Auf ein Wort, Köhler!
Als ich neulich überrascht gelesen habe, dass du zur diesjährigen Karnevalssession dein ordoliberales Kostüm samt Zigarre und Wohlstandsbauch aus dem Keller geholt hast, dachte ich zuerst an ein grässliches Entlein. Jedoch wurde ich stracks eines besseren belehrt, als ich deine schicke Internetpräsenz besuchte. Eine linksradikale Rede? Ein Pamphlet, eine Demenzphantasie.
Dabei fängt alles so harmlos-bieder an, wie man es von dir gewohnt ist. Krieg, Wirtschaftswunder, Wiedervereinigung, dein gleichberechtigtes Glied in Europa und der Welt, etc.;der üblich Schlafmohn-Sermon, der Müdigkeit und Übelkeit so elegant zu verbinden mag (Es entsteht Mübelkeit). Dass es um den Neujahrsempfang für das diplomatische Corps der Hauptstadt ging, konnte dir da nur recht und egal sein.
Aber, Köhler, den 4 Punkte-Plan, den du dann zur Landes- gar Weltenrettung vorgelegt hast, und jetzt sei ehrlich, den hast du dir doch während der Pinkelpause ausgedacht.
Erstens: Es geht darum, einen neuen Ordnungsrahmen für die internationalen Finanzmärkte zu schaffen. Er muss getragen sein von gemeinsamen Werten und dem Willen, keine aufsichtsfreien Räume zuzulassen. Ich halte es für richtig, einem reformierten Internationalen Währungsfonds die Wächterfunktion über die Stabilität des internationalen Finanzsystems anzuvertrauen.
Man soll ja nicht schlecht über den ehemaligen Brötchengeber reden, aber bleiben wir doch mal nüchtern. Das finanzpolitische Folterinstrument der spätkapitalistischen Länder soll das Finanzsystem überwachen? Wie stellst du dir das vor? Und warum hast du es damals, als du selber Direktor (oder wie auch immer das Pöstchen geheißen haben mag) warst, nicht in Angriff genommen?
Als gescheitert gilt Köhlers wichtigste interne Reform, die Einrichtung der Kapitalmarktabteilung, die eine bessere Verbindung zwischen öffentlichem und privatem Sektor schaffen sollte. „Die Kapitalmarktabteilung ist das erste, was abgeschafft wird, wenn Köhler den IWF verlässt“, sagt ein Mitarbeiter.
Ach so, na das kann doch keiner ahnen, dass du deine gescheiterten Casino-Pläne 10 Jahre später wehrlosen Diplomaten aufgewärmt kredenzt. Witwe Bolte im Schloss Bellevue — kann man sich gar nicht ausdenken, sowas.
Zweitens: Eine zentrale, tiefer liegende Ursache für das Entstehen der Krise waren die globalen wirtschaftlichen Ungleichgewichte. Wir brauchen ein politisches Verfahren, das dafür sorgt, dass diese Ungleichgewichte abgebaut werden und in dieser Form nicht wieder entstehen können.
Politisches Verfahren…mmhh…Bundesversammlung? (Vielleicht erwartet der geneigte Leser nach einer solch zugegebener maßen schwachen Pointe, ein bestärkendes “rofl” oder “lmao” (schließlich sind wir ja, usw. ), doch diese schwache Hoffnung muss (zunächst) unerfüllt bleiben.) Aber apropos global, Horst, sofern das überhaupt dein richtiger Name ist, sollte, wenn ich dein Gewissen korrekterweise als rein bezeichnen dürfte, sich ein Kommentar deinerseits, bezüglich der ökonomischen Schwierigkeiten diverser Schwellen-und Entwicklungsländer, nicht eigentlich verbieten?
Drittens: Die Bekämpfung der weltweiten Armut und des Klimawandels müssen als strategische Ziele, und damit als Querschnittsaufgabe, in allen Bereichen internationaler Zusammenarbeit verankert werden. Wir brauchen ein Gesamtkonzept für eine Entwicklungspolitik für den ganzen Planeten, also wohlweislich auch für die Entwicklung in den Industrieländern. […]
Und damit kennst du dich besser als kein zweiter aus. Lehrbuchhaft, deine Entwicklungspolitik für den untergegangenen Industriestaat DDR. Z.B. die Abwicklung der Banken. Grandios!
