Ad ACTA III Was die Marxistinnen sagen

In der Diskus­sion um ACTA und das Urhe­ber­recht haben die Pro­gres­siv­en einen argu­men­ta­tiv­en Sieg gegen die Kon­ser­v­a­tiv­en errun­gen. Er hin­ter­lässt aber einen bit­teren Beigeschmack. Ja, er fühlt sich fast an wie eine Nieder­lage. Der Fortschritt soll die Kün­st­lerin­nen über­flüs­sig machen? Ist das die Pointe? Soll­ten wir dann nicht doch bess­er beim kon­ser­v­a­tiv­en Mod­ell bleiben?

Eine dritte Gruppe hat der Diskus­sion bis­lang schweigend, an manchen Stellen kopf­schüt­tel­nd zuge­hört: die Marx­istin­nen. Nun spuck­en sie aus und pfeifen durch die Zähne, «ppfff». (Marx­istin­nen wirken oft ein biss­chen arro­gant, weil sie meinen, immer alles bess­er zu ver­ste­hen. Das haben sie von ihrem großen Guru gel­ernt, der ein Meis­ter im Besser­wis­sen war – in bei­den Bedeu­tun­gen des Wortes.) Sie sagen, was Marx­istin­nen am lieb­sten sagen: «Die Diskus­sion ste­ht doch auf dem Kopf, wir müssen sie auf die Füße stellen». Das geht so:

Es sei doch offen­sichtlich, dass es um die Kün­st­lerin­nen über­haupt nicht gehe. Als hät­ten sich Staat und Kap­i­tal je ern­sthaft um den Zus­tand der Kun­st geschert. Kap­i­tal wolle akku­mulieren und kap­i­tal­is­tis­che Staat­en müssten (son­st hörten sie auf, solche zu sein, was sie nicht kön­nten, solange es den Kap­i­tal­is­mus gibt bzw. umgekehrt) dafür sor­gen, dass entsprechende Bedin­gun­gen herrschen. So auch hier: bei HADOPI/SOPA/ACTA und was ihnen noch so alles ein­fall­en möge, gehe es let­ztlich immer um das­selbe. Es solle mit diesen Geset­zen gewährleis­tet wer­den, dass das Kap­i­tal im kul­turindus­triellen Sek­tor weit­er akku­mulieren könne. Das sei im Übri­gen kein Geheim­nis, da die Musik- und Film­branche selb­st fast genau das sagten. Nur in anderen Worten: Arbeit­splätze seien gefährdet. Weit­er­lesen

Ad ACTA II Die Diskussion

Etwas ide­al­typ­isch verz­er­rt kann man sagen, dass in der Diskus­sion zwei schein­bar gän­zlich inkom­men­su­rable Welt­bilder aufeinan­der prallen. Das äußert sich zunächst an den die Zustände beschreiben­den Ter­mi­ni. So wieder­holt die eine Seite — nen­nen wir sie «die Kon­ser­v­a­tiv­en» — das Mantra, das Run­ter­laden von copy­right-geschütztem Mate­r­i­al im Inter­net sei «Dieb­stahl». Noch vor eini­gen Tagen titelte das Berlin­er Boule­vard­blatt BZ: «Wisst Ihr ACTA-Demon­stran­ten, dass ihr für Dieb­stahl auf die Straße geht?» Und auch in den Diskus­sio­nen im Kom­men­tar­bere­ich der größeren bürg­er­lichen Zeitun­gen taucht das immer mal wieder auf. Die Idee, mit der solche Rede sich plau­si­bil­isiert, ist fol­gende: Wenn Men­schen für das, was andere pro­duziert haben, nicht bezahlen und es sich ein­fach nehmen, bei den Pro­duzentin­nen also kein Geld ankommt — dann han­dele es sich um Diebstahl.

Die Gegen­seite — «die Pro­gres­siv­en» — sieht die Sache völ­lig anders. Nicht gestohlen werde hier, son­dern geteilt oder getauscht. Daher der Aus­druck «fileshar­ing». Mit Dieb­stahl habe das über­haupt nichts zu tun. Und zwar weil nie­man­dem etwas weg genom­men werde. Dieb­stahl definiere sich aber doch ger­ade dadurch: jeman­dem etwas gegen ihren Willen entwen­den. Beim typ­is­chen Fall geht ein Men­sch in einen Laden, nimmt sich eine CD, und bezahlt nicht. Anschließend hat der Laden eine CD weniger und die Diebin eine mehr. Ger­ade das geschähe beim file­shar­ing nicht, da nur untere­inan­der geteilt und getauscht werde.

