Ad ACTA IV Anmerkungen zu Herrn Regener

Sven Regen­er, Sänger von Ele­ment of Crime und Autor u.a. des (m.E. ziem­lich unerträglichen) Romans Herr Lehmann, hat sich vor ein paar Tagen im BR über ille­gale Down­loader echauffiert. Das Video (oder der Audio-Clip) machen im Netz die Runde und ins­beson­dere Musik­erin­nen scheinen hier ein Sprachrohr gefun­den zu haben. (Bei uns z.B. wurde im Kom­men­tar zu einem anderen Text das Video gepostet.) John Weitz­mann hat bei Net­zpoli­tik bere­its eine gute Rep­lik geschrieben. Im Fol­gen­den auch von mir ein paar Anmerkungen.

Wir machen mit Plat­ten­fir­men Verträge nicht weil wir doof sind, oder aus Schier­schang­dudel, oder weil wir was zu ver­schenken haben, son­dern weil wir son­st unsere Musik nicht machen können.

Das ist ein­fach falsch, eine unwahre Aus­sage. Es gibt hun­dert­tausend Musik­erin­nen, die Musik machen, ohne eine Plat­ten­fir­ma zu haben, und sowohl bekan­nte Bands (wie Radio­head) als auch unbekan­nte Bands bieten ihre Stücke zum freien Down­load an. Welche unsicht­bare Macht hin­dert Ele­ment of Crime daran?

Mein Prob­lem ist: Man wird uncool, wenn man sagt «Urhe­ber­recht» […]. Und das Rumge­tram­pel darauf, dass wir irgend­wie uncool seien, wenn wir darauf behar­ren, dass wir diese Werke geschaf­fen haben, ist im Grunde genom­men nichts anderes als dass man uns ins Gesicht pinkelt…

Uncool ist man, wenn man Urhe­ber­recht sagt und sich nicht über die Kon­se­quen­zen klar ist, die das mit sich bringt. Näm­lich Überwachung, Repres­sion, Exem­pel sta­tu­ieren usf. Regen­er kann sich nur so aufre­genern, weil er vol­lkom­men ein­seit­ig allein sein par­tiku­lares Inter­esse im Blick hat. Weit­er­lesen

Ad ACTA III Was die Marxistinnen sagen

In der Diskus­sion um ACTA und das Urhe­ber­recht haben die Pro­gres­siv­en einen argu­men­ta­tiv­en Sieg gegen die Kon­ser­v­a­tiv­en errun­gen. Er hin­ter­lässt aber einen bit­teren Beigeschmack. Ja, er fühlt sich fast an wie eine Nieder­lage. Der Fortschritt soll die Kün­st­lerin­nen über­flüs­sig machen? Ist das die Pointe? Soll­ten wir dann nicht doch bess­er beim kon­ser­v­a­tiv­en Mod­ell bleiben?

Eine dritte Gruppe hat der Diskus­sion bis­lang schweigend, an manchen Stellen kopf­schüt­tel­nd zuge­hört: die Marx­istin­nen. Nun spuck­en sie aus und pfeifen durch die Zähne, «ppfff». (Marx­istin­nen wirken oft ein biss­chen arro­gant, weil sie meinen, immer alles bess­er zu ver­ste­hen. Das haben sie von ihrem großen Guru gel­ernt, der ein Meis­ter im Besser­wis­sen war – in bei­den Bedeu­tun­gen des Wortes.) Sie sagen, was Marx­istin­nen am lieb­sten sagen: «Die Diskus­sion ste­ht doch auf dem Kopf, wir müssen sie auf die Füße stellen». Das geht so:

