random picture
Mikalojus Konstantinas Čiurlionis, FUGE, 1908
Mikalojus Konstantinas Čiurlionis, FUGE, 1908
Ausstellungen, die mich restlos begeistert hätten, habe ich dieses Jahr kaum gesehen. Gut gefallen hat mir Constantin Wallhäusers Show Das Orchester im Espace Surplus Le Grand. Am schönsten war aber der Besuch der Sammlung außereuropäischer Kunst im Rietberg Museum in Zürich. Da sind bezaubernde chinesische Tuschzeichnungen und japanische Drucke und indische Skulpturen zu sehen.
Mein Lieblingsbild trägt den Titel “Heftiger Gewitterregen” und stammt aus der Edo-Zeit (ca. 1857) und aus der Serie “Hundert Ansichten von Edo” von Andô Hiroshige (1797–1858). Ich liebe an diesem Bild einfach alles: den dichten Regen, der aussieht wie im klassischen Kino, die matten Farben, den schrägen Horizont, die Brücke, die ins Nichts zu laufen scheint, und die verdeckten, über die Brücken eilenden Figuren.
Obwohl ja schon diverse ältere Fotografien in unserem Adventskalender eine starke künstlerische Gestaltung aufwiesen, hat sich die «Kunstfotografie» als stehender Begriff erst im ausgehenden 19. Jahrhundert durchgesetzt. Es ist kein Zufall, dass sich die damit in Zusammenhang stehenden Bilder von Heinrich Kühn stark an eine Ästhetik der Malerei anlehnen. Ihren Kunstwert — ihre Legitimation als Kunst — beziehen sie aus einer Anschmiegung an Bildgestaltungskonzepte, die aus dem Impressionismus stammen. Tatsächlich erinnern manche Fotos von Kühn bis in die Motivik hinein an Gemälde von Monet und anderen Impressionisten. Seltsam antizipiert die Kunstfotografie Kühns, die ihre stilistischen Parameter der Malerei entlehnt, den Fotorealismus, der jene Geste im späten 20. Jahrhundert — und damit unter einer komplett veränderten kunstdiskursiven Konfiguration — umdreht und die Fotografie zum Maß des Gemalten werden lässt.
[Die abgebildete Fotografie ist nicht datiert; bei der Jahresangabe handelt es sich um (m)einen Schätzwert.]
Zunächst mag man das für eine recht bescheuerte Idee halten: über Monate hinweg mit großer Mühe um Detailtreue ein Ölbild zu malen, das am Ende aussieht wie ein Foto. Oder für einen mehr oder minder gelungenen kunstdiskursiven Gag zur Verdrängung der gegenständlichen Malerei durch die Fotografie. Wenn man die Bilder dann aber sieht, wozu sich momentan noch für eine Woche im Berliner Guggenheim die Gelegenheit bietet — und am morgigen Montag zum letzten Mal für lau -, bekommt man eher den Eindruck, dass es sich in manchen Fällen um veritable (wenn auch recht unbekannte) Meisterwerke der Malerei des 20. Jahrhunderts handelt.