Ein Blick zurück zur SPD
Nun hat also gestern das Bundesverfassungsgericht über die Regelleistungen nach SGB II geurteilt, diese seien dem Grundgesetz widersprechend. Und alle sind ganz aufgeregt, obwohl das gleiche Gericht schon 2007 die Verfassungsmäßigkeit des Hartz IV genannten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (auch rückwirkend für die letzten 5 Jahre) verneint hat, obwohl der Europäische Gerichtshof es bereits 2005 als erwiesen ansah, dass Teile des Hartz IV-Gesetzes nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind, obwohl im letzten Jahr das Bundessozialgericht die Regelleistung für Kinder unter 14 Jahren für verfassungswidrig hielt.
Das Gesetz, das von Puffmutter Peter Hartz und seinen zwölf Kapitalhuren vor ziemlich genau 7 Jahren erdacht, und anschließend vom Brioni-Proleten Schröder mit seinem ureigenen Basta-Charme dekretiert wurde, das Millionen Kinder hat verarmen lassen und einen Paradigmenwechsel in der Sozialgesetzgebung der BRD darstellt, ist also nicht nur “gefühlt” der inhumanste Scheiß, den sich eine rot-grüne Koalition ausdenken konnte, er ist auch handwerklich so schlecht gemacht, dass sich in Karlsruhe die Balken biegen. Nur: Wer hat was Anderes erwartet?
Wenn man sich die Mitglieder der Hartz-Kommission einmal anschaut, ist doch sofort klar, worum es bei diesem Gesetz ging. Ich nenne mal nur die Arbeitgeber der Berufenen: DaimlerChrysler, Deutsche Bank, VW, Roland Berger, McKinsey, BASF und die Market Access for Technology Services GmbH. Wait, what? Market Access for Technology Services GmbH? Vertreten durch ihren Geschäftsführer Klaus Luft? Etwa der Klaus Luft, der das Computerhaus Nixdorf binnen 3 Jahren von einem Multimilliarden-DMark-Unternehmen in den Ruin geführt hat? Dessen arbeitsmarktpolitische Kompetenz in einem Interview des Manager-Magazins so richtig zur Geltung kommt?
“Warum kann eine Familie die Kinderfrau nicht ganz von der Steuer absetzen?”, fragt er. Durch solch schlechte Gesetze gingen doch gleich zwei Jobs verloren — der der Mutter, die zu Hause bleibt, und der der Haushaltshilfe. […] Fast wie nebenbei erwähnt Luft noch seinen Job bei der Investmentbank Goldman Sachs, die er etwa bei der Privatisierung der Telekom unterstützte. Seit Mai dieses Jahres dient er zudem der französischen Versicherung AGF. […] Ihm bleibe jedoch genügend Zeit zum Wandern und Skifahren rund um seine Ferienwohnung im schweizerischen Klosters.
JA! Er ist es. Flankiert von Wolfgang “Hartz IV-Empfänger sind Parasiten am Volkskörper” Clements Musterschüler Harald Schartau und Wolfgang “Hartz IV-Empfänger sollen in der Bahn patrouillieren” Tiefensee, ohne einen einzigen Vertreter des Bundeskabinetts, ohne einen Verräter Vertreter des SPD-Präsidiums, ohne einen Vertreter Verräter des SPD-Vorstands, hat er in dieser Kommission die feuchten Träume der Kapitalisten wahr werden lassen. 1€-Jobs! Yay!
Biologen verwenden für „Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen – ihren Wirten — leben“, übereinstimmend die Bezeichnung „Parasiten“. Natürlich ist es völlig unstatthaft, Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu übertragen. Schließlich ist Sozialbetrug nicht durch die Natur bestimmt, sondern vom Willen des Einzelnen gesteuert.
Ups, da ist mir doch was für mein Faschismus-Referat in den Artikel hinein gerutscht. So etwas würde Wolfie “unnachgiebige Konsequenz gegenüber jenen „schwarzen Schafen“, die sich Leistungen erschleichen wollen” Clement nie veröffentlichen. Anyway.
Wenn man Kapitalisten Gesetze machen lässt, dann scheren die sich im Zweifelsfall nicht um Rechtsstaatlichkeit oder Sozialstaats-Prinzip, sondern eher um Niedriglohnsektor, Zumutbarkeitskriterien (alleine das Wort!) und Hinzuverdienstmöglichkeiten. Wenn man Kapitalisten Gesetze machen lässt, reproduzieren diese lediglich die Gesetze des Kapitals. Es war 1998 nicht unbedingt zu erwarten, dass die SPD so etwas zulassen würde. Sie hat es dennoch getan und die Quittung dafür kassiert. 10 Millionen Wähler sind ihr seit dem abhanden gekommen. Die Bundestagswahl 2009 endete für sie mit einer katastrophalen Niederlage. Damals wie heute waren alle ganz aufgeregt. Nur gut, dass die SPD nachwievor Spitzenleute wie die fette Elke Ferner hat, die das Urteil im Namen der SPD kommentiert.
Die SPD begrüßt , dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem heutigen Urteil Klarheit bei der Bemessung der Regelsätze für die Grundsicherung und die Sozialhilfe geschaffen hat. Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Urteil auf die Wahrung der Menschenwürde ab. Dies muss auch für das Einkommen aus Arbeit gelten. Wer Vollzeit erwerbstätig ist, muss ein Einkommen erzielen, mit dem er oder sie oberhalb des Grundsicherungsniveaus liegt. Deshalb ist eine Mindestlohnregelung unerlässlich.
Mit anderen Worten: Wir waren jetzt 11 Jahre sozialdemokratische Regierungspartei und haben es nicht gebacken bekommen, für die Ärmsten der Gesellschaft Rechtssicherheit in einem Arbeitsmarktgesetz zu verankern. Und genau deshalb hat Elke 2007 gegen einen flächendeckenden Mindestlohn gestimmt. Und genau deswegen kann sie jetzt auch von einem “kostenfreien Mittagessen” für Schulkinder schwadronieren. Und genau deshalb wird sie heute auf Spiegel Online zitiert:“Wenn man’s drauf anlegt, können auch die neu berechneten Regelsätze für Erwachsene auf einem ähnlichen Niveau bleiben wie bisher.” Und genau deshalb ist ein Blick auf die SPD immer ein Blick zurück.