Banker wäre damals bestimmt so mancher gerne gewesen, leichter konnte man Geschäfte kaum machen. Die Berliner Bank zum Beispiel kaufte die aus der DDR-Staatsbank hervorgegangene Berliner Stadtbank für 49 Millionen Mark. Sie erwarb damit zugleich durch den Staat garantierte Altschuldenforderungen in Höhe von 11,5 Milliarden Mark – das 235-fache des Kaufpreises. Die Genossenschaftsbank West kaufte die Genossenschaftsbank Ost für 120 Millionen Mark und erwarb Altschuldenforderungen von 15,5 Milliarden Mark. Die Westdeutsche Landesbank Girozentrale zahlte für die Deutsche Außenhandelsbank 430 Millionen Mark, also eine knappe halbe Milliarde, und bekam dafür Altschuldenforderungen über sieben Milliarden Mark. Und so weiter. Die westdeutschen Banken mussten zwar auch Verbindlichkeiten übernehmen. Aber allein die Zinsen auf die übernommenen Altschulden reichten, um den Kaufpreis auszugleichen
Da hast du, ja nicht nur Kopf‑, sondern auch Gefühlsmensch und Vater, dir natürlich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, den klassischen deutschen Euphemismus zu ehren, und für diese billige Abzocke das Wort “Währungsunion” gefunden. Und ganz elegant hast du natürlich auch direkt ein schönes Kapitalquellchen entdeckt, dass die mehr als berechtigten beträchtlichen Forderungen unserer international konkurrenzfähigen Banken, zu decken vermag.
In seine Amtszeit fiel auch die Entscheidung, die sozialpolitischen Kosten der Wiedervereinigung aus den beitragsfinanzierten Sozialkassen zu finanzieren. Zwischen den Jahren 1991 und 1997 erwirtschaftete die gesetzliche Rentenversicherung — trotz Wiedervereinigung — noch immer einen Überschuss von rund 71 Mrd. DM, in der Arbeitslosenversicherung betrug der Überschuss in diesem Zeitraum sogar 116 Mrd. DM. Seit 1992 wurden die sozialen Sicherungssysteme insgesamt mit 300 Mrd. Euro belastet, die sie für die Finanzierung der Einheit aufbringen mussten.
Ein wahrlich ausgewiesener Finanzexperte.
Viertens: Wir müssen uns als Weltgemeinschaft auf ein gemeinsames Ethos verständigen, also auf einen Grundkonsens “bestehender verbindender Werte, unverrückbarer Maßstäbe und persönlicher Grundhaltungen” (Hans Küng). Ein Grundprinzip dafür ist: Wir dürfen andere nur so behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen. […]
Nun, hier fällt es schwer, die Fassung zu wahren. Wer es nicht weiß: Hans Küng ist eine Art moralisches Feigenblatt für alternde Politiker, die in ihren aktiven Zeiten nicht viel Anderes getan haben, als nichtsnutzige, anti-emazipatorische Verordnungen zu erlassen. Der hat sich den innovativen Begriff des “Weltethos” einfallen lassen, und ihn mit einem farblosen, formlosen Brei diverser religiös-gefärbter Moralvorstellungen gefüllt. Schlicht: Ein ideologisches Altersheim, aus dem auch das gerontokratisch-öffentlich-rechtliche Vermeldeverwesen zu berichten, sich leicht überzeugen lässt. Helmut Schmidt zitiert auch immer Heinz Küng, wenn er sich unwohl fühlt, muss man mal drauf achten. Nahezu grotesk. Das Tolle daran ist natürlich, dass man dort auch problemlos ganz schäbige Hetze auf der Weste mitbringen kann, und darf trotzdem eine “Weltethos-Rede” halten.
Für dich Köhler; welch’ Wandlung muss geschehen sein, vom glühenden Verfechter Schumpeters, wie du vor Jahren in der FAZ dich gabst, mit lieblichen Sätzen,
Es fehlt der Wille zur schöpferischen Zerstörung sklerotischer Strukturen. Die Arbeits- und Sozialkosten müssen gesenkt werden, die Steuern müssen runter, und es muß ein investitionsfreundliches Klima geschaffen werden.
über den wirtschaftspolitischen Imam,
Ich habe in den vergangenen Monaten viele Briefe von Bürgerinnen und Bürgern bekommen, die mir verzweifelt von ihrer Suche nach einem Arbeitsplatz berichten. Diese Menschen wollen arbeiten. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir in Deutschland jetzt eine politische Vorfahrtsregel für Arbeit.
zum rhetorischen Staubsaugervertreter,
Egoismus heißt deshalb heute, sich auch um den anderen zu kümmern.
;
ist der Weltethos ein geistiges Abend- und Gnadenbrot.
Und wenn du nochmal genau daran erinnert werden willst, warum du eigentlich gewählt wurdest, nimm dir die Süddeutsche vom 05.03.2004 zur Brust und lies:
Besonders Köhlers reiche internationale Erfahrung dürfte bei seiner Nominierung als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten eine Rolle gespielt haben. „Es ist doch von Vorteil, wenn einer mit Bush ohne Dolmetscher reden kann,“ sagt ein Unionspolitiker.
[…] II. Der enthält in embryonaler Form einige rhetorische Salven, die dann in Perfektion vor kurzem hier zu bewundern waren. Viel Vergnügen, sowohl als […]
[…] Warum jemanden zum zweiten Mal wählen, der schon in der ersten Amtszeit seinem gesamten Leben bewiesen hat, diese Position nicht adequat ausfüllen zu können? Welcher Staat hat einen Repräsentanten, […]
[…] daran, wie krass 2005 in den Medien Schwarz-Gelb herbeigeschrieben wurde? Mit der Wahl Köhlers (wer?), als Signal? Mit den feuchten, neoliberalen Träumen der Elite ausgebreitet in […]