Verkehrte Welt? Die BRD an der Spitze einer neuen antifaschistischen Front?
Merkel erinnerte an die tiefen Verbindungen zwischen Deutschland und den USA, die auch auf gemeinsamen Werten beruhten: “Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung”. Merkel sagte, “auf Basis dieser Werte” biete sie Trump “eine enge Zusammenarbeit” an.
Das ist das genaue Gegenteil eines Angebots zur Zusammenarbeit: eine Kampfansage. Sie weiß ja, dass diese Werte nicht die von Trump sind. Im neuen politischen Koordinatensystem ist Merkel objektiv nach links gerückt. In der neuen Weltordnung wird es neue faschistische und antifaschistische Achsen geben. Es ist irritierend und gewöhnungsbedürftig, dass der Staat, in dem man lebt, plötzlich in der generellen Tendenz, in den ganz großen Fragen, auf der richtigen Seite steht.
Party-Nationalismus
Jetzt da endlich auch die letzten Wimpel der WM 2010, wenn schon nicht abgehängt, so zumindest mal verschlissen oder ausgebleicht sind, hängen sich die deutschen Party-Nationalisten schon wieder die nächsten schwarz-rot-goldenen Patriotismus-Schmuckstücke an ihre Karren, in die Wohnzimmer, an den Arbeitsplatz und sonst wo hin. Die EM kommt — unaufhaltsam!
Da können wir dankbar sein, dass es endlich ScheissRotGold auf Facebook gibt (und die Nicht-Facebook-Alternative), wo die Wir-sind-wieder-wer-Farbträume gesammelt werden.
Wer den Links nicht folgen kannwill, hier ein Vorgeschmack auf die Geschmacklosigkeiten: Zur Bildergalerie
Zwickauer Terrorzelle
“Republik im Schockzustand”, “Banküberfälle, Rohrbomben und Mordanschläge”, “Die Braune Armee Fraktion” oder besonders schön “Deutsche Zivilgesellschaft mit dem Tode bedroht”, um nur ein einige der Stilblüten von heute zu nennen. Die deutsche Presse überschlägt sich gemeinsam mit der Politik in hohler Betroffenheit; es trieft nur so von hysterischer Angstmache und heuchelnder Anklage. Ob da wohl die jahrelange Ignoranz oder zumindest die Verharmlosung überkompensiert werden will?
Wen die “neue Qualität” des Terrorismus von Rechts nun so sehr überrascht, kann nicht nur auf dem rechten Auge blind, der muss auch auf dem anderen blöd gewesen sein oder — noch schlimmer — wissentlich weggeschaut haben. Nur so lässt sich erklären, dass die zuständige Familienministerin Kristina Schröder, geb. Köhler, erst im Oktober eine Broschüre für Lehrer und Lehrerinnen im Zeitbild-Verlag herausgegeben hat mit dem Titel “Demokratie stärken — Linksextremismus verhindern”. (Wer sich das an dieser Stelle fragt: Nein, ein entsprechendes Gegenstück zu Rechtsextremismus gibt es nicht. Die absurde Analogie von rechtem und linkem Extrem gilt wohl nur in die andere Richtung.) Die Extremismusklausel ergänzt das Bild der rechtslastigen Politik der Ministerin.
Auch der Herr Innenminister Hans-Peter Friedrich schwadronierte noch im September im Bild-Interview (verlinke ich jetzt nicht, mehr dazu findet sich aber hier) von 1000 islamistischen Terroristen in Deutschland, und Wolfgang Schäuble kürzt dem Anti-(Rechts-)Extremismus-Programm für 2012 so nebenbei zwei Millionen Euro, ohne irgendeine fiskalische Notwendigkeit. Und Kanzlerin Merkel? Spricht von Strukturen, “die wir uns so nicht vorgestellt haben”.
Angela Merkels Phantasielosigkeit ist ja wahrlich kein Geheimnis, aber “vorstellen” war ja in diesem Fall nicht einmal nötig! Weiterlesen
PLinks 33/11
„Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“ konnten wir dieser Tage ausgerechnet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lesen. Herausgeber Frank Schirrmacher geht in dem Text mit den Konservativen dieser Welt hart ins Gericht und stellt die Frage, ob die CDU noch ein bürgerlicher Agendasetter sei oder ob sie das Bürgertum als seinen Wirt nur noch parasitär besetzt, aussaugt und entkräftet.
Wir stellen uns derweil die Frage, ob Frank Schirrmacher diesen Sinneswandel gar eigenständig und selbst vollzogen hat, ist er doch all die Jahre und durch die jüngste Finanzkrise hindurch immer auf der Seite des Freien Marktes gewesen – was an dieser Stelle einfach mal mit Rechts gleichgesetzt wird.
Hat er natürlich nicht! Der FAZ-Autor ist aber so ehrlich – und dafür bedanken wir uns recht herzlich – auf den Urheber des Gedankens zu verweisen (wenngleich auch ohne Link), der eingangs zitiert wurde: auf Charles Moore. Seines Zeichens Margaret Thatchers Biograph und konservativer Vordenker des ebenfalls konservativen britischen Telegraph, der vor über 30 Jahren gemeinsam mit Rupert Murdochs Sun die Übermacht des Labour-hörigen Daily Mirror stoppte und die Eiserne Lady ins Amt holte. Es verwundert dann auch nicht, wenn Charles Moore seinen Artikel mit den Worten schließt:
One must always pray that conservatism will be saved, as has so often been the case in the past, by the stupidity of the Left.
Recht hat er: In dieser Hinsicht ist auf die Linke noch immer Verlass gewesen.
Womit wir auch schon wieder in Deutschland wären. Auch hierzulande dezimiert sich die ursprünglich einmal-konservative Partei — von der CDU ist die Rede — zur Zeit selbst. Sosehr, dass sich ihr Hausblatt Die Welt schon Sorgen um ihren Heimatverein machen muss. Und um ihren Nachwuchs ist man gewillt hinzufügen. So gesehen hat Christian von Boettichers über Facebook arrangierter und dann grandios gescheiterter Versuch einer Verjüngerungskur im Selbstexperiment schon etwas von einer bürgerlichen Verzweiflungstat. Da hilft es auch nicht, dass Simone Schmollack in der tageszeitung dem verliebten Politiker beispringt und ihre Leser fragt: „Warum regen sich eigentlich alle so auf?“, und hinzufügt: „Das ist rechtlich unbedenklich.“ Auf diese Art Nachwuchs verzichtet die Union dann trotzdem gerne, auf die argumentative Unterstützung der ach so libertären taz sowieso.
Doch ganz ehrlich: Wer braucht heutzutage noch die CDU? Wie wir wissen: Für konservative Werte sind neuerdings sowieso die Grünen zuständig. Winfried Kretschmann lässt grüßen.
Alles protestieren hat nichts genützt — auch wenn es keine Niederlage war — die griechischen Sparmaßnahmen sind durch. Und was passiert? Schon verlangen deutsche Manager Vergünstigungen für ausländische Unternehmen in Griechenland. Nach Einschätzung des BDI müssen die Investitionsbedingungen in Griechenland dringend verbessert werden. BDI-Präsident Hans-Peter Keitel will einen “Businessplan”:
Man muss gemeinsam mit der griechischen Regierung versuchen, marktwirtschaftliche Erträge zu organisieren.
Das heißt: Die Privatisierung des Volkseigentums wird forciert, am besten mit “deutschen Beratern”. Firmen aus Deutschland seien dazu “bereit”. Weiterlesen