Die Kon­ser­v­a­tiv­en antworten, dass dabei aber doch etwas entwen­det werde, näm­lich das Recht der Pro­duzentin auf die Ver­w­er­tung ihres Pro­duk­ts. Weit­er­lesen

Ad ACTA Freie Künstler

Mein Ein­druck mein­er auss­chnittsweisen Lek­türe von Kom­mentaren zur Ablehnung von ACTA: Mehrheitlich herrscht fol­gende Mei­n­ung: Es sei gut, dass das Abkom­men in dieser Form nicht unterze­ich­net wurde. Aber das geistige Eigen­tum müsse doch geschützt wer­den. Schließlich müssten die “Kreativ­en” von den Erzeug­nis­sen ihrer Arbeit leben kön­nen, wie andere Men­schen von der ihren.

Diese Annah­men scheinen mir vol­lkom­men unhalt­bar zu sein. Nir­gend­wo ste­ht geschrieben, dass Men­schen, die Musik machen, Büch­er schreiben, Filme drehen, Bilder malen, davon leben kön­nen müssen. Die Wahrheit ist: Die meis­ten tun das ger­ade nicht. Und wenn die ver­schwindend geringe Min­der­heit, die es bish­er kon­nte, nun auch ander­er Lohnar­beit nachge­hen müsste — so what? Das schein­bar stärk­ste Argu­ment der File­shar­ing-Geg­ner­in­nen, Copy­right-Fetis­chis­ten und Con­tentin­dus­trie-Lakaien ist keine müde Mark wert.

Pornpiraten

Erin­nert sich noch jemand an Nap­ster? Oder an eDon­key? Diese Zeit, als man die freigegebe­nen Ord­ner wild­fremder Men­schen auf der ganzen Welt nach unbekan­nter Musik durch­suchen kon­nte? Man kön­nte fast nos­tal­gisch wer­den, wenn man an heutige nahezu anonyme Riesen­tor­rents denkt. In den Pirate Bay-Top100 machen aktuelle Alben ger­ade ein­mal zehn Prozent aus, und auch glob­al ist der Audio­tausch ille­galer Natur via P2P-Net­zw­erke in den let­zten Jahren zugun­sten der Videonach­frage abge­sunken, wenn man der von NBC in Auf­trag gegebe­nen Studie der Fir­ma Envi­sion­al glauben darf.
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Wen glaubst du eigentlich hereinlegen zu können, Ask?”

Beat­rice Ask ist die schwedis­che Jus­tizmin­is­terin und die Frage stellte die schwedis­che Tageszeitung Afton­bladet nach­dem Ask behauptet hat­te, nicht der Druck der USA habe zur Ver­schär­fung der schwedis­chen Recht­slage bezüglich File­shar­ing und Copy­right geführt — son­dern dies sei aus ganz eigen­er Ini­tia­tive geschehen. Anlass des Ganzen: Auf Wik­ileaks sind Doku­mente aufge­taucht, die zeigen, dass die USA mas­siv­en Druck auf Schwe­den ausübten, damit diese unter anderem gegen die Pirate Bay vorgin­gen. Das Ergeb­nis ist bekan­nt und wurde vor kurzem in zweit­er Instanz bestätigt (mit nun kürz­eren Haft‑, dafür höheren Geld­strafen bzw. zu leis­ten­den «Entschädi­gungszahlun­gen» für die Pirate Bay-Betreiber).

Bis dato dacht­en wir, dieses Urteil hät­ten Richter eines sou­verä­nen und demokratis­chen Nation­al­staats gesprochen; über­haupt der ganze Gericht­sprozess sei in Schwe­den ein­geleit­et wor­den. Seit heute wis­sen wir, dass der Arm der Jus­tiz viel länger ist und weit über den Atlantik reicht:

Im April 2006 hat­ten die USA Schwe­den mit Han­delssank­tio­nen im Rah­men der Welthandel­sor­gan­i­sa­tion WTO gedro­ht, falls nicht die Aktiv­itäten von “Pirate Bay” gestoppt wür­den. Das schwedis­che Jus­tizmin­is­teri­um forderte daraufhin Polizei und Staat­san­waltschaft auf, aktiv zu wer­den. Nach­dem diese sich unter Hin­weis auf die unklare Recht­slage und eine fehlende Geset­zes­grund­lage zunächst weigerten, erhiel­ten sie laut SVT-Quellen eine for­male Anweisung dazu.

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