Lob des Plagiats — Teil 2

Wie nen­nt man eigentlich eine Per­son, deren haupt­säch­liche und/oder erwerbliche Arbeit darin bestünde, zu plagi­ieren, was das Zeug hält. Pla­giant? Plag­i­ta­tor? Plagik­er? Der Vor­fwurf, der momen­tan an den Vertei­di­gungsmin­is­ter gerichtet wird, er hätte gemogelt, wie es etwa Spiegel Online mit der Über­schrift “Gut­ten­bergs Schum­mel­pas­sagen im Überblick” anbi­etet, oder die Süd­deutsche mit einem “Man kann auch über Fußnoten stolpern” des Rechthabers Prantl sekundiert, offen­bart ein nahezu anachro­nis­tis­ches Ver­ständ­nis von Urhe­ber­schaft und Orig­i­nal­ität. Dass diesem Ver­ständ­nis vor allem in großen Teilen der Kon­ser­v­a­tiv­en in hohem Maße ent­ge­genge­bracht wird, ist für Gut­ten­berg das eigentliche Prob­lem. Autoritäts- und Wis­senschaft­shörig, wie es in solchen Mil­lieus zuge­ht, wäre eine Aberken­nung des Dr. jur. für den Baron der GAU.

Es stört aber an der derzeit­i­gen Berichter­stat­tung mich vor allem, dass hier ein Einzel­ner medi­al geprügelt wird, wobei der Anlass, tagtäglich wieder­holt, in aber­tausend anderen Fällen über­haupt niemals disku­tiert wird. Die g’schlamperte Diss ist doch mit­nicht­en der Einzelfall, son­dern Sys­tem im deutschen Hochschul­we­sen. Das mag bei den Natur­wis­senschaften nochmal anders sein — bei ein­er kul­tur­wis­senschaftlichen Arbeit über Ver­fas­sung und Ver­fas­sungsver­trag in den USA und der EU wird man doch im Gegen­teil erwarten dür­fen, dass der Autor die aktuellen Debat­ten berück­sichtigt und einar­beit­et. Klar, die muss man nicht als eigene Gedanken aus­geben, aber, Hand aufs Herz, wen scherts? Der Großteil solch­er Werke ver­staubt unge­le­sen in den Archiv­en der Universitätsbibliotheken.

Und so geht es nicht nur den Juris­ten, son­dern auch Ärzten, Lehrern, Wirtschaftswis­senschaftlern, ja eigentlich allen, die den wis­senschaftlichen Betrieb besichti­gen, um eine vernün­ftige Aus­bil­dung zu erhal­ten. Dass diese Aus­bil­dung nicht gefruchtet hat, und der Beschuldigte selb­st in der Ein­leitung kopiert hat, desavouiert ihn doch nur umso mehr vor sein­er bürg­er­lichen Clique. Jed­er vernün­ftige Men­sch hätte exakt diesen Teil gewählt, um seine Gedanken, ja um seinen Erfolg zu zele­bri­eren, der mit dem Erre­ichen eines solchen akademis­chen Grades ver­bun­den ist.

