Ad ACTA II Die Diskussion

Etwas ide­al­typ­isch verz­er­rt kann man sagen, dass in der Diskus­sion zwei schein­bar gän­zlich inkom­men­su­rable Welt­bilder aufeinan­der prallen. Das äußert sich zunächst an den die Zustände beschreiben­den Ter­mi­ni. So wieder­holt die eine Seite — nen­nen wir sie «die Kon­ser­v­a­tiv­en» — das Mantra, das Run­ter­laden von copy­right-geschütztem Mate­r­i­al im Inter­net sei «Dieb­stahl». Noch vor eini­gen Tagen titelte das Berlin­er Boule­vard­blatt BZ: «Wisst Ihr ACTA-Demon­stran­ten, dass ihr für Dieb­stahl auf die Straße geht?» Und auch in den Diskus­sio­nen im Kom­men­tar­bere­ich der größeren bürg­er­lichen Zeitun­gen taucht das immer mal wieder auf. Die Idee, mit der solche Rede sich plau­si­bil­isiert, ist fol­gende: Wenn Men­schen für das, was andere pro­duziert haben, nicht bezahlen und es sich ein­fach nehmen, bei den Pro­duzentin­nen also kein Geld ankommt — dann han­dele es sich um Diebstahl.

Die Gegen­seite — «die Pro­gres­siv­en» — sieht die Sache völ­lig anders. Nicht gestohlen werde hier, son­dern geteilt oder getauscht. Daher der Aus­druck «fileshar­ing». Mit Dieb­stahl habe das über­haupt nichts zu tun. Und zwar weil nie­man­dem etwas weg genom­men werde. Dieb­stahl definiere sich aber doch ger­ade dadurch: jeman­dem etwas gegen ihren Willen entwen­den. Beim typ­is­chen Fall geht ein Men­sch in einen Laden, nimmt sich eine CD, und bezahlt nicht. Anschließend hat der Laden eine CD weniger und die Diebin eine mehr. Ger­ade das geschähe beim file­shar­ing nicht, da nur untere­inan­der geteilt und getauscht werde.

Die Kon­ser­v­a­tiv­en antworten, dass dabei aber doch etwas entwen­det werde, näm­lich das Recht der Pro­duzentin auf die Ver­w­er­tung ihres Pro­duk­ts. Weit­er­lesen

PLinks 34/11 Kranbesteiger

Ein Blick in den Blick: News von nebe­nan, kol­portiert durch das Zürcher Boulevardblatt:

«Gegen 18 Uhr gestern Abend ging der Anruf bei der Polizei ein: Auf der Waf­fen­platzs­trasse ste­he ein Mann auf dem Kran, hiess es. Sofort rück­ten die Ein­satzkräfte aus. Die Strasse wurde abges­per­rt. Die ganze Nacht über har­rte der Ungar im Kran aus. Jet­zt sitzt er noch immer da. Stun­den­lang führten Spezialkräfte der Polizei Gespräche mit dem Mann, sagte Polizei-Sprech­er Mar­co Corte­si. Doch was der Mann will, sei noch immer unklar. Er habe wed­er «eine poli­tis­che Botschaft, noch Selb­st­mord­ab­sicht­en». Er wolle nur ein­fach nicht vom Kran hinuntersteigen.»

So neu ist das allerd­ings auch nicht. In Zürich scheint das Besteigen von Krä­nen ein beliebtes Hob­by von eher weniger beliebten (weil «aus­ländis­chen», oder, noch schlim­mer: «Asyl suchen­den») Mit­bürg­ern zu sein: Nach­dem im Mai let­zten Jahres ein mutiger (oder eher lebens­müder) Rumäne den 35-Meter-Kran beim Prime-Tow­er erk­lomm, klet­terte im Sep­tem­ber  «schon wieder ein Kranbe­set­zer» auf einen Kran, rief auf Trans­par­enten zu mehr Respekt gegenüber Asy­lanten auf, und bewarf die Polizei mit Rosen — was für eine nette Geste gegen die man­gel­nde Gastfreundschaft!