Berlinale 2014 — Forum II Ich will mich nicht künstlich aufregen

Der aufre­gend­ste Film, den ich bish­er in der Forums-Sek­tion gese­hen habe. Es geht um eine junge Kura­torin, der auf­grund kap­i­tal­is­muskri­tis­ch­er Äußerun­gen das Bud­get für ihre Ausstel­lung zusam­mengekürzt wird, in der sie der Frage nachge­hen wollte, warum der kün­st­lerische Film allerorten in das ältere und viel bürg­er­lich­er kon­notierte Präsen­ta­tion­s­medi­um des Muse­ums ver­ban­nt wird; und es geht um Kreuzberg, den Woh­nungskampf und Anti-Mieter­höhungskampf rund um den Kot­tbusser Platz, um junge Migranten und die Bioladen-Gentrifizierung.

Sarah Ralfs in: Ich will mich nicht kün­stlich aufre­gen (Max Linz, D 2014)

For­mal ste­ht der Film ganz in der Tra­di­tion des poli­tis­chen Mod­ernismus von Jean-Luc Godard, Alexan­der Kluge und René Pollesch – oder um weit­er zurück­zu­greifen, von Bertolt Brecht, auf den all das let­ztlich zurück­ge­ht. Weit­er­lesen

Dath-Bashing II Was stimmt nicht

Neulich, in ein­er Pause zwis­chen zwei Berli­nale-Fil­men, habe ich bei Duss­mann rumgestöbert und in das Buch Diet­mar Dath - Alles fra­gen nichts fürcht­en (Inter­views von Mar­tin Hatz­ius mit Dath) rein­ge­le­sen. Eine Stelle ist mir beson­ders in Erin­nerung geblieben. Da erzählt Dath ganz begeis­tert von der tollen Diskus­sion­sat­mo­sphäre in der Feuil­leton-Redak­tion der FAZ. Auf die Frage, ob es nicht erstaunlich sei, dass er als Sozial­ist so von ein­er kon­ser­v­a­tiv­en Tageszeitung schwärme, antwortet er, im Gegen­teil, dies habe ihn in seinen Überzeu­gun­gen nur bestärkt. Gegen­seit­ige Kri­tik sei eben sehr wichtig, um die Argu­men­ta­tion der eige­nen Texte zu verbessern. Dies decke sich dur­chaus mit der marx­is­tis­chen Prax­is der Kri­tik und Selb­stkri­tik. (Ist wohlge­merkt aus der Erin­nerung para­phrasiert; er hat es sich­er anders nuanciert.)

Mal abge­se­hen davon, dass ich Dath aufs Wort glaube, dass die Arbeit im FAZ-Feuil­leton angenehm und intellek­tuell bere­ich­ernd ist; Weit­er­lesen

Tragödie und Farce

Aus: Karl Marx — Friedrich Engels — Werke, Band 23, “Das Kap­i­tal”, Bd. I, Sieben­ter Abschnitt, S. 753 ff.

Der Fortschritt des 18. Jahrhun­derts offen­bart sich darin, daß das Gesetz selb­st jet­zt zum Vehikel des Raubs am Volk­sland wird, obgle­ich die großen Pächter neben­bei auch ihre kleinen unab­hängi­gen Pri­vat­meth­o­d­en anwen­den. Die par­la­men­tarische Form des Raubs ist die der “Bills for Inclo­sures of Com­mons” (Geset­ze für Ein­hegung des Gemein­de­landes), in andren Worten Dekrete, wodurch die Grund­her­rn Volk­sland sich selb­st als Pri­vateigen­tum schenken, Dekrete der Volk­sex­pro­pri­a­tion. Sir F. M. Eden wider­legt sein pfif­figes Advokaten­plä­doy­er, worin er das Gemein­deeigen­tum als Pri­vateigen­tum der an die Stelle der Feu­dalen getrete­nen großen Grun­deigen­tümer darzustellen sucht, indem er selb­st einen “all­ge­meinen Par­la­mentsakt für Ein­hegung der Gemein­delän­dereien” ver­langt, also zugibt, daß ein par­la­men­tarisch­er Staatsstre­ich zu ihrer Ver­wand­lung in Pri­vateigen­tum nötig ist, andr­er­seits aber von der Leg­is­latur “Schadenser­satz” für die expro­pri­ierten Armen fordert.

Während an die Stelle der unab­hängi­gen Yeomen ten­ants-at-will trat­en, kleinere Pächter auf ein­jährige Kündi­gung, eine servile und von der Willkür der Land­lords abhängige Rotte, half, neben dem Raub der Staats­domä­nen, namentlich der sys­tem­a­tisch betrieb­ne Dieb­stahl des Gemein­deeigen­tums jene großen Pacht­en anschwellen, die man im 18. Jahrhun­dert Kap­i­tal-Pacht­en oder Kauf­manns-Pacht­en nan­nte, und das Land­volk als Pro­le­tari­at für die Indus­trie “freiset­zen”.
[…]
In der Tat wirk­ten Usurpa­tion des Gemein­de­lands und die sie beglei­t­ende Rev­o­lu­tion der Agrikul­tur so akut auf die Acker­bauar­beit­er, daß, nach Eden selb­st, zwis­chen 1765 und 1780 ihr Lohn anf­ing, unter das Min­i­mum zu fall­en und durch offizielle Arme­nun­ter­stützung ergänzt zu wer­den. Ihr Arbeit­slohn, sagt er, “genügte nur noch eben für die absoluten Lebensbedürfnisse”.

Merke: ALGII-Auf­s­tock­er gab es auch schon im 18. Jahrhundert.