PLinks 33/11
„Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“ konnten wir dieser Tage ausgerechnet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lesen. Herausgeber Frank Schirrmacher geht in dem Text mit den Konservativen dieser Welt hart ins Gericht und stellt die Frage, ob die CDU noch ein bürgerlicher Agendasetter sei oder ob sie das Bürgertum als seinen Wirt nur noch parasitär besetzt, aussaugt und entkräftet.
Wir stellen uns derweil die Frage, ob Frank Schirrmacher diesen Sinneswandel gar eigenständig und selbst vollzogen hat, ist er doch all die Jahre und durch die jüngste Finanzkrise hindurch immer auf der Seite des Freien Marktes gewesen – was an dieser Stelle einfach mal mit Rechts gleichgesetzt wird.
Hat er natürlich nicht! Der FAZ-Autor ist aber so ehrlich – und dafür bedanken wir uns recht herzlich – auf den Urheber des Gedankens zu verweisen (wenngleich auch ohne Link), der eingangs zitiert wurde: auf Charles Moore. Seines Zeichens Margaret Thatchers Biograph und konservativer Vordenker des ebenfalls konservativen britischen Telegraph, der vor über 30 Jahren gemeinsam mit Rupert Murdochs Sun die Übermacht des Labour-hörigen Daily Mirror stoppte und die Eiserne Lady ins Amt holte. Es verwundert dann auch nicht, wenn Charles Moore seinen Artikel mit den Worten schließt:
One must always pray that conservatism will be saved, as has so often been the case in the past, by the stupidity of the Left.
Recht hat er: In dieser Hinsicht ist auf die Linke noch immer Verlass gewesen.
Womit wir auch schon wieder in Deutschland wären. Auch hierzulande dezimiert sich die ursprünglich einmal-konservative Partei — von der CDU ist die Rede — zur Zeit selbst. Sosehr, dass sich ihr Hausblatt Die Welt schon Sorgen um ihren Heimatverein machen muss. Und um ihren Nachwuchs ist man gewillt hinzufügen. So gesehen hat Christian von Boettichers über Facebook arrangierter und dann grandios gescheiterter Versuch einer Verjüngerungskur im Selbstexperiment schon etwas von einer bürgerlichen Verzweiflungstat. Da hilft es auch nicht, dass Simone Schmollack in der tageszeitung dem verliebten Politiker beispringt und ihre Leser fragt: „Warum regen sich eigentlich alle so auf?“, und hinzufügt: „Das ist rechtlich unbedenklich.“ Auf diese Art Nachwuchs verzichtet die Union dann trotzdem gerne, auf die argumentative Unterstützung der ach so libertären taz sowieso.
Doch ganz ehrlich: Wer braucht heutzutage noch die CDU? Wie wir wissen: Für konservative Werte sind neuerdings sowieso die Grünen zuständig. Winfried Kretschmann lässt grüßen.
Je öfter ich in die «Zeitung für Deutschland» gucke, desto öfter muss ich meine Augen reiben. Bist du es noch, FAZ, konservativste unter den lesbaren deutschen Tageszeitungen? Schon die sehr progressive Berichterstattung zur Revolution in Ägypten hat mich überrascht. Und auch die Tatsache, dass sie immer wieder dem CCC ein Forum bietet (für viele ganz hervorragende Beiträge).
Heute aber musste ich wirklich zweimal gucken, ob ich auf der richtigen Webpage gelandet war. Da erklärt doch Frank Schirrmacher (ja der Frank Schirrmacher, der «Das Internet macht unser Hirn kaputt»-Schirrmacher, der mit der peinlichen Laudation auf Tom Cruise, Mut-Bambi, ihr wisst schon), warum die Argumente der Kernkraftgegner nix taugen, z.B.:
2. Absolute Sicherheit gibt es nicht
Eine klassische Inversion, eine Irreführung. Denn der Punkt ist ja, dass es diese absolute Sicherheit durchaus gibt: Wir wissen nämlich genau, was geschieht, wenn es zur Kernschmelze kommt, wie lange Radioaktivität strahlt, was Cäsium und Jod mit dem Menschen und der Umwelt tun und wie viele Generationen im schlimmsten Fall zu leiden haben. Es ist diese absolute Sicherheit eines naturwissenschaftlichen Vorgangs, die sich zu der selbst von den Betreibern eingestandenen, relativen Unsicherheit der Kraftwerke verhält.
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Und die Propaganda geht weiter. Inzwischen wird wirklich jede auch nur halbwegs plausible Gelegenheit genutzt, nach Regeln (d.h. Gesetzen) fürs Internet zu rufen. Womit leitet die FAZ den Bericht zum neuen Apple-Spielzeug ein?
Die ganze computerisierte Welt spielt verrückt, weil da einer in San Francisco eine Elektrotafel auspackt, aber Jaron Lanier, der Technoguru und Internetskeptiker, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich wünsche Apple alles Gute“, sagt er, „für die Menschheit wird es jedoch eher von grundlegender Bedeutung sein, ein weltweit gültiges Abkommen über die Bezahlung von Information, von geistigem Eigentum zu treffen. Sonst ist es nicht möglich, wirklich vernetzt zu sein.“
Abgesehen davon, dass es sich dabei wieder um die Lanier-typische geistige Diarrhoe handelt — was genau hat das jetzt mit dem iPad zu tun? Egal, Hauptsache schnell nochmal Restriktionen gefordert. Die Bürgerlichen haben offenbar eine ganz fürchterliche Angst vorm Chaos — sie brauchen Regeln, Kontrollen, Sanktionen — und davor, dass das Geld nicht ganz so stromförmig fließt, das Kapital nicht ganz so reibungslos akkumuliert, wie unter jenen ersponnen idealen Bedingungen, die vom Staat doch bitte ganz schnell wieder hergestellt werden sollen. Fesselung der Produktivkräfte, ick hör dir trapsen.
Offenbar ist der Technoguru und Internetskeptiker (FAZ) Jaron Lanier auch Denkskeptiker. Anders lässt sich sein selbstgerechtes Geraune wohl kaum erklären. Wie er zu dem Mensch-Hund-Vergleich gelangt? Solche Fragen stellt man nur wider besseres Wissen oder in Unkenntnis der zahlreichen Interviews, die der Internetpionier (SZ) in der verzweifelten Hoffnung, jemand möge doch sein kaum relevant zu nennendes Buch erwerben, der bürgerlichen Presse gibt. So schlägt er mit den ewig gleichen, ewig langweilenden Thesen am 17. Jänner zuerst bei der FAZ auf, am 24. bei der Süddeutschen und am 25. schließlich bei SpOn. Und immer geht es darum, dass das Internet ein Ding ist, in dem marodierende Mobs durch die Gegend ziehen (“Deshalb habe ich ernsthaft Sorge, dass es eines Tages zu einem gefährlichen Mob-artigen Ausbruch im Internet kommen wird.” Oh no! What should we do about it? The mob is in the interweb!!1! We’re totally helpless! May god have mercy with us all!), die dunklen “Lords der digitalen Wolke” alles beherrschen wollen und der in den USA als Schreckgespenst mit Sicherheit noch funktionierende Kommunismus in Form eines digitalen Maoismus grassiert. Weiterlesen
Vielen Dank für den Artikel “Die Revolution der gebenden Hand”, den ich mit viel Amüsement gelesen habe. Dieser Artikel, der vordergründig einen neoliberalen Beitrag zur gegenwärtigen Kapitalismusdebatte darstellt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als brilliant komponiertes Possenstück, das der großen Krise ein subtiles Lächeln entlockt.
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