Lyrik IV

Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke

Der Mann:
Hier diese Rei­he sind zer­fal­l­ene Schöße
und diese Rei­he ist zer­fal­l­ene Brust.
Bett stinkt bei Bett. Die Schwest­ern wech­seln stündlich.

Komm, hebe ruhig diese Decke auf.
Sieh, dieser Klumpen Fett und faule Säfte,
das war einst irgen­deinem Mann groß
und hieß auch Rausch und Heimat.

Komm, sieh auf diese Narbe an der Brust.
Fühlst du den Rosenkranz von weichen Knoten?
Fühl ruhig hin. Das Fleisch ist weich und schmerzt nicht.

Hier diese blutet wie aus dreißig Leibern.
Kein Men­sch hat soviel Blut.
Hier dieser schnitt man
erst noch ein Kind aus dem verkreb­sten Schoß.

Man läßt sie schlafen. Tag und Nacht. — Den Neuen
sagt man: hier schläft man sich gesund. — Nur sonntags
für den Besuch läßt man sie etwas wacher.

Nahrung wird wenig noch verzehrt. Die Rücken
sind wund. Du siehst die Fliegen. Manchmal
wäscht sie die Schwest­er. Wie man Bänke wäscht.

Hier schwillt der Ack­er schon um jedes Bett.
Fleisch ebnet sich zu Land. Glut gibt sich fort,
Saft schickt sich an zu rin­nen. Erde ruft.

Got­tfried Benn

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