Plinks KW 49/10

Wenn man das Wet­ter und das Mis­strauensvo­tum gegen Sil­vio Berlus­coni mal außen vor lässt, war die let­zte Woche weit­er­hin vom The­ma Wik­ileaks geprägt: Wir erfuhren, dass Chi­nas politsche Führung in Hack­er-Angriffe auf Google ver­strickt war (Süd­deutsche Zeitung, 6.12.), dass die USA das spanis­che Urhe­ber­recht geschrieben haben (Quelle), neues vom inter­na­tionalen Waf­fen­han­del (Nord­ko­rea liefert Waf­fen nach Iran, die USA mis­chen inter­na­tion­al munter mit) und aller­lei Weit­eres, meist nicht wirk­lich Über­raschen­des (siehe z. B. bei der Süd­deutschen: Über­sicht zum The­ma Wik­ileaks, Was wirk­lich wichtig ist).

Der­weil wurde Wik­ileaks-Grün­der Julian Assange ver­haftet und mit­tler­weile fast wieder frei gelassen. Während Assanges Anwälte alles tun um seine Aus­liefer­ung nach Schwe­den zu ver­hin­dern basteln die USA eifrig an einem neuen Gesetz, um Assange ein­er Straftat schuldig zu find­en — was nach gel­ten­dem amerikanis­chen Recht bish­er nicht recht gelin­gen will (Quelle). Auch die möglicher­weise dro­hende Aus­liefer­ung an die USA ist wom­öglich ein Grund, warum sich Assange gegen eine “Befra­gung” in Schwe­den zu den Vor­wür­fen von Verge­wal­ti­gung und sex­ueller Nöti­gung, die dort gegen ihn erhoben wer­den, wehrt. Schwe­den ist im Gegen­satz zu Großbri­tan­nien dafür bekan­nt Aus­liefer­ungs­forderun­gen der USA gerne nachzukommen.

Das Ganze wird unter­malt von ein­er Rei­he von Hack­eran­grif­f­en auf diverse Web­sites mit dem Ziel diese zeitweise lahm zu leg­en. Beliebt ist dabei das Pro­gramm “Low Orbit Ion Can­non” (Ionenkanone in niedriger Erdum­lauf­bahn) mit dem man auch ohne tech­nis­che Com­put­erken­nt­nisse einen “Dis­trib­uted denial of ser­vice” erzeu­gen kann — die attakierte Web­site ist dabei wegen zu viel­er ver­meintlich­er Aufrufe vorüberge­hend nicht mehr erre­ich­bar . Einen recht reflek­tierten Artikel dazu find­et man wiederum bei der Süd­deutschen.

Für deut­lich weniger Aufmerk­samkeit hat bish­er das Wik­ileaks Man­i­fest (vgl. Plinks KW 48/10) gesorgt. Was vielle­icht auch an der Sprache lag. Inter­essierte kön­nen das Man­i­fest jet­zt aber hier auch auf deutsch lesen.

Doch zurück zum Wet­ter und Sil­vio Berlus­coni. Der Win­ter hat in der Nacht zum heuti­gen Dien­stag wahrschein­lich wieder für neue Reko­rde gesorgt — zumin­d­est auf den Straßen von Nor­drhein-West­falen: Mehr als 700 Unfälle auf den Straßen NRWs und teil­weise mehr als 300 Kilo­me­ter Stau (Quelle). Chao­tis­ch­er geht es bei uns im Rhein­land nur zu Karneval zu. Und um die Zeit bis dahin zu über­brück­en und aus Anlass seines Erfol­gs bei der Ver­trauensfrage im Sen­at (mehr dazu hier) hier mein per­sön­lich­es Best of Berlus­coni (Quelle):

1) Vor der ital­ienis­chen Bischof­skon­ferenz erzählt Berlus­coni den Witz, wie Jesus zu spät zu Gott zurück­kehrt, weil man auf der Erde die Todesstrafe abgeschafft hat. (Zitiert im »Han­dels­blatt«, Juli 2010)

2) Berlus­coni schickt Schön­heit­skönig­in­nen und Film­sternchen ins Europa­parla­ment – und sagt: »Jet­zt gibt es dort endlich Leute, die gut ange­zo­gen sind und nicht stinken.« (Zitiert im »Dai­ly Tele­graph«, April 2009)

