Lyrischer Adventskalender 24 — Wenzel

IM SCHLAF BEISST DU den tag fest
auf die zähne und mahlst die nächte
zu je einzel­nen sekun­den die im ticken
des weck­ers im knack­en des kiefers

ver­wit­tern während du noch kaust ohne
zu schluck­en und noch nächt­ens nagst an
aller­lei gestrigem: an die knochen gehende
geschicht­en von vater von mut­ter vom rande

knack­en die kiefern und nehmen den schlaf
auseinan­der das holz von dem es heißt
es arbeite nachts während du dich drehst
gibt das bett etwas nach im knirschen

reib­st du den schmelz von den träumen
und du erwachst im mund noch
einen beigeschmack von holz: von kiefer

(Christoph Wen­zel, 2009)

Lyrischer Adventskalender 23 — Kehle

Nichts weiß ich vom

Groß­vater Scharfschütze
sei er im Krieg gewesen

Ein­mal zeigte er auf
einen Hauben­tauch­er im Zoo
und sagte Peng

Hin­ter­lassen hat er
ein Spanholzschächtelchen

darin einen Faden­zäh­ler und
ein winziges Stück Gold

eingewick­elt in ein
Straf­man­dat (Leipzig 1947)

(Matthias Kehle, 2008)

Lyrischer Adventskalender 22 — Cotten

Ingeniös, begriffen

Ist alles kalt und brüchig.
Alles ist längst verstanden.
Die Luft beste­ht aus Kanten,
Win­ter aus seinen Rändern.

Wir sitzen in Gewändern,
wir sitzen gegenüber,
ich spiele mit Streichhölzern,
Bierdeck­eln und Papieren.

Das Spiel mit deinen Augen
habe ich fall­en lassen.
Der Win­ter wird nur kälter
wenn man noch weiß, was warm ist.
Wenns kein Ver­gle­ichen gibt
veren­det man im Erträglichen. Weit­er­lesen

Lyrischer Adventskalender 21 — Elze

im fallenwald

wir fliegen in die net­ze ja wie vögel von den wänden
wie die fliegen fall­en wir ja wie die füchse gehen wir
ja in die fall­en wie die bären wie frau reh herr hirsch
(ungeziefer unterirdisch untertage übern­immt uns)
wir flat­tern ja noch zap­peln ja noch bellen hier & da
brum­men blöken da & dort wald & wiesen feldreport
es nützt ja nichts es hil­ft ja nichts es kommt ja nichts
mehr dabei raus; der jäger kommt zu angesicht
vielle­icht ja noch vielle­icht auch nicht zu fliege fuchs
zu vogel bär zu frau & herr im netz im wachs im fallenwald
die schnap­pen ja solang es geht nach guter guter luft.

(Carl-Chris­t­ian Elze, 2006; via)

Lyrischer Adventskalender 20 — Altmann

fabrik gelände

der weg ver­liert seine spuren unter den sträuchern.
vielle­icht bin ich der einzige, der ihn noch geht.

das lockere holz der bäume klopft gegen den wind,
der es ver­streut. die nahe fab­rik ist geräumt. und

die mauern begin­nen, sich ein geheim­nis zu suchen.
es wird erzählt, sie haben maschi­nen im see versenkt.

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