Lyrischer Adventskalender 21 — Elze

im fallenwald

wir fliegen in die net­ze ja wie vögel von den wänden
wie die fliegen fall­en wir ja wie die füchse gehen wir
ja in die fall­en wie die bären wie frau reh herr hirsch
(ungeziefer unterirdisch untertage übern­immt uns)
wir flat­tern ja noch zap­peln ja noch bellen hier & da
brum­men blöken da & dort wald & wiesen feldreport
es nützt ja nichts es hil­ft ja nichts es kommt ja nichts
mehr dabei raus; der jäger kommt zu angesicht
vielle­icht ja noch vielle­icht auch nicht zu fliege fuchs
zu vogel bär zu frau & herr im netz im wachs im fallenwald
die schnap­pen ja solang es geht nach guter guter luft.

(Carl-Chris­t­ian Elze, 2006; via)

Lyrischer Adventskalender 20 — Altmann

fabrik gelände

der weg ver­liert seine spuren unter den sträuchern.
vielle­icht bin ich der einzige, der ihn noch geht.

das lockere holz der bäume klopft gegen den wind,
der es ver­streut. die nahe fab­rik ist geräumt. und

die mauern begin­nen, sich ein geheim­nis zu suchen.
es wird erzählt, sie haben maschi­nen im see versenkt.

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Lyrischer Adventskalender 19 — Lehnert

Lichteinfall (I)

Wie die Nägel in den Gliedern Gottes, Streben
in einem Dach, das west­wärts kriecht, wie Bohlen
sind Nebel aufgeschichtet. Hier erheben
sich Flam­men, wehen über die Molen,

die aufgewühlte See? … Ein leck­er Tanker?
Die Explo­sion von Gras aus vagen Tiefen?
Die sich im Auge fes­thakt wie ein Anker
und Kreise zieht, die blendend weiterliefen,

bist du die Lohe schautest, Leere, nichts?
Du sagtest: “Fes­t­land…”, sahst, wie es im Drehen
in Brand geri­et, aus Brechun­gen des Lichts:

ein Kern, von dem du abgeschmolzen bist?
Als ein Teilchen oder Innen­raum, zu sehen
in ein­er Höh­lung, die ver­schlossen ist?

(Chris­t­ian Lehn­ert, 2000, Der Augen Auf­gang, Suhrkamp) 

Lyrischer Adventskalender 18 — Schinkel

Cetacea

das zärtliche
Mißtraun
der Riesen,
Ver­schüchtert­er in ihren Pockenhäuten,
rührt uns, die Göt­ter des Krills,
wenn in den Met­all­bäuchen von Schiffen,
hin­ter den Schildern
wir unsere Kör­p­er bewahren.

und in den Tagen,
wenn wir Mäuler
nur streicheln,
— die metrischen Bögen,
an denen die Hände zerbrechen
mit der schäu­menden Ohn­macht der See,
schnaufen die Tiere
ein weit­eres winziges Mal -:

Gesänge in Trauer.

(André Schinkel, 1998, Die Spur der Vogel­men­schen, Mit­teldeutsch­er Verlag)

Lyrischer Adventskalender 17 — Falkner

limbus

er trat hin­aus in die schäu­mende küh­le des morgens
hin­ter ihm sein haus ver­har­rte noch in den tiefen

atemzü­gen, das gras was knus­prig vom frost
sein haus stand funkel­nd und erstar­rt am rand

des tages, geläutert wie eine wein­traube, die sorge
der fre­itag, das echo — waren ver­hallt. er sah sie

am fen­ster bei ein­er ihrer betäuben­den bewegungen
nie­mand, nicht ein­mal der april, macht zartere schritte

doch er drehte sich weg, das haus sank in den schnee.
er hörte sie tanzen

(Ger­hard Falkn­er, 1989, wemut, Luchterhand)