12.01.2011
Nach der Busfahrt zum Praia 15 herumgeirrt, Umwege gemacht, durch verfallende, klassizistische Kolonialfassaden den durchbrechenden Urwald fotografiert. Hilflos nach dem Weg gefragt. Schlussendlich alles gefunden, spotbillige Karten für die Fähre nach Niteroi gekauft, um in Niemeyers Museum für zeitgenössische Kunst zu gehen. In der Sonne ca. 38°C. Von gestern kein Kater mehr zu spüren, trotz des späten Ingwer-Cachacas in Lapa, einem riesigen, für europäische Verhältnisse absolut unvorstellbar heterogen gefüllten Partyviertel. Erhebliches Gentrifizierungspotential gesehen, das bei der WM 2014 wohl oder übel geweckt werden wird. Als wir nach einigem sinnlosen Rumgelaufe und Eindruckgesammele noch ein letztes Bier tranken, ist mir erst der Straßenfestcharakter des Stadtteils bewusst geworden. Auf dem Rückweg zum Taxi, halb durch Cachaca, halb durch die entgegen wogenden, knapp bekleideten Leiber den tropischen Lebenssinn vielleicht zum ersten Mal erahnt.
von zeit zu zeit werden hochkonkurrierende spezialarbeiter namens fußballprofis nach leistungs- und staatsangehörigkeitskritierien zusammengewürfelt und in repräsentativer absicht als nationale elfen gegeneinander aufs feld geschickt. wer trotz dieser unschönen ausgangsbedingungen freude daran empfindet, sich die mitunter sehenswerten ballkünste anzuschauen, ist gezwungen, sich mit den patriotischen motiven dieser veranstaltung auseinanderzusetzen. der hierzulande mit deutschland- und bierfahne zelebrierte fußballnationalismus, der stets ein besonderer bleibt, weil er nicht nur “deutsche siege” feiert, sondern immer auch das recht der deutschen auf von den verbrechen des nationalsozialismus unbelasteten nationalen taumel reklamiert, macht auch vor der fernsehmoderation nicht halt, während die drastischen auswirkungen der wm im ausrichtenden land kaum eine meldung wert sind. so auch in diesem sommer, so auch im bezug auf südafrikas gegenwart und geschichte wie z.B. den support von wm-sponsor daimler benz für das regime der apartheid. um den freundinnen und freunden einer nationenfreien welt aber wenigstens vor den bildschirmen eine umgebung mit zivilisatorischen mindeststandards zu schaffen, bietet der garten des ://about blank (markgrafendamm 24 c // 10 245 berlin // s‑bhf ostkreuz) für alle spiele eine antinationale oase, inklusive bar, cocktails, grill und panini-bilder tauschbörse.
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