Es sei doch offen­sichtlich, dass es um die Kün­st­lerin­nen über­haupt nicht gehe. Als hät­ten sich Staat und Kap­i­tal je ern­sthaft um den Zus­tand der Kun­st geschert. Kap­i­tal wolle akku­mulieren und kap­i­tal­is­tis­che Staat­en müssten (son­st hörten sie auf, solche zu sein, was sie nicht kön­nten, solange es den Kap­i­tal­is­mus gibt bzw. umgekehrt) dafür sor­gen, dass entsprechende Bedin­gun­gen herrschen. So auch hier: bei HADOPI/SOPA/ACTA und was ihnen noch so alles ein­fall­en möge, gehe es let­ztlich immer um das­selbe. Es solle mit diesen Geset­zen gewährleis­tet wer­den, dass das Kap­i­tal im kul­turindus­triellen Sek­tor weit­er akku­mulieren könne. Das sei im Übri­gen kein Geheim­nis, da die Musik- und Film­branche selb­st fast genau das sagten. Nur in anderen Worten: Arbeit­splätze seien gefährdet. Weit­er­lesen

Ad ACTA II Die Diskussion

Etwas ide­al­typ­isch verz­er­rt kann man sagen, dass in der Diskus­sion zwei schein­bar gän­zlich inkom­men­su­rable Welt­bilder aufeinan­der prallen. Das äußert sich zunächst an den die Zustände beschreiben­den Ter­mi­ni. So wieder­holt die eine Seite — nen­nen wir sie «die Kon­ser­v­a­tiv­en» — das Mantra, das Run­ter­laden von copy­right-geschütztem Mate­r­i­al im Inter­net sei «Dieb­stahl». Noch vor eini­gen Tagen titelte das Berlin­er Boule­vard­blatt BZ: «Wisst Ihr ACTA-Demon­stran­ten, dass ihr für Dieb­stahl auf die Straße geht?» Und auch in den Diskus­sio­nen im Kom­men­tar­bere­ich der größeren bürg­er­lichen Zeitun­gen taucht das immer mal wieder auf. Die Idee, mit der solche Rede sich plau­si­bil­isiert, ist fol­gende: Wenn Men­schen für das, was andere pro­duziert haben, nicht bezahlen und es sich ein­fach nehmen, bei den Pro­duzentin­nen also kein Geld ankommt — dann han­dele es sich um Diebstahl.

Die Gegen­seite — «die Pro­gres­siv­en» — sieht die Sache völ­lig anders. Nicht gestohlen werde hier, son­dern geteilt oder getauscht. Daher der Aus­druck «fileshar­ing». Mit Dieb­stahl habe das über­haupt nichts zu tun. Und zwar weil nie­man­dem etwas weg genom­men werde. Dieb­stahl definiere sich aber doch ger­ade dadurch: jeman­dem etwas gegen ihren Willen entwen­den. Beim typ­is­chen Fall geht ein Men­sch in einen Laden, nimmt sich eine CD, und bezahlt nicht. Anschließend hat der Laden eine CD weniger und die Diebin eine mehr. Ger­ade das geschähe beim file­shar­ing nicht, da nur untere­inan­der geteilt und getauscht werde.

Die Kon­ser­v­a­tiv­en antworten, dass dabei aber doch etwas entwen­det werde, näm­lich das Recht der Pro­duzentin auf die Ver­w­er­tung ihres Pro­duk­ts. Weit­er­lesen

Ad ACTA Freie Künstler

Mein Ein­druck mein­er auss­chnittsweisen Lek­türe von Kom­mentaren zur Ablehnung von ACTA: Mehrheitlich herrscht fol­gende Mei­n­ung: Es sei gut, dass das Abkom­men in dieser Form nicht unterze­ich­net wurde. Aber das geistige Eigen­tum müsse doch geschützt wer­den. Schließlich müssten die “Kreativ­en” von den Erzeug­nis­sen ihrer Arbeit leben kön­nen, wie andere Men­schen von der ihren.

Diese Annah­men scheinen mir vol­lkom­men unhalt­bar zu sein. Nir­gend­wo ste­ht geschrieben, dass Men­schen, die Musik machen, Büch­er schreiben, Filme drehen, Bilder malen, davon leben kön­nen müssen. Die Wahrheit ist: Die meis­ten tun das ger­ade nicht. Und wenn die ver­schwindend geringe Min­der­heit, die es bish­er kon­nte, nun auch ander­er Lohnar­beit nachge­hen müsste — so what? Das schein­bar stärk­ste Argu­ment der File­shar­ing-Geg­ner­in­nen, Copy­right-Fetis­chis­ten und Con­tentin­dus­trie-Lakaien ist keine müde Mark wert.