Bilanz 2013 Mein Bild des Jahres

Ausstel­lun­gen, die mich rest­los begeis­tert hät­ten, habe ich dieses Jahr kaum gese­hen. Gut gefall­en hat mir Con­stan­tin Wall­häusers Show Das Orch­ester im Espace Sur­plus Le Grand. Am schön­sten war aber der Besuch der Samm­lung außereu­ropäis­ch­er Kun­st im Riet­berg Muse­um in Zürich. Da sind beza­ubernde chi­ne­sis­che Tuschze­ich­nun­gen und japanis­che Drucke und indis­che Skulp­turen zu sehen.

Mein Lieblings­bild trägt den Titel “Heftiger Gewit­ter­re­gen” und stammt aus der Edo-Zeit (ca. 1857) und aus der Serie “Hun­dert Ansicht­en von Edo” von Andô Hiroshige (1797–1858). Ich liebe an diesem Bild ein­fach alles: den dicht­en Regen, der aussieht wie im klas­sis­chen Kino, die mat­ten Far­ben, den schrä­gen Hor­i­zont, die Brücke, die ins Nichts zu laufen scheint, und die verdeck­ten, über die Brück­en eilen­den Figuren.

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Fotografischer Adventskalender 10 (Kühn, 1910)

Obwohl ja schon diverse ältere Fotografien in unserem Adventskalen­der eine starke kün­st­lerische Gestal­tung aufwiesen, hat sich die «Kun­st­fo­tografie» als ste­hen­der Begriff erst im aus­ge­hen­den 19. Jahrhun­dert durchge­set­zt. Es ist kein Zufall, dass sich die damit in Zusam­men­hang ste­hen­den Bilder von Hein­rich Kühn stark an eine Ästhetik der Malerei anlehnen. Ihren Kunst­wert — ihre Legit­i­ma­tion als Kun­st — beziehen sie aus ein­er Anschmiegung an Bildgestal­tungskonzepte, die aus dem Impres­sion­is­mus stam­men. Tat­säch­lich erin­nern manche Fotos von Kühn bis in die Motivik hinein an Gemälde von Mon­et und anderen Impres­sion­is­ten. Selt­sam antizip­iert die Kun­st­fo­tografie Kühns, die ihre stilis­tis­chen Para­me­ter der Malerei entlehnt, den Foto­re­al­is­mus, der jene Geste im späten 20. Jahrhun­dert — und damit unter ein­er kom­plett verän­derten kun­st­diskur­siv­en Kon­fig­u­ra­tion — umdreht und die Fotografie zum Maß des Gemal­ten wer­den lässt.

[Die abge­bildete Fotografie ist nicht datiert; bei der Jahre­sangabe han­delt es sich um (m)einen Schätzwert.]

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Die Eisenwalze, Adolph von Menzel, 1872-75, Öl auf Leinwand, Alte Nationalgalerie Berlin

Die Eisen­walze, Adolph von Men­zel, 1872–75, Öl auf Lein­wand, Alte Nation­al­ga­lerie Berlin

Fotorealismus

Zunächst mag man das für eine recht bescheuerte Idee hal­ten: über Monate hin­weg mit großer Mühe um Detail­treue ein Ölbild zu malen, das am Ende aussieht wie ein Foto. Oder für einen mehr oder min­der gelun­genen kun­st­diskur­siv­en Gag zur Ver­drän­gung der gegen­ständlichen Malerei durch die Fotografie. Wenn man die Bilder dann aber sieht, wozu sich momen­tan noch für eine Woche im Berlin­er Guggen­heim die Gele­gen­heit bietet — und am morgi­gen Mon­tag zum let­zten Mal für lau -, bekommt man eher den Ein­druck, dass es sich in manchen Fällen um ver­i­ta­ble (wenn auch recht unbekan­nte) Meis­ter­w­erke  der Malerei des 20. Jahrhun­derts handelt.

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