Präsidentschaftswahlen in Peru
Die Wahl zwischen Krebs und Aids
Als hätte die amerikanische Politiker-Kaste aus den vergangenen Jahrzehnten nichts gelernt.
Rudolph Giuliani asesorará a Keiko Fujimori en materia de seguridad ciudadana
titelt El País, was auf Deutsch soviel bedeutet wie “Rudolph Giuliani kriecht Keiko Fujimori in den Arsch und nutzt die Angstmache damit in Peru eine US-genehme Regierung installiert wird”.
Aber Peru ist kompliziert. Die Parteienlandschaft besteht im Jahr 2011 eigentlich nur noch aus Wählervereinigungen für bestimmte Kandidaten. Einerseits liegt das daran, dass Präsidenten nur für eine Amtszeit gewählt werden können (eine schmerzliche Lehre aus den neunziger Jahre) und sich Kontinuität dadurch etwas schwieriger gestalten lässt, andererseits sind alle Kandidaten dermaßen populistisch und bewiesenermaßen korrupt, dass sich die Principien einer Partei nur schwer feststellen ließen und sie sich damit gewissermaßen schon selbst überflüssig machen.
Neben der “rechtsextremen” Fujimori ist in der zweiten Runde der Präsidentschaftwahl der “linksnationalistische” Kandidat Ollanta Humala übrig geblieben. Obwohl ideologisch irgendwie links zu verorten (Verstaatlichung, Nachfrageorientierung, Indiofreundlich) steht er nicht für die reine (sozialistische) Lehre, sondern eher für das — in Lateinamerika weit verbreitete — nationalistische Modell der Sozialdemokratie, verspricht aber im Gegensatz zu Fujimori immerhin eine Abkehr von der neoliberale Ausrichtung der peruanischen Wirtschaftspolitik und eine echte Integration der vernachlässigten indigenen Einwohner des Landes.
Wäre da nicht seine Vergangenheit, wäre er durchaus die wählbarere Alternative. Während seiner Zeit als Armee-General verschwanden 1992 im sogenannten Antiterrorismuscamp “Madre Mía” zehn Zivilisten spurlos. Ihm kann bis heute nichts nachgewiesen werden, trotzdem weiß eigentlich jeder, dass die Geschichte ziemlich stinkt und seine Versuche, den Vorfall aus dem Weg zu räumen wirken auch nur halbherzig:
El caso de Madre Mía pertenece al pasado, he sido absuelto. Acá lo que se estaba discutiendo era el futuro, no el pasado.
Zu deutsch: “Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.” Vom furchtbaren Ethnocacerismus seines Vaters hat er sich angeblich ebenso abgesagt, wie von der vielkritisierten Freundschaft mit Venezuelas Hugo Chavez. Es bestand also Hoffnung, dass er sich gewandelt hatte und somit auch Peru ein tatsächlicher Wandel bevorstünde.
Keiko Fujimori hingegen hatte schon im Wahlkampf versprochen, ihren Vater zu begnadigen, der 2010 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während seiner Amtszeit als Präsident (1990–2000) zu 25 Jahren Haft verurteilt worden ist. (Eine exzellente Doku ist übrigens: The Fall of Fujimori. Auch wenn dort die Verurteilung noch nicht drin ist.) Diese Art von Kontinuität meinte ich oben im Übrigen nicht.
Während Perus Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa im Wahlkampf die Wahl zwischen den beiden Kandidaten mit der Wahl zwischen Krebs und Aids verglich, ruft auch er jetzt zur Wahl Humalas auf:
Wer Ollanta Humala wählt, verhindert, dass die Gefängnistore geöffnet und Dutzende Betrüger und Mörder der Fujimori-Diktatur herausgelassen werden, um Peru erneut zu regieren.
Die letzten Umfragen sehen die Diktatoren-Tochter um 6 Punkte vorne. Sieht so aus, als ob Peru demnächst aus den USA und dem Knast heraus regiert wird.