Drehortsbesichtigung Waste Land: Jardim Gramacho

Diese Woche läuft Deutsch­land die Oscar-nominierte Doku­men­ta­tion Waste Land von Lucy Walk­er in den Kinos an. Der Pub­likum­spreis-Gewin­ner von Sun­dance und Berli­nale-(Panora­ma) han­delt von dem Kün­stler Vik Muniz, der auf der größten Müllde­ponie Lateinamerikas mith­il­fe der dor­ti­gen Cata­dores (Müll­samm­ler) riesige Kunst­werke aus Müll bastelt, Fotos davon schießt und diese anschließend bei Sothe­beys verkauft.

Der Film ist im besten Sinne ganz nett — mehr nicht. Ein­er­seits liegt das daran, dass die “Regis­seurin” Lucy Walk­er sich nicht so ganz für den Film entschei­den kon­nte, zwis­chen­durch sog­ar aus dem Pro­jekt ausstieg und ins­ge­samt ger­ade ein­mal drei Stun­den (!) mit den Cata­dores in Rio ver­brachte. Während der sich über vier Jahre hinziehen­den Drehar­beit­en, war sie übri­gens ganze fünf Tage über­haupt in Brasilien. Soweit so neben­säch­lich, aber bei 140 Stun­den Roh­ma­te­r­i­al ist es dann schon mehr als anmaßend, sowohl die Co-Regis­seure João Jardim und Karen Harley als auch die Kam­eraleute, die die eigentliche Arbeit hat­ten, auf den zahlre­ichen Film­fes­ti­vals oder gegenüber der Presse mit keinem Wort auch nur jemals zu erwäh­nen. (Detail am Rande: Es stimmt übri­gens nicht, dass Oscar-Nominierte automa­tisch Mit­glied der Acad­e­my wer­den. Freut mich zu hören.)

Für den in New York leben­den Vik Muniz ist der Film bzw. die Arbeit mit den Cata­dores, und das gibt er auch selb­st zu, vor allem eine Ther­a­pie, um das eigene schlechte Gewis­sen zu beruhi­gen. Dazu muss man wis­sen, Vik kommt selb­st aus ein­er Favela aus der Nähe von São Paulo. Dort wurde er Ende der 1980er Jahre angeschossen, bekam dafür Schmerzens­geld und emi­gri­erte in die USA. “Soziale Pro­jek­te”, so sagt er, “sind eine Möglichkeit, sich um den zurück­ge­lasse­nen, armen Jun­gen von damals zu küm­mern.” Er sagt aber auch, dass Kun­st immer nur Selb­stzweck sein kann und niemals zugle­ich Sozial­pro­jekt. Man müsse das trennen.

Die meis­ten der in dem Film por­traitierten Cata­dores leben immer noch von bzw. mit der Mül­lkippe in Jardim Gra­ma­cho in der Nähe von Duque de Cax­i­as im Nor­den Rio de Janeiros. Zumbi, der Büch­er­samm­ler aus dem Film, bekam damals aus dem Verkauf der Bilder 10.000 R$ (4.400 €). “Ein Besuch im Möbel­laden”, erzählt er mir, “und alles war weg. Couch, Kühlschrank und Fernse­her — viel mehr blieb da nicht. Aber erzähl das mal den anderen auf der Deponie. Die glauben, mit 10.000 musst du nie mehr arbeit­en!” Der einzige, der sich seit­dem tat­säch­lich weit­er­en­twick­elt hat, ist Tião, der Präsi­dent der Müll­samm­ler-Vere­ini­gung. Für das gemein­same Recy­cling-Zen­trum hat er eine Koop­er­a­tion mit Coca-Cola abgeschlossen, die spon­sern jet­zt brasilien­weit die Müll­samm­ler-Vere­ini­gun­gen und druck­en dafür Tiãos Gesicht auf ihre Dosen. Als Cata­dores-Botschafter jet­tet er jet­zt durchs Land. Nur zu den Oscars durfte er dann doch nicht mit — obwohl die “Regis­seurin” ihm das medi­en­wirk­sam zuge­sagt hat­te — sie nahm dann jemand anderen mit: Moby.

Fotos vom Besuch bei Zumbi:

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