Trump und die Folgen Der antifaschistische Imperativ
Man will sich derlei Anrufungen als (gefühlt) souveränes Subjekt ja eigentlich entziehen. Du musst! Ich muss gar nichts. Doch ich muss.
Ich hatte eigentlich vor, sobald es die Lohnarbeit (Forschung & Karriere) wieder erlaubt, mich mal mehr mit Shakespeare zu beschäftigen. Gerade lese ich zum Einschlafen, auf dem Klo, auf Zugfahrten Frank Günthers Unser Shakespeare. Die neuen Übersetzungen von sechs Stücken durch Schanelec & Gosch warten noch ungelesen im Regal auf mich.
Den Zumutungen der Lohnarbeit (Forschung & Karriere) kann und will ich mich nicht entziehen, aber die knappe restliche Zeit werde ich nun anders verbringen müssen. Shakespeare muss warten.
Der Sieg von Trump hat mich erwischt wie ein Faustschlag aus dem Nichts. Ich weiß, dass sich kluge Genossinnen schon seit ein paar Jahren wieder verstärkt dem Thema (Neo-)Faschismus zugewendet haben. Ich gebe zu, dass ich davon, trotz aller alarmierender Zeichen, nichts wissen wollte. Aber jetzt führt daran kein Weg mehr vorbei. Seit Mittwoch morgen hört mein Kopf nicht auf sich zu drehen, ich denke permanent darüber nach, ich schlafe schlecht und denke, wenn ich früh morgens aufwache, als erstes an Trump. Das liegt daran, dass ich davon überzeugt bin, dass er ein waschechter Faschist ist; dass er versuchen wird, ein faschistisches Regime zu errichten; dass er eine entsprechende Administration einsetzen wird; dass sich dieses Projekt aber erst nach und nach wirklich für alle unmissverständlich als solches entpuppen wird; dass deshalb das ganze Appeasement, das uns in den nächsten Monaten bevorsteht, reine Augenwischerei und aus linker und demokratischer Sicht kontraproduktiv ist.
Warum glaube ich, dass Trump weder eine “Black Box” (“wir wissen ja gar nicht, was er vorhat”) noch nur ein “Populist” ist? Weil wir eben doch wissen, was er vorhat. Er hat es oft genug wiederholt. Er will keine Moslems mehr ins Land lassen und vielen von denen, die in den USA leben, wieder los werden. Ein solcher Präsident wird Pogrome nicht nur nicht verhindern. Er schürt sie.
Er will eine Mauer errichten und die Migration von Mexikanerinnen verhindern. Ob und wann die Mauer kommt, ist nebensächlich. Worum es geht, ist die Grenze “zu sichern”. Er wird Schießbefehle erteilen. Er wird Menschen umbringen lassen.
Sein Wirtschaftsprogramm ist neoliberaler Staatskapitalismus. Das ist zwar eigentlich ein Oxymoron; in der Praxis gibt es dafür aber mehr oder weniger erfolgreiche Vorbilder: China und Russland. Der Sieg Trumps verdankt sich nicht zuletzt dem Versprechen von protektionistischen Maßnahmen (zusammen gefasst in der Formel “Americanism instead of Globalism”). Der tiefgreifenden und medial kaum reflektierten Krise des Kapitalismus, die sich vor allem an den massiven Verwerfungen in den unteren Schichten und an der Prekarisierung der Mittelschicht zeigt, will Trump durch nationalistischen Protektionismus begegnen. “America first” heißt aber auch: Das Ergehen aller anderen Menschen in allen anderen Ländern interessiert uns nicht. Das wird entsprechende Konsequenzen haben, z.B. Handelskriege, die bei Bedarf oder einfach aus einer diabolischen Dynamik heraus, in echte Kriege verwandelt werden. (Was Trump vom Einsatz von Atomwaffen hält, wissen wir übrigens auch.)
Kann das Programm des neoliberalen Staatskapitalismus funktionieren? Jein. Die Trump-Adminstration wird alles daran setzten, dass es aus der Perspektive der von den Verwerfungen Betroffenen so aussieht als ob. Etwa durch staatliche Konjunkturprogramme (Autobahnen bauen etc., kennen wir ja), die Menschen “in Arbeit bringen”. Wo es nicht funktioniert, werden Schuldige gefunden werden, die die Verbesserungen angeblich sabotieren. Das werden die liberalen Mainstreammedien, die linken Intellektuellen, die Mexikanerinnen und Muslimas sein. Das gute alte Prinzip des Sündenbocks, das im postfaktischen Zeitalter noch besser funktionieren wird als eh schon eh und je.
