NPD-Verbot
Dagegen
Ich möchte an dieser Stelle mal eine Lanze brechen – und zwar für die NPD. Nicht, weil ich diese Partei, deren Inhalte oder auch nur beteiligte Personen in irgendeiner Weise gutheißen würde. Nein, alle drei sind zutiefst verachtenswert und ich hätte nichts dagegen, wenn erwähnte Lanze in beliebigen Körperteilen derer Mitglieder landen würde. Aber wenn ich dieser Tage mal wieder von dem sich über Partei- und Mediengrenzen hinwegziehenden Konsens lesen und hören muss, nach dessen Verständnis es legitim und sowieso nur noch eine Frage der Zeit wäre, dass diese Partei verboten würde, frage ich mich doch ernsthaft, welches Demokratieverständnis in diesen Institutionen vorherrschen mag.
Es geht den selbsternannten Verteidigern der Demokratie in den anderen Parteien nicht um die legitime Eroberung des ohnehin mickrigen Intellekts der Sympathisanten von Rechtsaußen, es geht ihnen auch nicht – wie man meinen könnte – ausschließlich um Macht und Wählerstimmen, was zwar perfide, aber in unserer Parteiendemokratie durchaus zu legitimieren wäre.
Sicher, derlei Überlegungen spielen sicher immer eine Rolle, und am rechten Rand hat ausnahmslos jede Partei, ob Schwarz, Gelb, Grün, Rot, Rosa oder Orange, einige hässliche braune Flecken, die nur darauf warten, sich noch weiter mit der jeweiligen Grundfarbe zu vermengen. Dass Schwarz da bekanntermaßen am meisten zu tendiert, liegt nicht nur an der Farbenlehre, sondern vor allem am Strauß’schen Credo “Rechts neben uns ist nur noch die Wand”.
Was hinter dem Verbotskonsens steckt, hat bei näherem Hinsehen sehr viel weniger mit Parteitaktik als mit dem menschlichen Herdentrieb zu tun: Ein Phänomen, das sich nach jedem Kinobesuch beobachten lässt. Die obligatorische Frage nach dem Film „Und wie fandest du ihn?“ wird meist nur zögerlich beantwortet. Keiner will sich schließlich die Blöße geben und schlimmstenfalls mit seiner Meinung alleine dastehen. Interessanterweise ist es aber so, dass die Meinung desjenigen, der sich dann als erstes aus der Deckung traut und sein Urteil öffentlich macht, später die Runde dominiert. Der Effekt ist umso stärker, je lauter sich der Erste äußert, je größer die Gruppe ist und je länger die Antwort auf sich warten lässt.
Übersetzt auf unseren Fall: Es lässt sich nicht mehr nachvollziehen, wer als erstes nach einem erneuten Verbot der NPD gerufen hat, die Gruppe ist aber verdammt groß und die Antwort ließ unerhört lange auf sich warten. Wer will sich dem entziehen? Gerade in unserer von Mainstream und Schwarmintelligenz dominierten Welt.
Harald Martenstein beschreibt in einem lesenswerten Artikel für die Zeit u.a. die Erkenntnisse des Wissenschaftlers Craig Reynolds, der 1986 in einer Computersimulation herausgefunden haben soll, dass Individuen, aus deren Summe ein Schwarm entsteht, sich an genau drei Regeln halten:
Erstens: Bewege dich als Mitglied des Schwarms immer in Richtung des Schwarm-Mittelpunkts. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Schwarm auseinanderfließt.
Zweitens: Bewege dich weg, sobald dir jemand zu nahe kommt, vermeide Zusammenstöße.
Drittens: Bewege dich in dieselbe Richtung wie deine Nachbarn.
Wer jetzt in den Chor der Parteienverbieter einstimmt, ist demzufolge nicht intelligenter als der tumbe Mitläufer der Nazi-Demo. Wenn wir uns also schon dazu entschließen, unser Gesellschaftssystem erhalten zu wollen — das zwar an sich schwer fragwürdig ist, aber, wie es aussieht, nun mal zur Zeit Konsens bzw. Mainstream und mittelfristig nur schwer wegzudiskutieren sein wird und sowieso eine ganz andere Diskussion ist — wenn wir also den Nazis keine Chance geben wollen, müssen wir bei denjenigen anfangen, die das Gedankengut der Rechtsextremisten zur Zeit salonfähig machen: Henryk M. Broder, Thilo Sarrazin und Konsorten. Denn wenn deren Ideale erst einmal Mainstream sind, gibt es kein zurück mehr — die Partei wird dann egal sein.