Der Grundstein für eine lateinamerikanische Dekade

Klaus Schwab © World Economic Forum (CC-BY-SA)

Klaus Schwab @ WEF LA 2011

Zwis­chen 27. und 29. April find­et in Rio de Janeiro das Weltwirtschafts­fo­rum (WEF) statt — in ein­er Son­der­aus­gabe mit Fokus auf Lateinameri­ka. Unter­ti­tel: “Lay­ing the Foun­da­tion for a Latin Amer­i­can Decade”. Die Ortswahl ist kein Zufall: Öl in Venezuela, Erdgas in Bolivien, chilenis­ches Kupfer, Kohle aus Kolumbi­en, Lithi­um im Dreilän­dereck Chile, Bolivien, Argen­tinien für Mil­lio­nen von Akkus kün­ftiger E‑Autos, Agrarpro­duk­te wie Soja und Fleisch aus Brasilien. 200 Jahre nach der Unab­hängigkeit wird die Neue Welt noch immer als Rohstof­fliefer­ant für den Nor­den gese­hen. Doch davon wird in Rio keine Rede sein.

Wir erin­nern uns: WEF, das ist das, was alljährlich in Davos stat­tfind­et, von dem eigentlich kein­er weiß, was dort passiert und auf das in Reak­tion 2001 das Welt­sozial­fo­rum (WSF) gegrün­det wurde. Eben­so wie es mit­tler­weile regionale WSF gibt, hat sich das auch die andere Seite zu eigen gemacht und regionale Depen­den­zen gegrün­det, wie eben diese in Rio de Janeiro.

Urspünglich diente das von Klaus Schwab als gemein­nützige Stiftung gegrün­dete Forum als Diskus­sion­splat­tform zwis­chen Wirtschaftswis­senschaftlern, Poli­tik­ern, Intellek­tuellen und Jour­nal­is­ten. Man sollte und wollte unter sich sein. Diese von Samuel P. Hunt­ing­ton “Davos-Män­ner” getauften Alpha-Tiere entstammten aus den gle­ichen weltweit­en Macht-Eliten, mit den immer sel­ben neolib­eralen Ansicht­en. In einem viel­beachteten Artikel im Nation­al Inter­est (dort “Pre­mi­um”, hier frei nachzule­sen) schrieb er:

The Glob­al Busi­ness Pol­i­cy Coun­cil asserts: “The rewards of an increas­ing­ly inte­grat­ed glob­al econ­o­my have brought forth a new glob­al elite. Labeled ‘Davos Men’, ‘gold-col­lar work­ers’ or … ‘cos­moc­rats’, this emerg­ing class is empow­ered by new notions of glob­al con­nect­ed­ness. It includes aca­d­e­mics, inter­na­tion­al civ­il ser­vants and exec­u­tives in glob­al com­pa­nies, as well as suc­cess­ful high-tech­nol­o­gy entre­pre­neurs.” Esti­mat­ed to num­ber about 20 mil­lion in 2000, of whom 40 per­cent were Amer­i­can, this elite is expect­ed to dou­ble in size by 2010.

Das war 2004, und weiter:

Com­pris­ing few­er than 4 per­cent of the Amer­i­can peo­ple, these transna­tion­al­ists have lit­tle need for nation­al loy­al­ty, view nation­al bound­aries as obsta­cles that thank­ful­ly are van­ish­ing, and see nation­al gov­ern­ments as residues from the past whose only use­ful func­tion is to facil­i­tate the elite’s glob­al oper­a­tions. In the com­ing years, one cor­po­ra­tion exec­u­tive con­fi­dent­ly pre­dict­ed, “the only peo­ple who will care about nation­al bound­aries are politicians.”

Denkt man sich diese Men­schen als Arbeit­er, müsste es fol­glich heißen “Der mod­erne Arbeit­er braucht keine Nation” und nichts wäre dage­gen einzuwen­den. Weil es sich um Kap­i­tal­is­ten han­delt, lautet der Schluss aber “Das Kap­i­tal ste­ht über der Nation”. Nach ein­er lan­gen Durst­strecke wird das Pri­mat der Poli­tik selb­st von den Kon­ser­v­a­tiv­en nun wieder eingefordert.

Und tat­säch­lich, das WEF hat sich gewan­delt, ist offen­er gewor­den und weniger “wirtschaftlich”. Weich­er kön­nte man fast meinen — eine Plat­tform für “medi­en­poli­tis­che” The­men. “The Edu­ca­tion Chal­lange”, “The Respon­si­ble Cor­po­ra­tion” oder (hochak­tuell) “Respond­ing to Extreme Events” und “The New Ener­gy Archite­ture” sind alles The­men, die so oder so ähn­lich (ohne das “The”) auch auf einem Pan­el des WSF disku­tiert wer­den könnten.

The Times schimpft schon seit Jahren über eine “Mis­chung aus Pomp und Plat­titü­den” und hat damit wahrschein­lich unwissentlich sehr Recht: Den auf­streben­den Schwellen­län­dern wird mit Ver­anstal­tung­sort und Unter­ti­tel das Gefühl gegeben, sie wür­den ernst genom­men. Die Wirtschaft­skom­mis­sion für Lateinameri­ka und die Karibik (CEPAL) warnt hinge­gen vor einem “Rück­fall in die Primärgüter­pro­duk­tion”, der momen­tane Wach­s­tum beruhe vor allem auf den “Exportein­nah­men verkaufter Rohstoffe in die Schwellen­län­der Asiens”. Es sieht so aus, als würde es bei dem Grund­stein bleiben.

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