metzger, Fliessenleger, Taxifahrer, Hubschrauberpilot, Fussballer, Anwalt, Übersetzer, und und und zu Recht für seine Tätigkeit bezahlt wird.
Wenn ihr nicht darauf scheissen würdet, dass ich eine Gegenleistung für meine Arbeit haben möchte und das ganze sogar als Kampf gegen irgend ein böses System glorifiziert, wäre ich der letzte, der über sowas wie Acta nachdenken würde.
viele Grüsse
Zur Diebstahl-Problematik: Du musst einsehen, dass die Definition hier eine Frage der Perspektive ist. Aus deiner Sicht ist es Diebstahl, weil du für die von dir produzierte Musik kein Geld bekommen hast. Aus Sicht der Hörerin ist es kein Diebstahl, weil sie nichts weggenommen hat, sondern nur mit anderen getauscht und geteilt hat. (Sie hätte die CD im Laden vielleicht nie gekauft.) Um die perspektivische Verzerrung etwas rauszunehmen, habe ich in dem Text ein neutraleres Wort vorgeschlagen: Kopieren. Dies trifft den Sachverhalt am besten und es wäre schön, wenn wir uns darauf einigen könnten. (In der Frage wie wir den Vorgang des illegalen Kopierens moralisch bewerten, können wir dann immer noch anderer Meinung sein.)
Zur eigentlich wichtigen Frage: Warum du Acta unterstützt und was ich daran falsch finde.
Du scheinst anzunehmen, dass mit Acta Zustände wie in den 90er Jahre zurückkehren, in denen die Musikbranche boomte, und das Filesharing im Netz noch marginal war. Ich glaube das nicht. Ich glaube die Verschärfung der Illegalisierung wird in dieser Richtung überhaupt nicht viel bringen. Profitieren werden nur die Anwälte, die jetzt schon scharenweise, auf Eigeninitiative, auf Jagd nach Downloadern gehen. Durch Illegalisierung wird sich Filesharing genausowenig verhindern lassen wie Kiffen.
Außerdem halte ich es auch für sehr fraglich, dass die 90er für Musikerinnen soviel goldener waren als die aktuellen Jahre. Wahrscheinlich waren sie es nur für die Musikindustrie. Sehr viele (die große Mehrheit) der Musikerinnen konnte allein von ihrer Kunst auch damals nicht leben. Bands wie Glorie erreichen mit ihrem Postrock ohnehin nur ein sehr kleines Publikumssegment, und das gilt für die anderen Sparten auch. Nenn mir mal drei Postrockbands, die in den 90ern allein von ihren Plattenverkäufen leben konnten und es jetzt nicht mehr können.
Ich könnte deinen Ärger sehr viel besser verstehen, wenn ich wüsste, dass du früher mit Plattenverkäufen ein angenehmes Auskommen hattest, was dir jetzt verwehrt ist. Aber ist das wirklich so?