3) Berlus­coni zu Men­schen im Erd­bebenge­bi­et von L’Aquila, deren Häuser von einem Erd­beben zer­stört wur­den: »Man muss das nehmen wie ein Camp­ing-Woch­enende.« (Bei einem Besuch im Erd­bebenge­bi­et von L’Aquila, Som­mer 2009)

Plinks KW 48/10

Was tut man nicht dieser Tage alles um gefun­den zu wer­den. Schreibt jemand einen kleinen Beitrag auf einem Blog oder einem Inter­net­magazin, so inter­essiert oft die richtige Platzierung rel­e­van­ter Key­words mehr als das jour­nal­is­tisch gute Schreiben. Man streut das Geschriebene dann rasch auf ver­schieden­ste Seit­en im Netz, hofft auf incom­ing links, traf­fic, vielle­icht eine Verbesserung des Page Ranks. SEO, Search Engine Opti­miza­tion ist zur Wis­senschaft für sich gewor­den und alle ver­suchen auf die eine oder andere Art die Google Top 10, die erste Seite zu erreichen.

Das The­ma der Woche waren aber natür­lich Doku­mente, die nicht gefun­den wer­den soll­ten. Die Kun­st der Geheimhal­tung von Dat­en im Inter­net scheint eben doch schwieriger zu sein als die gefun­den zu wer­den. Ins­beson­dere dann, wenn das Aufdeck­en von Infor­ma­tio­nen, das “Leak­en” als neue Art des poli­tis­chen Wieder­stands ver­standen wird und sich vielle­icht bald eine wach­sende Zahl von Anhängern diesem Ziel ver­schreibt. In dieser Hin­sicht inter­es­sant ist das poli­tis­che Pro­gramm hin­ter Wik­ileaks, das “Wik­ileaks Man­i­festo” von Julian Assange. Assange veröf­fentlichte das Man­i­fest im Novem­ber 2006 auf seinem Blog iq (hier als PDF oder HTML). Eine zweite, über­ar­beit­ete Ver­sion fol­gte einen guten Monat später und ist in der Argu­men­ta­tion etwas klar­er (hier als PDF). Ein inter­es­santes Por­trait Assanges lieferte zulet­zt auch die Süd­deutsche Zeitung.

Das The­ma Find­en und nicht gefun­den wer­den hat auch noch eine ganz andere Gat­tung von Web­sites her­vorge­bracht, zu denen ich im fol­gen­den eine kleine Auswahl präsen­tieren will: 404-Seit­en. 404 ist der Fehler­code, der vom Web­serv­er an den Brows­er kom­mu­niziert wird, wenn eine Seite nicht gefun­den wird. Neben der Stan­dard­seite des Browsers kann in diesem Falle auch eine speziell dafür gestal­tete Fehler­seite angezeigt wer­den. Hier meine Top 5:

Hier hat sich ein­fach jemand richtig Mühe gegeben.

Diese ist ein­fach stylish.

Hier war sich­er ein Nerd am Werk.

Der gute alte Test­screen

… und noch mal eine ähn­liche Idee.

Als kleines Extra dazu noch die Google-Ver­sion — nicht so sehr wegen der Seite selb­st, son­dern wegen der ver­link­ten April-Scherze.

Ausschaffung Wort des Jahres in der Schweiz!

Man kann sich über unsere Nach­barn nur wun­dern. Nicht nur wer­den in der Schweiz Jahr für Jahr Geset­zesvorschläge über Volk­sentschei­de legit­imiert, die eine klare Benachteili­gung von Min­der­heit­en mit sich brin­gen — nach dem Minarettver­bot des let­zten Jahres nun die “Auss­chaf­fung” straf­fäl­liger Nicht-Schweiz­er (siehe PLinks KW 47/10). Diese schon sprach­lich absurd klin­gen­den Ideen kom­men dann auch noch zu lin­guis­tis­chen Ehren! Das Wort des Jahres (ja, nicht das Unwort!) 2009 war — richtig — Minarettver­bot. Das Wort des Jahres dieses Jahr: “Auss­chaf­fung”.

