Bist du es noch, FAZ?
Je öfter ich in die «Zeitung für Deutschland» gucke, desto öfter muss ich meine Augen reiben. Bist du es noch, FAZ, konservativste unter den lesbaren deutschen Tageszeitungen? Schon die sehr progressive Berichterstattung zur Revolution in Ägypten hat mich überrascht. Und auch die Tatsache, dass sie immer wieder dem CCC ein Forum bietet (für viele ganz hervorragende Beiträge).
Heute aber musste ich wirklich zweimal gucken, ob ich auf der richtigen Webpage gelandet war. Da erklärt doch Frank Schirrmacher (ja der Frank Schirrmacher, der «Das Internet macht unser Hirn kaputt»-Schirrmacher, der mit der peinlichen Laudation auf Tom Cruise, Mut-Bambi, ihr wisst schon), warum die Argumente der Kernkraftgegner nix taugen, z.B.:
2. Absolute Sicherheit gibt es nicht
Eine klassische Inversion, eine Irreführung. Denn der Punkt ist ja, dass es diese absolute Sicherheit durchaus gibt: Wir wissen nämlich genau, was geschieht, wenn es zur Kernschmelze kommt, wie lange Radioaktivität strahlt, was Cäsium und Jod mit dem Menschen und der Umwelt tun und wie viele Generationen im schlimmsten Fall zu leiden haben. Es ist diese absolute Sicherheit eines naturwissenschaftlichen Vorgangs, die sich zu der selbst von den Betreibern eingestandenen, relativen Unsicherheit der Kraftwerke verhält.
Oder:
6. Der Strom kommt nicht aus der Steckdose
Gehört wie 2.) zu den Infantilitätsargumenten, mit denen Kritiker als naiv, weltfremd oder wohlstandsverwöhnt dargestellt werden. Abwandlung des Satzes „Das Gemüse wächst nicht im Aldi, sondern auf dem Acker“. Die Gegner der Atomenergie reden von der Aussaat, Düngung und den Entstehungsbedingungen des Gemüses. Sie wollen über den Anbau entscheiden.
In neun Punkten zerpflückt er die Allgemeinplätze und Scheinargumente der Kernkraftbefürworter.
Allerdings, und das rückt die Dinge wieder ins rechte Licht: natürlich erst zwei Tage nach den Landtagswahlen, die das Schicksal der Atomenergie bekanntlich besiegelt haben. Erstaunlich, ja fast mutig (Bambi-verdächtig!), wäre der Text irgendwann letzte Woche, jedenfalls vor den Landtagswahlen gewesen. Jetzt dagegen hat er etwas vom flattrigen Fahne-in-den-Wind-Hängen, ja vom moddrigen Beigeschmack der Leichenfledderei.