
“Das Geheimnis einer guten Photographie … beruht in ihrem Realismus.”
Neben dem bereits vorgestern vorgestellten August Sander, ist auch Albert Renger-Patzsch einer, wenn nicht sogar der Hauptakteur der “Neuen Sachlichkeit”, einer vor allem in Deutschland geprägten dokumentarisch-realistischen Strömung in Fotografie und Film. Renger-Patzsch wendet sich gegen das Konstruieren und Montieren, wie es beim Bauhaus geschieht, ebenso wie gegen alle Formen des Piktoralismus sowie des Surrealismus. Damit steht er konträr zu seinen zeitgenössischen Kollegen Man Ray und Moholy-Nagy, denn ihm geht es gerade nicht um fotografische Effekte, sondern um Effektvermeidung. Fotografie ist das visuell geleitete, epistemische Interesse, eine quasi wissenschaftliche Fotografie mit dem Anspruch der Dokumentation. Weiterlesen

Das Schwarz-Weiß-Foto „Blinde Kinder beim Unterricht” um 1930 von August Sander (geb. 1876 in Herdorf an der Heller, gest. 1964 in Köln) stammt aus dem Werk „Menschen des 20. Jahrhunderts”, welches ein weites Spektrum von Künstlerportraits und den damaligen Gesellschafts- und Berufsgruppen mit scharfer Beobachtungsgabe und psychologischem Einfühlungsvermögen auf rund 600 Aufnahmen festhält. Als der Fotograf in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts begann, an einer umfangreichen Porträtserie zu arbeiten, konnte er nicht ahnen, daß ihn dieses Projekt sein ganzes Leben lang beschäftigen würde. Doch trotz aller Anstrengungen, zum Abschluß konnte er es nicht bringen: “Menschen des 20. Jahrhunderts” blieb ein unvollendetes Werk. Das Portraitwerk, für das Sanders Konzept sieben Gruppen mit insgesamt über 45 Bildmappen vorsah, die sich inhaltlich an den verschiedenen Gesellschafts- und Berufsgruppen orientieren, wird unter den vom Fotografen vergebenen Gruppentiteln in seiner ganzen Bandbreite gezeigt: Der Bauer, Der Handwerker, Die Frau, Die Stände, Die Künstler, Die Großstadt und Die letzten Menschen – eine Gruppe, die an anderer Stelle von Sander als Alter, Krankheit und Tod bezeichnet wurde und damit die Bedeutung der Aufnahmen nochmals klarer fasst. Weiterlesen

Obwohl ja schon diverse ältere Fotografien in unserem Adventskalender eine starke künstlerische Gestaltung aufwiesen, hat sich die «Kunstfotografie» als stehender Begriff erst im ausgehenden 19. Jahrhundert durchgesetzt. Es ist kein Zufall, dass sich die damit in Zusammenhang stehenden Bilder von Heinrich Kühn stark an eine Ästhetik der Malerei anlehnen. Ihren Kunstwert — ihre Legitimation als Kunst — beziehen sie aus einer Anschmiegung an Bildgestaltungskonzepte, die aus dem Impressionismus stammen. Tatsächlich erinnern manche Fotos von Kühn bis in die Motivik hinein an Gemälde von Monet und anderen Impressionisten. Seltsam antizipiert die Kunstfotografie Kühns, die ihre stilistischen Parameter der Malerei entlehnt, den Fotorealismus, der jene Geste im späten 20. Jahrhundert — und damit unter einer komplett veränderten kunstdiskursiven Konfiguration — umdreht und die Fotografie zum Maß des Gemalten werden lässt.
[Die abgebildete Fotografie ist nicht datiert; bei der Jahresangabe handelt es sich um (m)einen Schätzwert.]