Trump und die Folgen (2) Bannon und sein fünfzigjähriges Reich
Steve Bannon ist eine einigermaßen faszinierende Figur. Ein Halbintellektueller mit Geschichtsbewusstsein und genauem Gespür für Stimmungen in breiten Bevölkerungskreisen. Ein Stratege und bekennender Nationalist und Populist. Einer, für den die letztgenannten Etiketten nicht etwa diffamierend sind, sondern Elemente der Selbstverortung im politischen Koordinatensystem:
I’m a nationalist. An economic nationalist.
In meinem letzten Beitrag habe ich den Teufel an die Wand gemalt. Das erste und oberste Ziel der Wirtschaftspolitik der Trump-Administration wird sein, habe ich geschrieben, sich die Unterstützung einer Mehrheit der Bevölkerung zu sichern, indem sie durch entsprechende Infrastrukturprojekte Arbeitsplätze schafft. Dazu muss man nicht lange in die Glaskugel gucken, es ist ein sehr simples Kalkül. Und den Teufel muss man auch nicht mehr malen, er ist so nett, direkt zu uns zu sprechen:
Like [Andrew] Jackson’s populism, we’re going to build an entirely new political movement. It’s everything related to jobs. The conservatives are going to go crazy. I’m the guy pushing a trillion-dollar infrastructure plan. With negative interest rates throughout the world, it’s the greatest opportunity to rebuild everything. Ship yards, iron works, get them all jacked up. We’re just going to throw it up against the wall and see if it sticks. It will be as exciting as the 1930s, greater than the Reagan revolution — conservatives, plus populists, in an economic nationalist movement.
Sowohl Jackson als auch Roosevelt (der hier indirekt mit den 1930ern, dem New Deal, angesprochen ist), waren Democrats, Jackson Gründer der Partei. Sich auf ihn zu berufen ist in den heutigen USA schon deswegen ungewöhnlich, weil Jackson in seiner Amtszeit (1829–37) unter anderem für die Vertreibung und Vernichtung von fünf der größten Eingeborenenstämme in den USA verantwortlich war. Bannon stört das natürlich kaum: Der nationalistische Populismus geht mit Chauvinismus und Rassismus Hand in Hand.
Allerdings weiß Bannon auch, dass die rassistische Karte nunmehr nur noch mit Bedacht gespielt werden darf. Nicht aus humanistischen Skrupeln (sowas ist dem Mann wahrscheinlich nicht nur fremd, sondern richtiggehend zuwider), sondern aufgrund einfacher Arithmetik. Neben einer dauerhaften Unterstützung von 60% der weißen Amerikaner, braucht seine “völlig neue politische Bewegung” auch 40% der Stimmen von Schwarzen und Latinas; der Rassismus muss daher ganz gezielt eingesetzt werden, gegen Illegale beispielsweise. Kern der zuvorderst dem längerfristigen eigenen Machterhalt dienenden Politik wird aber die protektionistische und staatskapitalistische Wirtschaftspolitik sein:
The globalists gutted the American working class and created a middle class in Asia. The issue now is about Americans looking to not get fucked over. If we deliver we’ll get 60 percent of the white vote, and 40 percent of the black and Hispanic vote and we’ll govern for 50 years.
Hier denkt jemand wirklich in historischen Dimensionen. Es geht nicht etwa nur um die erste Amtszeit Trumps und seine Wiederwahl, es geht um ein fünfzigjähriges Reich.
Fraglich ist allerdings, ob die Pläne so aufgehen können. Bannon, ansonsten offenkundig von seiner neuen Macht völlig berauscht, verrät das ja selbst (“see if it sticks”). Es könnte gut sein, dass das alles so einfach nicht ist mit den negativen Zinsraten und dem Billionen-Verschuldungs-Programm. Vielleicht wird das unter der Hand eher ein Hyperinflationsprogramm, eine wahre Entfesselung und Dynamisierung der bislang in Latenz schlummernden strukturellen Krise, eine Beschleunigung der systemischen Selbstdestruktion. Dies ist unser Dilemma: Man weiß momentan nicht, was mehr zu fürchten ist, der Erfolg Bannons und die Perpetuierung seiner neofaschistischen Bewegung oder die Systemimplosion mit dann wohl bis aufs Blut geführten Verteilungskämpfen. Eine wirklich diabolische Situation.
Um dennoch nicht ganz auf der Note “Not oder Elend” zu enden: Dies ist eine Zeit, in der auch wir allerlei Dinge ausprobieren können to see if they stick; eine Zeit, in der wir uns über Vieles klar und klarer werden können, über die Zusammenhänge des politischen und wirtschaftlichen Systems, in dem wir leben zum Beispiel, und über mögliche sowie bereits bestehende und entstehende Alternativen. Und nicht zuletzt auch darüber, dass gelebte Solidarität in progressiven politischen Kämpfen und aktive Teilhabe an linker Gegenkultur zu den schönsten Erfahrungen gehören, die uns dieses Leben zu bieten hat.