Lyrischer Adventskalender 15 — Pastior

Über meinen Schlaf

Früher, wenn ich ein­schlief, kam der Schlaf. Heute,
wenn der Schlaf kommt, schlaf ich schon tief. Der
Schlaf kam damals später, jet­zt schlafe ich früher

ein. Wenn ich tief schlafe, kommt es vor, daß der
Schlaf, wenn er dann kommt, mich noch ein­mal weckt,
bevor ich weit­er tief schlafe. Früher war das so:

ich schlief, und der Schlaf kam. Bloß wenn ich auf-
wachte, war er wieder fort – ein unruhiger Gast.
Jet­zt kommt und geht er etwas ruhiger, während ich

schlafe, und manch­mal ist er plöt­zlich da, wenn ich
wach bin. Dann wache ich auf und sehe, daß er da
ist. Es geht mir der Schlaf durch den Kopf, auch

jet­zt, ich kann nicht ein­schlafen, bevor er geht:
dann muß er wohl kom­men. So ist es jet­zt anders wie
früher. Er kommt und er geht, ich bin wach und ich

schlafe. Manch­es geht mir durch den Kopf, der im
Unter­schied zu früher dem Schlaf immer unähnlicher
Wird: auch er kommt und geht, auch er weckt mich

hin und wieder, während ich denk­end ihn schlafen se-
he, bevor der Schlaf kommt, diese beun­ruhi­gende Ru-
he, die keinen Schlaf ken­nt, auch wenn ich wach bin.

(Oskar Pas­tior, 1978[?])

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