Trump hat keinerlei demokratische Skrupel. Der signifikanteste Moment seiner “versöhnlichen” Victory Speech war dieser:
As I’ve said from the beginning, ours was not a campaign, but rather an incredible and great movement made up of millions of hard-working men and women who love their country and want a better, brighter future for themselves and for their families.
Es geht nicht um die Mehrheit bei Wahlen. Es geht um eine nationalistische Bewegung. Symptomatisch war auch seine Reaktion auf die ersten Proteste:
Just had a very open and successful presidential election. Now professional protesters, incited by the media, are protesting. Very unfair!
Auch das ist ein bekanntes Muster. Proteste werden nicht als legitimes Mittel der Demokratie, als Möglichkeit der Menschen, ihren Unmut zu bekunden, verstanden und respektiert, sondern als unsportlich und obendrein von außen (entweder aus dem Ausland oder wie hier von den Medien) gesteuert diskreditiert. Keine Frage: So wird es weitergehen.
Wenn es also stimmt, dass Trump ein Faschist ist, schließen sich einige Fragen an. Warum ist der Neo-Faschismus so erfolgreich? Denn Trump ist ja nicht der erste. Bereits an der Macht sind: Putin in Russland, Erdogan in der Türkei, Orban in Ungarn, die PiS in Polen, Al-Sissi in Ägypten etc.. In Frankreich wird nächstes Jahr aller Voraussicht nach Le Pen gewählt. Eine Erklärung dafür müsste weiter ausholen und besser abgesichert sein, als das, was ich im folgenden leisten kann. Überzeugt bin ich aber, dass der neue globale Faschismus nur als Antwort auf die vom neoliberalen Regime verschärfte Krise des Kapitalismus verständlich ist. Erfolgreich ist er, weil die anderen beiden möglichen Antworten auf diese Krise – kommunistische Radikaltransformation und sozialdemokratische Umverteilungspolitik – die meisten Menschen aus verschiedenen Gründen nicht überzeugen. Der Kommunismus ist zum einen durch den dysfunktionalen und autoritären Staatssozialismus desavouiert, zum anderen fehlen den Modellen des neuen Kommunismus selbst im linken und linksradikalen Lager überzeugte Unterstützerinnen sowie mediale Aufmerksamkeit. Kurz gesagt: Momentan glaubt kaum jemand an den Kommunismus als real-mögliche Alternative. Die Sozialdemokratie auf der anderen Seite bietet kein überzeugendes Gegenmodell zum Faschismus an, weil sie sich in den Zeiten der neoliberalen Hegemonie (ca. 1988–2008) als dieser gegenüber hoffnungslos wehrlos, als komplett prinzipienlos erwiesen hat. (Die Leute haben das verstanden: Die Dezimierung der SPD von strukturell zwischen 35 und 40 auf 20 bis 25% nach der Agenda 2010 ist dafür sichtbarer Ausdruck.) Die “Sozialdemokraten” dieser Jahre (Clinton, Blair, Schröder, Zapatero etc.) haben sich als die besten Exekutoren des neoliberalen Programms erwiesen und sind insofern für den Neofaschismus mit verantwortlich.
Der Erfolg des neuen Faschismus ist also, so sehr er in Einzelfällen wie ein Betriebsunfall aussieht, recht logisch. Aber was ergibt sich daraus?
Damit wäre ich beim Anfang des Textes, dem Imperativ. Spätestens mit dem Sieg Trumps ist die Weltordnung eine neue, sie ist eine in großen Teilen faschistische. So ärgerlich es ist: Für uns andere ist dies nun die Zeit des Antifaschismus. Wir können uns unseren Zeitvertreib nicht mehr frei aussuchen. Wir haben zu tun. Wir müssen uns ein besseres Verständnis des Phänomens erarbeiten, wir müssen wirksame Gegenstrategien entwickeln. Wir müssen kurz- und mittelfristig am Aufbau einer antifaschistischen Front arbeiten, einer Front, die alle antifaschistischen Kräfte von ganz links bis ins humanistisch-konservative Lager einbindet. Mittel- und langfristig müssen wir endlich wieder an der Abschaffung des Kapitalismus arbeiten. Solang es ihn gibt, wird es Krisen geben, wird es den Faschismus geben.