Lyrik XXII — Ko Un

Dass es nicht ganz leicht ist, Lyrik zu über­set­zen, haben wir hier schon mal erläutert. Im Fall ein­er Über­set­zung aus dem Kore­anis­chen ist es naturgemäß schwierig, ihre Güte zu beurteilen. Was die Über­set­zer von Ko Un, Woon-Jung Chei und Siegfried Schaarschmidt, in ihrem Nach­wort der deutschen Aus­gabe von Die Sterne über dem Land der Väter schreiben, klingt aber sehr ver­trauenser­weck­end, zumin­d­est nach skrupulös­er Arbeit am sprach­lichen Detail:

Woon-Jung Chei, die den Kon­takt zu ihrem Lands­mann aufgenom­men hat­te, sandte mir Stück für Stück ihre wörtliche Über­tra­gung nach dem kore­anis­chen Orig­i­nal; ich, der Japanologe, über­set­zte nach ein­er japanis­chen Fas­sung, erstellt von dem an ein­er Uni­ver­sität nahe Osa­ka lehren­den Kore­an­er Kim Hak-Hyon, und dann wurde eine jede Zeile disku­tiert, wurde um größte Genauigkeit bei den­noch gewährleis­teter Les­barkeit gerungen.

Inter­es­sant ist auch Woon-Jung Cheis kurze biographis­che Skizze, die auch die oppo­si­tionelle Hal­tung und damit die poli­tis­che Dimen­sion der Gedichte von Ko Un deut­lich­er wer­den lässt. Weit­er­lesen

Lektüre einer drei Wochen alten Zeitung, Teil 2

Weit­er gehts mit der Lek­türe der SZ vom 29./30. August. Ich über­springe großzügig ein paar Seit­en und finde mich im Woch­enendteil wieder. Auf der ersten Seite ste­ht hier ein wirk­lich­er sehr schön­er Text zum deutschen Ein­marsch in Polen 1939. Oliv­er Storz erin­nert sich an Hitlers Radioansprache an das deutsche Volk — und an die zynis­chen Kom­mentare eines gewis­sen Her­rn Kugler, eines dama­li­gen Nach­barn in Schwäbisch Hall. Kuglers Reak­tion auf Hitlers Kriegsverkün­dung: “Wer so schre­it, der kann net recht han.” Und später, 1941, inmit­ten der größten Kriegseuphorie:

Zulet­zt sah ich ihn, wenn ich mich recht erin­nere, an einem früh dunkel­nden Nach­mit­tag im Herb­st nach dem glo­riosen Ein­marsch der deutschen Wehrma­cht in Rus­s­land. Da war ich immer­hin schon zwölf und durfte dem Vater Dünn­bier holen im “Schwa­nen”. Die Rent­ner saßen am Stammtisch bei Lagege­spräch, und der Dinkel-Schorsch, Fahrzeug­wart der örtlichen NS-Kraft­sport­gruppe, sagte unter Anstren­gung fröh­lich: “Bis Wei­h­nacht­en sim­mer in Moskau!” Und der Herr Kugler, etwas exzen­trisch platziert, schaute den Fliegen zu und sagte: “Wenn aber’s Ben­zin net langt?” Und dies immer wieder, über die ganze halbe Stunde hin, die ich mich in der Wirtschaft rum­drück­te. Sobald ein Satz fiel, der sich nach Vor­marsch anhört: “Wenn aber’s Ben­zin net langt?”

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Lektüre einer drei Wochen alten Zeitung

Wenn man nach län­gerem Unter­wegs­sein nach­hause kommt, hat sich dort die abon­nierte Zeitung gestapelt, die Süd­deutsche in meinem Fall. Man kann also nachvol­lziehen, was in den ver­gan­genen Wochen passiert ist, oder eher: wie darüber berichtet wurde, was passiert ist. Und was man ver­passt hat.

Entschle­u­ni­gung. Ein Neol­o­gis­mus, der ganz so neo nicht mehr ist, aber erst in den let­zten Jahren an Pop­u­lar­ität gewon­nen zu haben scheint. Ist ja nicht so als müssten wir beweisen, dass wir wis­sen, wie das funk­tion­iert: die rapi­de entschle­u­nigte Fre­quenz des Erscheinens neuer Texte auf unserm Blog spricht ganz für sich. Aber eine andere prak­tis­che Übung in Sachen Entschle­u­ni­gung kön­nte so ausse­hen: just in dem Medi­um, von dem einem immer sug­geriert wird, hier sei die News von vor dem Nach­mit­tagsnick­erchen beim Aufwachen schon wieder old, die Zeitung von vor drei Wochen kom­men­tieren. Also zur Woch­enend-SZ vom 29./30. August! (Ich beschränke mich, damit es nicht völ­lig bescheuert wird, auf den feuil­leton­is­tis­chen Teil, der ja eh immer eine län­gere Halb­w­ert­szeit hat als Poli­tik und Sport.)
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…und noch ein Veranstaltungshinweis

Nee, was in der Cap­i­tale immer alles los is: die linken Buch­tage find­en ja auch an diesem Woch­enende statt (im Mehring­hof, Gneise­naus­tr. 2a, Kreuzberg). Viele inter­es­sante Ver­anstal­tun­gen ste­hen auf dem Pro­gramm, genaueres find­et sich hier.

Die deutsche Art

»Aber ich bitte Sie«, antwortete ich ihm, »es ist ja noch nicht aus­gemacht, was garstiger ist: das rus­sis­che wüste Wesen oder die deutsche Art, durch ehrliche Arbeit Geld zusam­men­zu- bringen.«

»Was für ein sinnlos­er Gedanke!« rief der General.

»Ein echt rus­sis­ch­er Gedanke!« rief der Franzose.

Ich lachte; ich hat­te die größte Lust, sie bei­de ein bißchen zu reizen.

»Ich mein­er­seits«, sagte ich, »möchte lieber mein ganzes Leben lang mit den Kir­gisen als Nomade umherziehen und mein Zelt mit mir führen, als das deutsche Idol anbeten.«

»Was für ein Idol?« fragte der Gen­er­al, der schon anf­ing, ern­stlich böse zu wer­den. Weit­er­lesen