PLinks KW 12/11 Das Schöne

Weil wir mit unseren beschei­de­nen Mit­teln und knap­pen Zeitre­sourcen dem sich in alle Rich­tun­gen über­schla­gen­den Welt­geschehen ja ohne­hin nicht mehr beikom­men kön­nen, ver­suchen wir es erst gar nicht, und ver­linken ein­fach Belan­gloseres — aber Schöneres:

1. das schön­ste Weblog im deutschsprachi­gen Netz (das keins sein will)

2. das Blog mit dem schön­sten Untertitel

3. einen sehr schö­nen Text von Diedrich Diederich­sen — diesen vor allem weil es mir, mit dem Fahrrad unter­wegs im Berlin­er Stadtverkehr, pein­licher­weise oft ganz genau­so geht oder ging wie D. Diederich­sen — ich mir mein eigenes Fahrrad­naz­i­tum aber nie so schön explizieren kon­nte (via).

Anson­sten kann man ja auch noch anderes lesen als Inter­net, wie ich z.B. die durchgängig empfehlenswerte, sehr schön gestal­tete und preis­gün­stige Rei­he Argen­tinis­ch­er Lit­er­atur im Wagen­bach-Ver­lag. Und auch son­st alles von Aira.

Die Moral der Form (I): Romuald Karmakar

Romuald Kar­makars Herange­hensweise an die Real­ität der Hand­lun­gen ist phänom­e­nol­o­gisch-erkun­dend. Die Phänomene wer­den kom­men­tar­los zum Sprechen gebracht, bis sie sich selb­st kom­men­tieren. Alexan­der Hor­wath spricht von einem „gereizten Fremd­heits­ge­fühl“, aus dem sich Kar­makars dis­tanziert­er, beobach­t­en­der, immer jedoch: insistieren­der Blick – vor allem auf Deutsch­land – speist. Zwis­chen Blick und Bild schiebt sich eine gläserne Wand, die den Blick davor bewahrt, dem Gegen-Stand zu ver­fall­en. Die Kam­era ist nie Teil der porträtierten (Lebens-)Welt, sie bewegt sich – mit Wittgen­stein for­muliert – an der Gren­ze dieser Welt. Ger­ade wegen dieser sturen Kom­men­tar- und Teil­nahm­slosigkeit wird der Zuse­her sehr unver­mit­telt auf die Materie gestoßen, gezwun­gen, sich in Posi­tion zu set­zen. Das Sujet erhält (zu) viel Raum, sich aufzu­drän­gen, weh zu tun, sich dar- und bloßzustellen. Dieser Raum ist allerd­ings genauestens definiert, kadri­ert. Kar­makar bringt die gestal­ter­ischen Mit­tel auf einen Nullpunkt des Kaum-Vorhan­den­seins, um sie von dort aus neu zu definieren.

hamburger-lektionen

Mit Roland Barthes kann von ein­er „Moral der Form“ gesprochen wer­den, an der Kar­makar kon­se­quent arbeit­et: Diese ist eigen­willig und indi­vidu­ell, fügt sich keinem nor­ma­tiv­en Druck, bleibt aber auf ihre Weise an die Gesellschaft rück­ge­bun­den und übern­immt Ver­ant­wor­tung. Die Moral der Form ist ein „Kom­pro­miß zwis­chen Frei­heit und Erin­nerung“, eine sich erin­nernde Frei­heit, „Frei­heit in der Geste der Wahl“. Bei Kar­makar wird jed­er Schnitt, jede Schriftein­blendung, jed­er Per­spek­tiven­wech­sel zu ein­er Geste der Ver­ant­wortlichkeit, zum Aus­druck ein­er getrof­fe­nen Wahl. Ger­ade aus dieser selb­st aufer­legten Beschränkung schöpfen seine Filme ihre Möglichkeit­en, ihre Energie, ihre Ner­vosität, ihre Radikalität.

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