Selten war ich so schockiert von der Todesnachricht eines mir teuren Regisseurs wie gerade eben jetzt. Für mich einer der besten Filmemacher der letzten 40 Jahre. (Auch wenn ich seine letzten beiden Werke weniger mochte.)
Wir verdanken ihm einige Höhepunkte der jüngeren Filmgeschichte wie
Khane-ye doust kodjast? (Where is the Friend’s House?, IRAN 1987)
Nema-ye Nazdik (Close-Up, IRAN 1990)
Zire darakhatan zeyton (Through the Olive Trees, IRAN 1994).
Aber viele andere, ältere wie auch jüngere Filme von ihm sind auch ganz toll.

Nowhere to Go (Seth Holt, GB 1958)

Ein später Film Noir, gegen Ende der klassischen Phase dieses Genres gedreht – im gleichen Jahr wie Orson Welles Touch of Evil. Der Film beginnt sehr stark mit einer Ausbruchssequenz, deren Spannung sich aus den Einstellungen ergibt – Point of Views, Totalen von langen Gängen, durch die der Ausbruchshelfer läuft – und dem Sound Design – die Lautlosigkeit der Schritte, die wenigen aktzentuierten Geräusche, dann der plötzliche Alarm, der schließlich in einen Jazz-Score übergeht. Diese erste Sequenz verspricht jedoch mehr, als der Film insgesamt halten kann. In der untergemieteten Fluchtwohnung in der Badewanne liegend erinnert der Ausbrecher (Paul Gregory gespielt von George Nader) sich an den Coup, der ihn in den Knast gebracht und gleichzeitig virtuell reich gemacht hat. Eine feine Betrugsgeschichte, bei der er eine ältere amerikanische Dame um die wertvolle Münzsammlung ihres verstorbenen Ehemanns erleichtert. Schwächer wird Nowhere to Go wenn er — zurück in der filmischen Jetztzeit — das titelgebende Thema entfaltet. Plötzlich beginnt sein Komplize ihm zu misstrauen (schöne Noir-typische Jalousie-Einstellung) und wird von Paul versehentlich getötet. Auch andere Bekannte aus der Gangsterwelt halten Abstand zu ihm. Die finale Flucht ins Nirgendwo des walisischen Landes, bei der sich der Protagonist der Sympathie und Liebe einer zufälligen weiblichen Bekanntschaft bedient, endet schließlich tödlich.
Gegen Ende des Films gibt es eine Szene, die immerhin unter narrationstheoretischen Gesichtspunkten interessant ist. Der Film ändert in einer entscheidenden Szene den dominanten Fokalisierungsmodus, der bis dato an die Perspektive des Protagonisten gebunden ist, und zeigt ein Verhör zwischen der Fluchthelferin und einem Kommissar, der Paul auf der Spur ist. Bis hierhin, zumindest seit dem Flashback, waren die Zuschauer immer genau auf dem Kenntnisstand der Hauptfigur. Jetzt aber erfahren wir plötzlich mehr als Paul, der die Szene nur aus der Ferne beobachten kann – und eben aufgrund seines mangelnden Wissens – fehlinterpretiert. Nämlich als Verrat, während sich die Fluchthelferin eigentlich, wie wir wissen, standhaft weigert, mit der Polizei zu kooperieren. Pauls fatales Ende entpuppt sich so als Ergebnis eines Mangels an Information, den der Film nur über das Mittel einer Alteration der Fokalisierung zu erzählen weiß.