Berlinale zum 60.
Eben wurde mit dem Film Tuan Yuan die Berlinale eröffnet, die heuer ihren 60. Geburtstag feiert. Das ist kein Grund für Jubelgeschrei. Denn im Grunde handelt es sich um eine recht triste Veranstaltung. Sehr viele ziemlich schlechte oder gerade noch mittelmäßige Filme laufen hier und man hat nicht das Gefühl, dass das mit den Jahren besser, sondern eher das Gefühl, dass es immer schlimmer wird. Der Wettbewerb war noch nie so schwach besetzt wie in diesmal. (Einen klugen ausführlichen Text, der auch ein paar Gründe (z.B. Kosslick) für die Dilemmata der Berlinale nennt, findet man hier.)
Der Eröffnungsfilm ist symptomatisch. Solides chinesisches Filmhandwerk baut mit okayen Darstellern eine rührselige Geschichte, die niemandem wehtut und mit ein bisschen Sentiment und ein bisschen betrunkenem Gesang so vor sich hin menschelt. Der Regisseur Wang Quan’an, der zu Sechsten Generation chinesischer Filmemacher gezählt wird, hat vor drei Jahren mit Tuyas Hochzeit den Goldenen Bären gewonnen, einem Film, der (vor allem aufgrund der Protagonistin) noch deutlich besser war als der heutige. Aber auch der hatte schon das gleiche Hauptproblem wie jetzt Tuan Yuan, ein Problem, das bereits vor 20 Jahren in Bezug auf die Filme der sogenannten Fünften Generation diskutiert wurde: Der Blick des Regisseurs ist gewissermaßen autoethnographisierend, er führt die chinesische Gesellschaft für die Augen westlicher Zuschauerinnen vor. In Tuyas Hochzeit war der dermaßen exotisierte Schauplatz die Mongolei, in Tuan Yuan ist es die Großstadt Shanghai.
Symptome dieser Selbstexotisierung: der eine alternde Mann, der dem anderen erklärt, dass er sich vor dem Einschlafen immer die Füße mit warmen Wasser wasche, worauf der andere antwortet, dass dies in Taiwan nicht Brauch sei; die Szenen auf dem Standesamt, wo die beiden Eheleute erfahren, sie müssten nochmal heiraten, um sich scheiden lassen zu können (mit denen der Film sich über die putzige chinesische Bürokratie amüsiert); die alten Lieder, die drei alten Menschen beim Abendessen gemeinsam singen etc. Immer wirkt das so als wollte der Film sagen: Seht her, so sind die Chinesen, irgendwie drollig, oder? Und auch sehr menschlich.
In den anderen Sektionen sieht es nicht besser aus. Aus dem Programm des Panorama (wo erfahrungsgemäß der übelste Mist läuft), kenne ich kaum einen der Namen; im Forum sind zwar wie immer ein paar Perlen dabei (dazu demnächst mehr), aber auch einige ganz unterirdische Filme. Ganz traurig ist auch die diesjährige Retrospektive. Auf die war eigentlich immer noch am ehesten Verlass, oft war sie auch richtig schön zusammengestellt. In diesem Jahr ist das Konzept der Retrospektive eine Nicht-Idee: einfach ein paar Highlights aus 60 Jahren Berlinale zeigen. So Filme wie À bout de souffle oder La notte. Ein paar unbekanntere (und dem Vernehmen nach tolle) Filme sind zwar auch darunter. Aber ob sich die Festivalmacher da nicht selbst ein Bein gestellt haben? Neben diesen Filmen muss das Restprogramm doch noch c‑klassiger wirken…