Atomaraskese
Ein wenig Gehirnjogging fürs Wochenende. Zunächst ein kleiner Test für das Erinnerungsvermögen: Was war nochmal mit Asse II? Im Herbst letzten Jahres erschien ein Bericht des niedersächsischen Umweltministers, der detailliert über die radioaktive Kontamination der Lauge in der Schachtanlage Auskunft gab. Ausschlaggebend war zum einen die Berichterstattung der Braunschweiger Zeitung, zum anderen eine kleine Anfrage der niedersächsischen Landtagsabgeordneten Christel Wegner (wer war das noch gleich?), die herausfinden wollte, wo die aus Asse abgeleitete Lauge eigentlich hingebracht wird.
Die ganze Geschichte wuchs sich dann zu einem handfesten Skandälchen aus, eine Sternstunde für den Ex-Pop-Beauftragten Sigmar Gabriel:
Gabriel richtete schwere Vorwürfe gegen den Betreiber und die bergrechtliche Genehmigungsbehörde. Beide hätten atomrechtliche Maßstäbe vermissen lassen. Die Einlagerung von Kernbrennstoffen widerspreche früheren Aussagen. „Unglaublich“ sei auch, dass die Undichtigkeit des Bergwerks bereits seit 1967 bekannt sei und nicht erst seit 1988. Da „grob fahrlässig“ gehandelt worden sei, müsse auch die Frage von Strafanzeigen geprüft werden. Die Einlagerung der Atommüll-Fässer sei damals in feuchten Kammern erfolgt, wie die Befragung von Mitarbeitern ergeben habe. „Es gab nie ein sicheres Endlager Asse, sondern es wurden bewusst Informationen zu Laugenzutritten unterdrückt“, kritisierte Gabriel.
Je nun, wie komm’ ich drauf? Achja, Asse droht einzustürzen, genauer gesagt, eine radioaktiv vermüllte befüllte Kammer. Bitte gehen sie weiter, es gibt nichts zu sehen.
Unter dem poetischen Titel “Die weißen Sümpfe von Wittmar” ist nun auf Telepolis eine kurze Geschichte des Atommüllendlagers Asse II erschienen.Gut, nicht unbedingt wirklich kurz, aber sehr interessant. Ergänzend dazu sei ein Artikel aus der Zeit empfohlen:“Die Legende vom Salzstock”.
Ein gegenüber den atomaren Abfallgruben weitaus interessanteres Vernichtungspotential haben Atombomben. Eigentlich sollte ihre Verbreitung durch den Atomwaffensperrvertrag (kurz NPT für Nuclear Non-Proliferation-Treaty) geregelt werden. Leider ist dieser Vertrag das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Und dass nicht nur, weil dem Iran, der den NPT unterzeichnet hat, das Recht auf Urananreicherung (ein Vorhaben, bei dem er laut Vertrag von allen Unterzeichnern unterstützt werden müsste (sofern diese die Fähigkeiten dazu haben) abgesprochen wird, sondern auch weil Länder, die den NPT nicht unterzeichnen, trotzdem ohne Probleme an A‑Waffen gelangen können.
Wie das im Fall Israel gelang, zeigt ein interessantes Interview mit der Journalistin Gaby Weber:
Mir ist von Seiten der argentinischen Atomkommission bestätigt worden, dass die deutschen Forscher in Argentinien Plutonium isoliert haben – zwar nur im Labormaßstab, aber die Technologie wurde dort entwickelt. Ob das argentinische Militär heimlich selbst an einer Atomwaffe gearbeitet hat, was damals immer vermutete wurde, lässt sich nicht sagen. Es gab auf jeden Fall einen regen Austausch zwischen argentinischen und israelischen Forschungszentren. Aber auch Otto Hahn und sein Forschungszentrum in Göttingen tauschten sich später intensiv mit Israel aus.
Die Pointe kann man sich da selber ausmalen. Ein sehr guter Radio-Beitrag des SWR ergänzt das Thema.
Und da wir schon bei Radio sind, können wir auch weiter joggen. In der sehr empfehlenswerten Reihe “Essay und Diskurs” (Deutschlandfunk) wurde vor einigen Wochen ein zwei-teiliges Essay von Svenja Flasspoehler mit dem Titel “Genuss und Askese in der Leistungsgesellschaft” gesendet.
Ist der Verzicht die moderne Form des Genießens? Sind Enthaltsamkeit und Sport sogar dabei, als Garant der Erfüllung den Sex zu ersetzen? Dass der Kapitalismus seine asketischen Wurzeln nicht verloren hat, analysiert Svenja Flaßpöhler […].
Wem jetzt die Askese zu doof ist, der schaut sich einen Film über das Grundeinkommen an, zumindest aber den Trailer, und überlegt, das funktionieren könnte, oder ob Atomkraftwerke nicht doch ihr Gutes haben.