Lyrischer Adventskalender 5 — Borchardt
Urlaub
Fort fort und lungere mir nicht neben der Fensterbank
Langflügelig allzu Lieblicher
Nicht Saitenspiels, so bin ich auch nicht Lauschens Dir
Cupido, heut zu Willen nicht
Weder heut noch morgen. Morgen oh noch weniger
Umsonst gelacht, glaubs nicht wie sonst
Kehraus klatscht in die Hände, bei den Türen pfeift
Der Nord zum Loch des Zimmermanns.
Nimm gleich, da schon Du die Füße hebst und hoch schwangst
Nimm mit was durch die Kammer fegt.
Es friert die gestrigen Kränze, durch Papiere rauschts
Stecks ein, mein letztes Liebeslied,
In Schleier wickle es, bind es mit den Haarlocken
Ich brauch sie will sie mag sie nicht
Kahl solls und ohne Geruch nach Dir und kaltblütig
Und schneidend sein von Einsamkeit
Ich hasse und auch ich lieb Dich nicht Ich bin Dein satt
Wie ein nach Schneeluft Lechzender
Die lauernde Blume austritt und im Winter klimmt
Verweigerer mürber Jahreszeit
Die Welt hat Eisjahr. Unabsehbar wächst in uns
Ein Mord, der Gletscher; Höhle wills
Auch hier und Wildbrauch. Fort die Sirene ruft
Und Süd dich wiegt, wenn irgendwo
Noch hingerissen zu Frauen Mund durch Sonne schleicht
Ein fern vom Tod Vergessener.
Da, und ins Hageln werf ich Dir noch den Lorbeer nach
Den Du für mich der Muse gabst
Und den ich abrang der zu lang sich Sträubenden
Und trug ich ihn daß Deutschland säh
Gefeit sei meine Stirn vor seinen Belohnungen.
Was sich hier anhebt, lohnt nicht mehr.
(Rudolf Borchardt, 1935/36)