Ein Blick in den Blick: News von nebenan, kolportiert durch das Zürcher Boulevardblatt:
«Gegen 18 Uhr gestern Abend ging der Anruf bei der Polizei ein: Auf der Waffenplatzstrasse stehe ein Mann auf dem Kran, hiess es. Sofort rückten die Einsatzkräfte aus. Die Strasse wurde abgesperrt. Die ganze Nacht über harrte der Ungar im Kran aus. Jetzt sitzt er noch immer da. Stundenlang führten Spezialkräfte der Polizei Gespräche mit dem Mann, sagte Polizei-Sprecher Marco Cortesi. Doch was der Mann will, sei noch immer unklar. Er habe weder «eine politische Botschaft, noch Selbstmordabsichten». Er wolle nur einfach nicht vom Kran hinuntersteigen.»
So neu ist das allerdings auch nicht. In Zürich scheint das Besteigen von Kränen ein beliebtes Hobby von eher weniger beliebten (weil «ausländischen», oder, noch schlimmer: «Asyl suchenden») Mitbürgern zu sein: Nachdem im Mai letzten Jahres ein mutiger (oder eher lebensmüder) Rumäne den 35-Meter-Kran beim Prime-Tower erklomm, kletterte im September «schon wieder ein Kranbesetzer» auf einen Kran, rief auf Transparenten zu mehr Respekt gegenüber Asylanten auf, und bewarf die Polizei mit Rosen — was für eine nette Geste gegen die mangelnde Gastfreundschaft!

Der Schweizer Fotograf René Burri, Jahrgang 1933, ist vor allem durch sein Che Guevara Portrait von 1963 bekannt geworden, das Che Zigarre rauchend im Ministerium der Industrie in Havanna zeigt. Doch schon mit seiner Reportage über eine Spezialschule für taubstumme Kinder (School for deaf mute children), aus der das Bild oben stammt, erlangte er internationale Anerkennung. Das Bild zeigt die musikalische Erziehung taubstummer Kinder: die Kinder nehmen die Vibrationen der Musik wahr. Die Tamborine, die sie halten, verstärken die Töne eines Klaviers.
Im Jahr 1959 tritt Burri der berühmten Fotoagentur Magnum bei, die 1947 von Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, David „Chim“ Seymour und George Rodger gegründet wurde und auch heute noch einige der wichtigsten Fotografen, insbesondere aus dem Bereich Reportage vertritt. Es lohnt sich also mal durch die Website der Agentur zu stöbern.
Man kann sich über unsere Nachbarn nur wundern. Nicht nur werden in der Schweiz Jahr für Jahr Gesetzesvorschläge über Volksentscheide legitimiert, die eine klare Benachteiligung von Minderheiten mit sich bringen — nach dem Minarettverbot des letzten Jahres nun die “Ausschaffung” straffälliger Nicht-Schweizer (siehe PLinks KW 47/10). Diese schon sprachlich absurd klingenden Ideen kommen dann auch noch zu linguistischen Ehren! Das Wort des Jahres (ja, nicht das Unwort!) 2009 war — richtig — Minarettverbot. Das Wort des Jahres dieses Jahr: “Ausschaffung”.
Das schweizer Unwort des Jahres 2010 wirkt dagegen direkt niedlich: kritisiert wird von der “Aktion Wort des Jahres” das Wort “FIFA-Ethikkommission” wegen der darin impliziten Münchhausentat: Die FIFA gibt vor sich am eigenen Schopfe aus dem hausgemachten Korruptionssumpf zu ziehen. Der Schweiz dagegen will es wohl nicht gelingen sich selbst aus dem rechtsdrehenden Strudel zu retten, der sie erfasst hat. Passend dazu der Satz (!) des Jahres 2010 aus der Schweiz: “Die Schweiz ist eine frustrierende Alpen-Demokratie.” Und auch noch stolz drauf. (Quelle)