Willensfreiheit

Fund­stück”: ein Wort, das daran erin­nert, dass Deutsch nicht nur die Sprache der Richter und Henker ist, son­dern auch der Aktenord­ner. Zum Ver­gle­ich: im Franzö­sis­chen heißt so was objet trou­vé oder trou­vaille. Schön, oder? “Oh là là, quelle trou­vaille”, nein so was sagt natür­lich nie­mand. Aber man kön­nte, und das allein wäre vielle­icht ein Grund noch mal über die Ver­schiebung der franzö­sis­chen Ost­gren­ze bis Polen… Nein, das Essen wäre zwar bess­er, aber dage­gen spricht, dass die franzö­sis­che Bürokratie noch schlim­mer ist als die deutsche (man mag es kaum glauben), und die franzö­sis­chen Philosophen einen Knick im Kopf haben oder tot sind oder bei­des oder bald…
Äh, abgeschwif­f­en, abgeschweift, sor­ry. Zurück zu den Fund­stück­en. Aus solchen set­zt sich unser Blog ja bish­er zu 90 Prozent zusam­men. Die meis­ten wur­den von David hero­isch aus den Untiefen des weltweit­en Web gebor­gen (erin­nert sei nur an das schöne Poster, das lei­der keins war oder an die let­zten bei­den Beiträge), aber heute präsen­tieren wir ein Zitat aus der Welt der Büch­er. Genauer gesagt aus dem Briefwech­sel zwis­chen Fed­eri­co Felli­ni und Georges Simenon, noch genauer aus einem Brief, den Fed­eri­co seinem “Caris­si­mo Simenon” am 27. Dezem­ber 1976 geschrieben hat, und der ein The­ma berührt, das uns hier vielle­icht in näch­ster Zeit öfter beschäfti­gen wird: die Unfrei­heit des Wil­lens. Also los:

Ich lang­weile Sie mit diesem Gefasel, ver­sprechen Sie mir, dass Sie keine Zeit damit vergeu­den wer­den, auf dieses Gejam­mer zu antworten. Irgend etwas wird geschehen.
Aber ich spüre, dass ich dies­mal etwas dazu beitra­gen muss, damit die Dinge sich wen­den und eine neue Rich­tung nehmen.
Tat­sache ist, dass ich, glaube ich, in meinem ganzen Leben noch nie etwas entsch­ieden habe, obwohl mich mein Beruf schon immer gezwun­gen hat, jeden Tag tausend Entschei­dun­gen zu tre­f­fen. Aber dies sind Entschei­dun­gen, die mit mir zu tun haben und leicht zu fällen sind, das sind nicht ein­mal richtige Entschei­dun­gen, son­dern ein Befol­gen schon entsch­ieden­er Dinge.
Aber von den anderen Entschei­dun­gen, die nichts mit dem Aus­druck mein­er Kreativ­ität zu tun haben, son­dern mit den Din­gen meines pri­vat­en, gesellschaftlichen oder meines Gefühlslebens, habe ich, glaube ich, noch keine einzige bewusst getroffen.

fellini