Kölner Geschichten: Planen in Mülheim
Auf die Kölner Schäl Sick und insbesondere in den Stadtteil Köln-Mülheim verschlägt es einen Kölner Wessi zugegebernermaßen recht selten. Wer aber mal die Abkürzung von der Haltestelle Von-Sparr-Straße zum Palladium genommen hat, kennt vielleicht die Brachlandschaft rund um den Alten Güterbahnhof. Dieses 15 Hektar große Niemandsland trennt das Wohngebiet an der Berliner Straße vom Geschäftsviertel Schanzen-/Keupstraße. Seit über 40 Jahren ist das so und die Stadt Köln hat sich irgendwann einmal entschlossen, das zu ändern. Gemeinsam mit der Besitzerin des Grundstücks schreibt sie also im Jahr 2002 einen Architekturwettbewerb aus. Den öffentlichen Wettbewerb gewinnt das Architekturbüro Büder+Menzel mit einem Planungskonzept, das sowohl Büros, Geschäftsräume als auch Wohnungen vorsieht.
Die Besitzerin des Geländes ist zu diesem Zeitpunkt die frisch gegründete Aurelis Real Estate, eine hunderprozentige Tochtergesellschaft der Bahn AG, deren Aufgabe es ist, das “Immobilieneigentum der Bahn” zu verwalten bzw. volkseigenes Vermögen zu Geld zu machen. Im selben Jahr wird vom Bahn-Vorstand auch der Börsengang beschlossen; die Bilanz muss also geschönt werden. Früher hieß es: “It’s good to have land.” 30 Mio. Quadratmeter Land sind anscheinend aber too much. Kurzum: Mittlerweile heißt die Gesellschaft Aurelis Asset und gehört jeweils zur Hälfte dem Bauunternehmen HochTief und dem “Finanzinvestor” Redwood Grove Int. Die Bahn zahlt jetzt bis ans Ende der Tage Miete für ihre eigenen Grundstücke und Gebäude, ist dafür aber um 2,3 Mrd. Euro reicher — die sie dem Käufer selbstredend vorher teilweise selbst leihen musste. Hört sich nach einem hochmodernen Geschäft an. Dass das mit dem Börsengang eine doofe Idee war, konnte schließlich keiner ahnen.
Zurück nach Köln-Mülheim: Die Großgrundbesitzerin Aurelis (“Ideen finden Stadt”) entscheidet sich gegen den Gewinnerbeitrag. Den Auftrag für die Gestaltung der 15 Hektar bekommt das Büro Astoc, mit dem schon “erfolgreich” an der Neugestaltung der Messe Köln-Deutz und am Lehrter Bahnhof in Berlin gearbeitet wird. Man kennt sich, was kümmern einen da öffentliche Wettbewerbe.
Die Vorstellungen des Büros in dem Gebiet ausschließlich Büro- und Geschäftsräume anzusiedeln, erweisen sich freilich als völlig illusorisch. In den vergangenen sechs Jahren konnte gerade einmal eine Parzelle verkauft werden. Angesichts von beinahe 500.000 Quadratmeter leerstehender Büroflächen in Köln, ist das für viele sicher keine Überraschung. Die Überraschung ist, dass nunmehr auch der Stadtrat zweifelt, ob ein solches Konzept tatsächlich zu der erhofften Belebung des Viertels führt.
Verschiedene Mülheimer Bürgerinitiativen sehen nun die Chance, eigene Ideen zu verwirklichen. Eigene Ideen, die laut Rainer Kipper, dem alten Haudegen vom SSM, “schon seit 15 Jahren existieren und schon auf unzähligen Schreibtischen ausgebreitet wurden”, allerdings bisher nie über das Planungsstadium hinauskamen. Zuletzt konnte man während der plan04 das Projekt “Unbestelltes Land” bewundern.
Gemeinsam mit dem Architekten Kai Büder versuchen sich die Kölner nun im „Advocacy Planning“. Ein Planungs-Ansatz “von unten”, mit dem bereits in den Achtzigern Barack Obama in Chicago Stadtteilarbeit leistete. Die Idee: Bürger und Initiativen sind während des gesamten Verfahrens am städtebaulichen Planungsprozess beteiligt. Sie bestimmen Fürsprecher (advocats), die sich gegenseitig mit den Ergebnissen der Einzel-Projekte auf dem Laufenden halten und gemeinsam an der planerische Gesamtumsetzung arbeiten.
Im Haus der Architektur Köln (hdak) wurden Anfang März die Ergebnisse dieser Arbeit vorgestellt. Auf der Grundlage des Gewinnerentwurfs von 2002 will man sich zunächst auf die Verbindung Von-Sparr-Straße/Schanzenstraße konzentrieren. Als „Leutturmprojekt“ soll dort ein Integratives Wohn- und Geschäftshaus entstehen: der deutsch-türkische Basar. Später sollen dann weitere Projekte hinzukommen: Akademie der Künste, Gewerbehaus Kulturstation, Kinder- und Jugendhaus, Eigenbau, Recycling-Baumarkt, und Bunter Acker… Allesamt mehr oder weniger konkrete Ideen, die noch auf ihre Finanzierung warten.
Und wie es aussieht, könnte es genau damit jetzt voran gehen. Im Rahmen des Programms „Soziale Stadt NRW“ will die Landesregierung bis zum Jahr 2015 rund 40 Mio. Euro in die Entwicklung des Stadtteils investieren. Gefördert werden unter anderem Neuansiedlungen von Firmen, Kulturinitiativen und Betreuungsprojekte für Hartz IV-Empfänger. Im Fokus des „Integrierten Handlungskonzept Mülheim 2020“ stehen die Frankfurter Straße, unter anderem der Wiener Platz, die Buchheimer Straße. Ob das Gelände um den Alten Güterbahnhof ebenfalls berücksichtigt wird, ist unwahrscheinlich.
Advocacy Planning ist eine ist eine optimale Chance für die Bürger von Köln, an der Gestaltung ihrer Stadt mitzuwirken. Gerade wenn es darum geht, einen Stadtteil attraktiver zu gestalten, haben die Bürger meist hervorragende Ideen, da sie einfach näher dran sind und ein Gefühl für die Umgebung haben. Zusammen mit einem professionellen Team können dadurch Projekte entstehen, die der Stadt wirklich nützlich sind…