Berlinale ’11 — Fazit

Ich geste­he faul gewe­sen zu sein. Beson­ders aus dem Wet­tbe­werb­spro­gramm habe ich deut­lich weniger Filme gese­hen als in den let­zten Jahren (neben Schlafkrankheit lediglich Wern­er Her­zogs schöne und witzige Höhlen-3D-Doku Cave of For­got­ten Dreams, die lei­der außer Konkur­renz lief, und den etwas lah­men, sehr durch­schaubaren, aber auch nicht wirk­lich schlecht­en kore­anis­chen Beitrag Come Rain, Come Shine von Lee Yoon-ki). Ob die Entschei­dun­gen der Jury gerecht­fer­tigt sind oder nicht, ver­mag ich also nicht zu sagen, ganz daneben scheinen sie jeden­falls nicht gele­gen zu haben. Der iranis­che Siegerfilm ist sehr schnell klar­er Favorit gewe­sen und alles, was ich über ihn gele­sen und gehört habe, deutet tat­säch­lich auf einen sehr guten Film hin, der aus dem Bewer­ber­feld allerd­ings nur deshalb so klar her­ausstach, weil es mal wieder sehr schwach beset­zt war. Über Bela Tarrs eben­falls aus­geze­ich­neten Turin Horse gehen die Mei­n­un­gen eben­so stark auseinan­der wie über Köh­lers Schlafkrankheit, der immer­hin (und für mich über­raschend, trotz mein­er Wertschätzung für Regis­seur und Werk) den Preis für die beste Regie erhal­ten hat. Und mit dem Alfred-Bauer-Preis für Veiels Wer, wenn nicht wir “für einen Film, der neue Per­spek­tiv­en der Filmkun­st eröffnet“ hat sich die Jury dann auch noch einen richtig guten Scherz erlaubt. Weit­er­lesen

Berlinale ’11 — Entpfehlungen

Was ist eigentlich das Gegen­teil ein­er Empfehlung? Eine De- oder Entpfehlung? Wie auch immer, drin­gend abrat­en würde ich von dem Besuch fol­gen­der Filme:

Sala samobójców (Sui­cide Room), einem pol­nis­chen Film, dessen Regis­seur ich den Gefall­en tun möchte, ihn unge­nan­nt zu lassen. Eine fürchter­lich Com­ing-of-Age-Geschichte mit ein­er stu­pid­en Inter­net­feindlichkeit und einem suizidalen Sec­ond-Life als furcht­barstem Gim­mick. Go away, stop film­mak­ing! (Läuft übri­gens im Panora­ma, wo sonst…)

E‑Love (Anne Vil­lacèque, F 2011), eine stel­len­weise immer­hin ganz amüsante, aber ins­ge­samt wirk­lich sehr verzicht­bare Bobo-Komödie über eine fast 50jährige Uni­ver­sität­slehrerin, die, nach­dem sie von ihrem Mann ver­lassen wurde, mit Inter­net-Dat­ing begin­nt. Ganz brav ist das let­ztlich, nur stel­len­weise schim­mern matt ras­sis­tis­che Stereo­type durch die Ober­fläche der bürg­er­lichen Film­fas­sade. (Forum) Weit­er­lesen

Berlinale ’11 — Schlafkrankheit

Sich­er ein­er der schön­sten und klüg­sten Filme des Wet­tbe­werbs ist Ulrich Köh­lers Schlafkrankheit. Auch wenn die Mehrheit der Kri­tik­erIn­nen den Film gehas­st zu haben scheint (es soll nach der Vorstel­lung gebuht wor­den sein und auch in den Kri­tik­er­spiegeln schnei­det der Film eher schlecht ab). Ich habe den Film in ein­er öffentlichen Vor­führung gese­hen und da gab es fre­undlichen Applaus, keinen einzi­gen Buhruf und die Frau neben mir (dur­chaus keine cinephile und erst recht keine Berlin­er-Schule-Con­nais­seurin) war sehr ange­tan. Bei eini­gen Kri­tik­erIn­nen scheinen bei dem Stich­wort «Berlin­er Schule» sofort alle Alar­m­glock­en anzuge­hen und sie sehen und ver­ste­hen dann über­haupt nichts mehr. Jeden­falls sind sie offen­bar eher düm­mer als das nor­male Pub­likum, das sie deshalb auch struk­turell immer unterschätzen.

Köh­lers Film ist wed­er min­i­mal­is­tisch noch enig­ma­tisch noch pom­pös kun­st­be­flis­sen. Weit­er­lesen

Berlinale ’11 Auftakt

Zugegeben: fühlt sich schon ein wenig blöd an, wenn in Ägypten ger­ade Großes passiert («friedliche Rev­o­lu­tion»!), und man selb­st von nichts anderem zu bericht­en hat als von dritt- oder viertk­las­si­gen Film­chen, aus denen man nach 20 Minuten frus­tri­ert fluchtar­tig raus­läuft. Meine Berli­nale begann ein biss­chen ver­spätet heute um 12.30 mit der Abhol­ung mein­er (dritt- oder viertk­las­si­gen, weil nicht zu allen Vor­führun­gen Zutritt ver­schaf­fend­en) Akkred­i­tierung. Auf das Pro­gramm hat­te ich zu dem Zeit­punkt noch keinen Blick gewor­fen, ein Fehler, der sich rächen sollte: son­st hätte ich gle­ich bemerkt, dass der richtige Zug D2 gewe­sen wäre: im Del­phi lief um 14.00 Hon­jit­su Kyushin (Doctor’s Day Off, Shibuya Minoru, J 1952) ein japanis­ch­er Film aus den 50ern, vom renom­mierten Shochiku-Stu­dio (für das auch Ozu, Naruse und Gosho arbeit­eten), da kon­nte eigentlich nichts schief gehen. Aber wie gesagt, dass ist mir erst Stun­den später aufge­fall­en, als schon C6 gezo­gen war: The Devil’s Dou­ble, ver­mut­lich eine direct-to-video-Pro­duk­tion, die in Kinosälen wirk­lich nichts zu suchen hat. Sto­ry: Sad­dam Hus­seins Sohn zwingt einen alten Schulka­m­er­aden, der ihm erstaunlich ähn­lich sieht, in der Öffentlichkeit sein Dou­ble zu spie­len; er selb­st raucht bei jed­er Gele­gen­heit riesige kuban­is­che Zigar­ren (damit er von dem anderen unter­schei­d­bar ist) und umgibt sich und vögelt mit halb­nack­ten Frauen. Dazwis­chen gibt es sin­n­frei Verge­wal­ti­gungs- und Folter­szenen und dann… bin ich raus­ge­gan­gen. Weit­er­lesen