Deutschland nullnein

Wenn sich schon die SZ, bürg­er­lich­ste der deutschen Tageszeitun­gen, zweimal heftig echauffiert (erst der Kniebe während der Berli­nale, heute im Feuil­leton der Göt­tler-Fritz), dann bräucht­en wir eigentlich nichts mehr zu sagen. Deutsch­land 09, der Omnibus­film zur Lage der Nation, ist ein über­flüs­siger, großteils aus­ge­sprochen dum­mer Mis­tquatsch. Eine unge­wollte Offen­barung fehlen­den Tal­ents und fehlen­den Intellek­ts. Und ein ärg­er­lich­es und pein­lich­es diskur­spoli­tis­ches Statement.

Natür­lich sind darunter auch ein paar ganz gelun­gene Kurz­filme, genau von den Regis­seurIn­nen, von denen sich man sich im Vor­feld gewun­dert hat, warum die bei so was eigentlich mit­machen (Schan­elec, Graf/Gressmann, Kar­makar, Stev­er). (Bei Hochhäusler habe ich mich zwar auch gewun­dert, aber sein Film ist nicht gut – was nun ander­er­seits auch nicht sehr über­raschend ist.) Aber einige Beiträge sind so total daneben, dass doch erstaunlich ist, warum die Pro­duzen­ten nicht die Reißleine gezo­gen haben, um die Mach­er vor sich selb­st zu schützen.

Dani Levy, der im eige­nen Film sich selb­st mimt und dem auf­grund eines prodeutschen Psy­chophar­makas der Sohn durch die Luft wegschwebt – what the hell was that? Oder Nico­lette Kreb­itz, die die kom­plett bescheuerte Idee hat­te, Susan Son­ntag sich mit Ulrike Mein­hof tre­f­fen zu lassen, damit die bei­den die Welt­prob­leme aus­disku­tieren. Das ist so pein­lich, dass man Filmhochschülern dafür einen Stu­di­en­ab­bruch nahele­gen würde und dass im konkreten Fall das Wort Fremd­schä­men eine ganz neue Bedeu­tung bekommt.

 

Tom Tyk­w­ers Film macht sich die großar­tige Erken­nt­nis zu Nutze, dass die Edel­ho­tels und Star­bucks in allen Metropolen gle­ich ausse­hen. Hat zwar mit Deutsch­land nix zu tun und ist auch nicht witzig – egal, Haupt­sache mal ne schlechte Idee ver­filmt. Aber ha, das ist noch nicht alles, der absolute Tief­punkt kommt erst noch: Wolf­gang Beck­er, dessen Film („Krankes Haus“) auf dem Ein­fall basiert, die Meta­pher vom „Patien­ten Deutsch­land“ visuell wörtlich zu nehmen. Spielt also in einem pseu­do­sur­re­al­is­tisch insze­nierten Kranken­haus mit lauter Durchgek­nall­ten. Und wenn man die bemüht­en Wort­spiele („Sozial­in­farkt“, „Sub­ven­tion­sa­dren­a­lin“), die sinnlosen Anspielun­gen auf höl­lan­dis­che Gemälde und die andern Nichtideen dann statt der vorge­se­henen 15 gefühlte 30 Minuten aus­ge­hal­ten hat, den Wür­greiz mit Mühe unter­drück­end, wer­den am Ende die Kranken­bet­ten in die Sonne geschoben und die Pati­entin­nen sin­gen gemein­sam „Kein schön­er Land“. Und man erbricht sich auf den Sitznachbarn.

In den Inter­views und der Pressekon­ferenz nach der Vor­führung auf der Berli­nale haben die MacherIn­nen zwar ihre Dif­feren­zen betont (Plu­ral­is­mus, hey super!), aber auch, wie nett und demokratisch alles gelaufen sei. Wenn dem so ist – das ist die Frage, von der ich mich jet­zt noch ärg­ere, dass ich mich nicht getraut habe, sie zu stellen – wenn alles so demokratisch und debat­ten­mäßig lief bei euch, warum habt ihr dem Wolf­gang, dem Dani und der Nico­lette nicht erk­lärt, dass sie lei­der mit diesem Bock­mist dann doch nicht mit­machen kön­nen. Dass doch das ganze Pro­jekt darunter lei­de, wenn hier kein­er interveniert.

Hätte wenig­sten eine von Euch den Mut zu sagen, dass sie sich schämt, jet­zt in so einem Kon­text rezip­iert zu wer­den. Ein­fach so den guten Ruf riskieren. Und dann wofür? Für einen Film, der, wenn ger­ade mal wed­er WM noch EM ist, das Sch­land-The­ma wieder auf die Agen­da set­zt – ohne jeglichen äußeren Anlass, außer dem, dass es vie­len Deutschen offen­bar Liebling­shob­by ist, sich mit ihrem Sch­land­sein zu beschäfti­gen. Warum fragt ihr euch nicht, ob die per­ma­nente Per­pe­tu­ierung dieser Denkkat­e­gorie die nation­al­is­tis­che Men­tal­ität nicht immer nur bestätigt – wie kri­tisch die per­sön­liche Inten­tion auch sein mag. Das Schön­ste wäre doch, ein­fach mal Pause vom D‑Wort zu haben, im Kopf andere Gren­zen zu ziehen und für eine Weile so zu tun, als gäbe es auch andere Probleme.

D‑Wort muss ster­ben, damit wir denken können!

2 Meinungen zu “Deutschland nullnein

  1. Ganz schlimm ist in diesem Sinne auch Christoph Hochhäuslers Episode, die erst vielver­sprechend als Etüde im Stile von Chris Mark­ers La Jetée anfängt, um dann elendig pathetisch mit einem Hoch auf das neu definierte D‑Wort zu enden. Da muss Angela Schan­elec einem schon wirk­lich lei­d­tun. Ihre Eröff­nungsepisode kommt näm­lich ganz ohne der­lei über­flüs­sige Ver­frem­dung aus.

  2. Wed­er habe ich “Deutsch­land 09” gese­hen, noch das Bedürf­nis dies zu ändern. Ich erfreue mich aber an ver­nich­t­en­den Kri­tiken zu ein­er Sache, die ich ‑vorurteils­be­lastet- sowieso nicht mit Gum­mi­hand­schuhen anfassen würde. Deutsche All­star-Pro­jek­te im Bere­ich Film… Da treibt mir schon die Vorstel­lung die Schames­röte ins Gesicht. Schade, dass ‘die Fer­res’ und Bernd Eichinger nicht irgend­wie noch beteiligt waren (ver­mut­lich gab es eine Alters­gren­ze), dann kön­nte man den Sack zuknoten und in den Fluss werfen.
    Da der Deutschen Koprophagie, wie es scheint, sich jedoch eh im Genuss von Mario Barth’s “Män­ner­sache” äußert, beste­ht ja zumin­d­est Hoff­nung darauf, dass diese Pseudobe­stand­sauf­nahme schon bald wieder aus den Kinosäälen verschwindet.

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