“Und dann diese Obsession mit dem magischen Realismus; die Manie, mit aller Macht den Alltag zu verzaubern, das Schöne im Banalen zu entdecken. Das geschieht doch bereits, ständig! Der Alltag wird bereits hinreichend verzaubert! Pausenlos machen Fernsehen und Presse Reklame für die Realität, behaupten die Erträglichkeit der Verhältnisse, als duldete der Kapitalismus Wunder und Geheimnis. Der Grassismus ist Reklame höherer Art, für den Lebensstil der neuen Mitte, die glaubt, aus den Nischen des Alltags einen Zauber herauspressen zu können, der doch nichts als die Herrlichkeit ihres Angekommenseins feiert.”
Der etwas andere Nachruf – drüben bei der Jungle World.

Viel ist zu lesen in der deutschen Presse über die griechische Verschuldung, den drohenden Bankrott, die Gefahren für den Euro (ja ganz Europa!), die populistischen Entgleisungen Merkels, Rücktrittsangebote, Vertrauensfragen, gewonnene Abstimmungen usw.; sehr wenig aber über die neuen Formen des Protests, die sich in Griechenland manifestieren. Selbst in linken Medien wurde darüber bislang eher spärlich berichtet. Dabei zeichnen sich gerade dort ungeahnte Potenziale in Richtung einer nachhaltigenden radikaldemokratischen Umstrukturierung der Gesellschaft ab. Heute aber findet sich endlich ein sehr lesenswerter Text von Marga Tsoumo in der Jungle World, und in der taz ein Interview, das sie mit dem Politologen Seraphim Seferiades geführt hat.
Außerdem findet heute abend eine Informationsveranstaltung im Festsaal Kreuzberg statt. Es tut sich was!
Einen der interessanteren Texte zu unserem verlogenen und verklebten Exminister und dem Bohei, den er entfacht hat, ist beim Kollegen von Nichtidentisches zu lesen, der überhaupt seit geraumer Zeit lange, kluge Texte produziert und sich so einen Platz in unserem Blogroll verdient hat. Übrigens sind da nicht nur die Texte, sondern auch die Kommentare recht schlau. So bemerkt einer: «Wenn ein deutscher Kriegsminister „unvisionär und strategielos“ ist, sollte man das als vernünftiger Mensch eigentlich begrüßen» und ein anderer beklagt zu recht das Gezeter über den Stammtisch (aka Bildleserinnen, Pro-Guttenberg-Facebookgruppen etc.).
Dabei stimmt es ja: Am Stammtisch gibt es mehr Klare als klare Gedanken. Nun ist das nichts Neues. So wenig wie der linke Reflex, den Skandal nicht als solchen, sondern als Symptom für irgendwas (in der jungle world, erwartbar, als Symptom für Deutschtümelei, beim bohémien für die Turbogesellschaft, bei anderen, nicht-linken, und daher auch gleich noch schlichter denkenden Zeitgenossen für — festhalten! — «mangelhafte Qualitätskontrolle in der Wissenschaft»). Dort wo Systemkritik intendiert ist, hat die symptomatische Lektüre immer etwas für sich. Statt auf Einzelne drein zu dreschen, fokussiert man auf die Strukturen, die deren jeweiliges Verhalten befördern oder gar erst erzeugen. Weiterlesen