Ausverkauf in Griechenland Erfahrung zahlt sich aus
Alles protestieren hat nichts genützt — auch wenn es keine Niederlage war — die griechischen Sparmaßnahmen sind durch. Und was passiert? Schon verlangen deutsche Manager Vergünstigungen für ausländische Unternehmen in Griechenland. Nach Einschätzung des BDI müssen die Investitionsbedingungen in Griechenland dringend verbessert werden. BDI-Präsident Hans-Peter Keitel will einen “Businessplan”:
Man muss gemeinsam mit der griechischen Regierung versuchen, marktwirtschaftliche Erträge zu organisieren.
Das heißt: Die Privatisierung des Volkseigentums wird forciert, am besten mit “deutschen Beratern”. Firmen aus Deutschland seien dazu “bereit”.
Ist klar: Der Exportmarkt der deutschen Wirtschaft soll stabilisiert werden, während gleichzeitig ein neues Niedriglohnland im (Noch-)Euroraum geschaffen wird. Die ersten Reaktionen auf die Zustimmung des griechischen Parlaments zu den drastischen Sparmaßnahmen scheint dieses Kalkül auch noch zu bestätigen. Denn während die Griechen durch Leistungskürzungen und Steuererhöhungen mit 28 Mrd. Euro belastet werden, steigen sowohl der Dax als auch der europäische Aktienindex EuroStoxx um beinahe zwei Prozent deutlich und sogar der Euro erreichte den höchsten Stand seit drei Wochen.
Die seit über einem Jahr andauernde Rezession in Griechenland dürfte sich weiter vertiefen. Das erste Sparpaket 2010 mit einem Umfang von 30 Mrd. Euro hatte diese erst vertieft, die Binnennachfrage einbrechen lassen und zu Steuerausfällen geführt, die eine Haushaltskonsolidierung unmöglich machten. Sogar die Troika aus IWF, EZB und EK erkennt das an. Für Christan Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV) und sozusagen Keitels österreichische Counterpart, eine erfolgreiche Politik:
Noch nie hat ein Land so erfolgreich gespart wie Griechenland im letzen Jahr. […] Das ist eine Konsolidierungsleistung, die keine andere Regierung der Eurozone seit dem Zweiten Weltkrieg jemals zustandegebracht hat.
Weil das alles so erfolgreich war, verlangt er jetzt, Griechenland solle bitte, nachdem es sein wirtschaftliches Tafelsilber verscherbelt hat, auch seine reellen Goldreserven verkaufen. Aber erst einmal muss — aus “europäischer” Sicht — das Sparpaket auch umgesetzt werden. Und damit das sichergestellt wird, droht Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Junker:
Falls nicht, sind wir in einer völlig anderen Gesamtgemengelage. [Sonst] werden wir zu sehr erheblichen, Griechenland negativ betreffenden Gesamtentscheidungen kommen müssen. Dies wünsche ich weder Griechenland noch uns selbst.
Juncker befürwortet auch die Einrichtung einer Privatisierungsagentur nach Vorbild der deutschen Treuhand, um “die privatiserungsfähigen Astes in einer Agentur” zusammenzuführen. Nach Vorstellung des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble selbstverständlich besetzt mit deutschen Spitzenbeamten:
Wir haben für die Agentur unsere Unterstützung durch Beratung durch erfahrene Mitarbeiter angeboten.
Der Verkauf von Staatseigentum im Wert von 50 Mrd. Euro ist bereits zugesagt, insgesamt sind 300 Mrd. Euro drin. Das Wall Street Journal bringt es auf den Punkt:
Greece is for sale—cheap—and Germany is buying.
In demselben Artikel wird auch klar warum — und es ist fast schon makaber:
Germans have substantial experience with fire sales of state-owned assets, said Barclay’s Capital economist Thorsten Polleit, pointing to the frenzy of privatization in the former East Germany after reunification in 1991. That type of process “doesn’t argue for [high] prices,” he said.
Deutsche Unternehmen haben im Privatierungsrausch nach der Übernahme der DDR also “substantielle Erfahrungen mit dem Ausverkauf von Staatseigentum” sammeln können. Herzlichen Glückwunsch! Der deutsche Vorsprung in Skrupellosigkeit macht sich bezahlt: Erst wurden die südlichen Volkswirtschaften der Eurozone durch eine aggressive Exportstrategie in die Staatsverschuldung gezwungen — jetzt werden die Überreste zu Schnäppchenpreisen aufgekauft.
In David Harveys Worten:
http://www.youtube.com/watch?v=1‑FQ4zCoygs