In Vergessen­heit gerät dabei, dass Karl-Theodor ein Pro­dukt des Sys­tems ist, welch­es nicht völ­lig inkom­pe­ten­ten Söh­nen guter Häuser offen ste­ht. Ein Sys­tem, dass eben genau der­ar­tige Pro­mo­tio­nen her­vor­bringt. Der per­sön­liche Vor­wurf greift zu kurz, denn wenn sich jemand an die Regeln des Sys­tems stets getreu hielt, dann doch unser Mann für Afghanistan. Und trotz­dem hat ihn all das kon­forme Ver­hal­ten nicht weit­er gebracht. Als Wis­senschaftler nicht, als Poli­tik­er nicht — und als Men­sch eben­so wenig, denn manche Dinge ändern sich eben doch nicht: Die Def­i­n­i­tion und die beson­dere Schutzwürdigkeit des Eigen­tums, ob geistig oder materiell. Hier ist nun ersteres betrof­fen, denn Dieb­stahl im Sinne des Urhe­ber­rechts lautet der Vor­wurf das Urteil, mit­nicht­en ein Kava­liers­de­likt. Fra­gen des Besitzes ste­hen in diesem Sys­tem nun­mal durch den ver­fas­sungs­gemäßen Schutz an ober­ster Stelle, selb­st wenn es den nor­malen Mei­n­ungsaus­tausch erhe­blich behin­dert. Haben die Autoren, deren uner­set­zlich­er, kreativ­er Beitrag abgekupfert wurde, ihrer­seits auch die gülti­gen Zitier­regeln beachtet, oder das Urhe­ber­recht? Wurde ihr Diskurs­beitrag um eine einzige Zeile geschmälert? Und kön­nen sie diese Fra­gen, gnothi seau­ton, über­haupt beant­worten? Welch­es leg­isla­tiv kundi­ge Ele­ment in ihrem Hirn mag sie dazu gebracht haben, gebrauchte, gebräuch­liche Worte zu ver­wen­den? Schreibt etwa Schirrma­ch­er über Dinge, von denen er vorher bere­its Ken­nt­nis hat­te? Moment mal… welche Fik­tion wird denn hier ger­ade gebrochen? Reden wir darüber, dass ein ein­ma­lig niedergeschrieben­er Gedanke anschließen niemals erneut zu Papi­er gebracht wer­den kann, wenn selb­st all­t­agssprach­liche Akro­nyme als Marke schützbar, und Recht­sansprüche daraus ableit­bar sind? Besitz ist das Ver­hält­nis zwis­chen Men­schen, hat Trotz­ki behauptet, und man ist sehr geneigt, ihm Recht zu geben.

Sollte die Presse wirk­lich jede Dis­ser­ta­tion, und sei es nur jede dem Dok­tor der Juris­terei geschuldete, nachträglich so begleit­en, dann täte sie gut daran, ihre eige­nen akademis­chen Meriten unter die Lupe zu nehmen. Wie ist es denn um die geisti­gen Eigen­tumsver­hält­nisse der Redak­teure… nein, lassen wir das, es würde den Rah­men spren­gen. Deswe­gen schießt man sich lieber auf ein Indi­vidu­um ein. Und darin, hohej!, ein big­ot­ter Ver­bün­de­ter, hat die soge­nan­nte Net­zge­meinde eine Übung. Man wei­det sich gemein­sam am Schick­sal des Herrschen­den. Volks­gericht, any­one? Minütlich wer­den neue Pla­gia­ris­men gefun­den, die eigene Urhe­ber­schaft wird indes nie in Zweifel gezo­gen. Warum auch, wenn man in der Lage ist, den Prügelkn­aben selb­st zu bestimmen.

Dass jet­zt ger­ade das deutsche Netz, das sich in der Ver­gan­gen­heit immer für ein gelock­ertes Urhe­ber­recht stark gemacht hat, akribisch nach weit­eren Ver­fehlun­gen sucht, irri­tiert dann doch ein wenig. Alle gegen einen, Orig­i­nal gegen Kopie. Die Liebe zur Hatz hat sich stärk­er eingeprägt, als die ein­st­mals pro­gres­siv­en Vorstel­lun­gen vom geisti­gen Eigen­tum. Daher seien hier noch ein­mal nach­drück­lich die Worte Godards in Erin­nerung gerufen:
It’s not where you take things from — it’s where you take them to. Es gibt kein Orig­i­nal, nur Prin­cip­i­en.

Eine Meinung zu “Lob des Plagiats — Teil 2

  1. […] Akku­mu­la­tion, ick hör dir trap­sen. Naa, ist auf jeden Fall bes­ser, über­schüs­sige geis­tige Ener­gie auf den Nach­weis der multiplen […]

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