Mein Eindruck meiner ausschnittsweisen Lektüre von Kommentaren zur Ablehnung von ACTA: Mehrheitlich herrscht folgende Meinung: Es sei gut, dass das Abkommen in dieser Form nicht unterzeichnet wurde. Aber das geistige Eigentum müsse doch geschützt werden. Schließlich müssten die “Kreativen” von den Erzeugnissen ihrer Arbeit leben können, wie andere Menschen von der ihren.
Diese Annahmen scheinen mir vollkommen unhaltbar zu sein. Nirgendwo steht geschrieben, dass Menschen, die Musik machen, Bücher schreiben, Filme drehen, Bilder malen, davon leben können müssen. Die Wahrheit ist: Die meisten tun das gerade nicht. Und wenn die verschwindend geringe Minderheit, die es bisher konnte, nun auch anderer Lohnarbeit nachgehen müsste — so what? Das scheinbar stärkste Argument der Filesharing-Gegnerinnen, Copyright-Fetischisten und Contentindustrie-Lakaien ist keine müde Mark wert.
Dass Faktenwissen nicht viel mit Intelligenz und Bewusstsein über die persönliche und gesellschaftliche Lage zu tun hat, beweist aufs Schönste die SZ-Magazin-Redakteurin Meike Winnemuth. Damit qualifiziert sie sich en passant für den Job, den sie schon hat, nämlich das kulturideologische Beiboot der Süddeutschen flottzuhalten. Wer sich gelegentlich fragt, wo diese (immer noch beste) deutsche Tageszeitung politisch steht, erfährt es am besten aus ihrem Magazin mit seinen Modestrecken und Kochrezepten von Gourmetköchen, die sich gelegentlich dem Elend der Welt widmen. Ein bisschen Afghanistankrieg gefällig? Ja gern, dazu bitte das Hirschragout in Wasabinusskruste und einen 98er Spätburgunder. Die SZ ist die Zeitung des abgehobenen Bildungsbürgertums, das sich für die Elite der Gesellschaft hält und in allem, was es denkt und zu verstehen vermeint, meilenweit weit entfernt ist von der Lebensrealität der Mehrheit der Bevölkerung.[1] Beide – die Zeitung und ihre Idealleserschaft – sind dünkelhaft, snobistisch, pseudo-liberal, selbstverliebt und soziologieblind. Weiterlesen