Das schweiz­er Unwort des Jahres 2010 wirkt dage­gen direkt niedlich: kri­tisiert wird von der “Aktion Wort des Jahres” das Wort “FIFA-Ethikkom­mis­sion” wegen der darin impliziten Münch­hausen­tat: Die FIFA gibt vor sich am eige­nen Schopfe aus dem haus­gemacht­en Kor­rup­tion­ssumpf zu ziehen. Der Schweiz dage­gen will es wohl nicht gelin­gen sich selb­st aus dem rechts­drehen­den Strudel zu ret­ten, der sie erfasst hat. Passend dazu der Satz (!) des Jahres 2010 aus der Schweiz: “Die Schweiz ist eine frus­tri­erende Alpen-Demokratie.” Und auch noch stolz drauf. (Quelle)

Was ist eigentlich ein Pencast?

Pod­casts ken­nen wir ja noch aus der Zeit des guten alten Web 1.0 — schon Anfang des Jahrtausends wurde das ursprünglich “Audioblog­ging” genan­nte Konzept erst­mals umge­set­zt. Doch im Gegen­satz zum Pod­cast ist bei Pen­casts die Form der Dis­tri­b­u­tion zunächst uner­he­blich- Es geht  in erster Lin­ie um eine neue Art der Erstel­lung medi­aler Inhalte.

Der Pen­cast ist ein dig­i­tales, audi­vi­suelles End­pro­dukt, dass mit Hil­fe eines mit Hard- und Soft­ware­ware aus­ges­tat­teten mul­ti­funk­tionalen Stifts erzeugt, gespe­ichert und pub­liziert wird. Der Nutzer schreibt mit diesem speziellen Stift auf ein beson­ders prä­pari­ertes Papi­er (mit “dots” bedruckt). Das Geschriebene wird vom Stift (mit­tels ein­er nor­malen Kugelschreiber­mine) sofort auf dem Papi­er dargestellt, gle­ichzeit­ig aber auch vom Stift in einem inter­nen Spe­ich­er aufgeze­ich­net. Neben der Schrift zeich­nen einige Stifte auch den (gesproch­enen) Umge­bungston mit auf. Die fer­tige Aufze­ich­nung (in Schrift und Ton) lässt sich mit­tels USB-Kabel auf den Rech­n­er portieren und dort im Voll­text durch­suchen, non­lin­ear abspie­len und über das Inter­net auf ein­er speziellen Plat­tform pub­lizieren (Quelle).

Während also beim Pod­cast das Abon­nement oft regelmäßig erscheinen­der Medi­en­dateien (Audio oder Video) im Vorder­grund ste­ht, ist es beim Pen­cast eher das End­pro­dukt und dessen Erzeu­gung. Weit­er­lesen

Alternativlos, nicht Leitkultur, der Renner fürs Unwort des Jahres 2010

Alter­na­tiv­los wird von der Süd­deutschen Zeitung als ein­er der Ren­ner für das Unwort des Jahres 2010 gehan­delt. Der Vorschlag, der hier unlängst gemacht wurde, näm­lich “Deutsche Leitkul­tur”, wird als möglich­es Unwort des Jahres 2010 gar nicht erwäh­nt. Als Alter­na­tiv­en wer­den “unumkehrbar” — ähn­lich wie “alter­na­tiv­los” das “ ‘Bas­ta’ der Merkel-Regierung” — oder “Brück­en­tech­nolo­gie”, als Beze­ich­nung für Atom­en­ergie, gehan­delt. Alles in allem also ein würdi­ges Ren­nen mit eini­gen guten Vorschlägen.

Schön übri­gens auch ein aus­sicht­sre­ich­er Beitrag bei unseren öster­re­ichis­chen Nach­barn: “Ver­part­nerung”, der “rechtlich kor­rek­te Begriff für das Einge­hen ein­er Einge­tra­ge­nen Part­ner­schaft bei schwulen und les­bis­chen Paaren”. Wobei deren rechtliche und soziale Schlechter­stel­lung allerd­ings ver­schleiert wird — das Wort selb­st klingt ja schon fast wie eine Belei­di­gung. Mehr dazu find­et sich hier.