Berlinale: Zuckerwasser
Garapa nennt man im Norden Brasiliens den aus Zuckerrohr gewonnenen Zuckerrohrsaft. Ein süßliches Getränk, das mit Eis als Erfrischungsgetränk genossen werden kann. Alternativ bzw. in Ermangelung bezahlbarer Alternativen wird einfach Zucker (oder rapadura) mit Wasser vermischt und als billiger Energielieferant genutzt und vor allem Kindern zu trinken gegeben.
In José Padilhas Film Garapa geht es um die zweite Variante und um nichts weniger als den Hunger der Welt. Vorneweg: Padilhas Dokumentation ist nur schwer zu verdauen ertragen. Schon das verrauschende, grobkörnige schwarz-weiße 16mm-Bildmaterial nimmt dem Zuschauer jede Möglichkeit eine erträgliche Distanz zu wahren und sich eventuell dem Film nur rein ästhetisch zu nähern. Im Zentrum stehen die betroffenen Familien, die er über dreißig Tage mit einem kleinen Team bei ihrem täglichen Überleben begleitet hat. Padilha lässt die Familien reden. Die Kamera ist dabei, wenn die Familie Wasser aus einem verdreckten Tümpel schöpft. Sie ist dabei in den Hütten, in dem Dreck, durch den die Kinder krabbeln. Die Kinder sind krank, lethargisch, haben Wasserbäuche, offene Ekzeme auf der Haut, in denen sich die wenigen Essensreste sammeln und Fliegen ihre Eier legen.
Das von der aktuellen brasilianischen Regierung aufgelegte Programm zur Hungerbekämpfung, Fome Zero, hat es zwar geschafft, die Zahl der ehemals über 44 Mio. hungernden Menschen in Brasilien auf heute 11 Mio. zu senken. Allerdings reichen die monatlich ausbezahlten 50 Reais (ca. 17 Euro) oft nur für zwei Wochen — bei nur einer Mahlzeit täglich. Auch Hilforganisationen können an diesem strukturellen Problem nichts ändern. Die Familien haben keine Perspektive.
Was den Film so schwer erträglich macht, ist die Hilflosigkeit, in der er einen zurücklässt. Das Festival-Publikum, das gerne auch mal bei den allerschlechtesten Filmen tosenden Beifall klatscht, verharrte nach Ende des Films in minutenlangem Schweigen — bemerkenswert.
Nachdem Padilha mit seinem reaktionären Tropa de Elite im letzten Jahr offensichtlich falsch verstanden wurde und dafür den Goldenen Bären erhielt, hat er nun seinen Ruf als Dokumentarfilmer mit politischem Anspruch (Ônibus 174, BR 2002) wieder hergestellt.
Es ist wichtig die Bevölkerungsexplosion in the Griff zu bekommen, sonst hat die Menschheit keine Chance. Was nützt es ständig neue Nahrung und Geld für die Armen zu beschaffen wenn die Fortplanzung zunimmt? Welch ein Unsinn.