Griechenland in deutschen Medien Der Piller und der Propagandakrieg

Auch an der Kom­mu­nika­tions­front tobt ein Pro­pa­gan­dakrieg, der den medi­alen Schlacht­en des vorigen Jahrhun­derts gle­icht: Dämon­isierung und Diskred­i­tierung des Geg­n­ers sowie Desin­for­ma­tion. Eine wesentliche Rolle spie­len dabei die deutschen Massen­me­di­en, darunter auch ser­iöse wie der «Spiegel» und die «Süd­deutsche Zeitung». Wer auch immer – wie etwa Finanzmin­is­ter Yanis Varo­ufakis – den Mund aufzu­machen wagt, wird als «Chaot» und «schräger Vogel» beschimpft. Jede Mass­nahme der Athen­er Regierung – und sei sie wie im Fall der Nothil­fe­mass­nah­men für Arme und Obdachlose noch so human­itär – wird gegeis­selt, nur weil sie nicht den Aufla­gen der Kred­it­ge­ber entspricht.

Am 7. Mai, als dieser lesenswerte Artikel in der WOZ erschien, kon­nte man vielle­icht noch der Mei­n­ung sein, “Pro­pa­gan­dakrieg” sei ein biss­chen dolle in der Wort­wahl, Weit­er­lesen

Zur 1:12-Initiative So ein Unsinn!

«Man muss ver­dammt jung und blauäugig sein, um so einen Unsinn vorzuschla­gen», sagt Rue­di Noser (nicht nur «Self­made­man», son­dern auch noch FDP-Nation­al­rat und Suc­cé­Su­isse-Grün­der – der Mann scheint zu viel Zeit zu haben) im WOZ-Inter­view. Mit dem «Unsinn» ist die 1:12-Initiative gemeint, die vor­sieht, dass das höch­ste Gehalt in einem Unternehmen nur zwölf mal höher sein darf als das niedrig­ste. Eine «blauäugige», eine «extreme Forderung» ist das in Nosers (braunen?) Augen. 

Und recht hat er, wenn auch ganz anders, als er denkt. Dass manche Men­schen für den gle­ichen Ver­schleiß an Arbeit­skraft und Leben­szeit zwölf mal mehr Geld ver­di­enen sollen als andere – und das unter oft viel angenehmeren Bedin­gun­gen (z.B. großer Schreibtisch zum Füße drauf leg­en & Sekretäre, die auf Zuruf Kof­feingetränke her­beis­chaf­fen) – das ist in der Tat eine ganz schön extreme Forderung. Kön­nen die sich nicht vielle­icht mal mit zehn mal mehr zufrieden geben? Oder vielle­icht acht mal mehr? Immer noch ziem­lich extrem, wenn man sich das in Gütern zurecht denkt (denn die Kohle verkör­pert ja let­ztlich poten­ziellen Kon­sum, was son­st): Der eine Men­sch darf zum Früh­stück ein Brötchen essen, der andere acht, der eine eine Tasse Kaf­fee trinken, der andere acht. Dann geht der eine zum Zäh­neputzen in sein 10 m2 großes Bad, der andere in seine 80m2-Luxus­badesuite, legt sich noch eine Runde in eins sein­er acht Bet­ten und geht dann zu seinen acht Klei­der­schränken um sich acht paar Sock­en anzuziehen. Ein biss­chen viel, oder? Acht Paar Sock­en! So gese­hen ist die Forderung nach acht mal mehr Geld also immer noch ziem­lich extrem. Eventuell würde es dop­pelt so viel auch tun. Wobei die am wenig­sten extreme Forderung natür­lich die nach gle­ichem Gehalt für alle wäre.

Noser wird ein­wen­den, dass dieses blauäugige Räson­nement von den Bedin­gun­gen absieht, unter denen auf dem freien Markt die Preise für den Verkauf von Arbeit­skraft fest­gelegt wer­den. Offen­bar ist der Ver­schleiß von Leben­szeit und Arbeit­skraft manch­er Men­schen nun ein­mal zwanzig (oder mehr) mal soviel wert wie der von anderen. Zum Beispiel die beson­deren Skills, sich zu ver­rech­nen und zu ver­spekulieren oder anderen Men­schen Befehle zu erteilen und ihnen dann aus betrieb­s­be­d­ingten Grün­den zu kündi­gen, sind rar gesät und daher teuer. 20 oder 40 mal so teuer wie ein­fache Han­dar­beit, hat der Markt fest­gestellt. Und wenn der Markt das sagt, wer wird da wider­sprechen wollen?

Den­noch wider­sprechen zu wollen, ist ein unbe­stre­it­bar­er Vorzug der 1:12-Initiative. Sie nimmt die gegebe­nen Bedin­gun­gen nicht als gottgegebene hin. Sie repoli­tisiert einen Gesellschafts­bere­ich, der allzu oft als natur­wüch­sig und nach mark­tlib­eralem Cre­do als unan­tast­bar gilt. Das ist der Grund, aus dem sich die Nosers so davon provoziert fühlen. Bei Licht betra­chtet ist die 1:12-Initiative zwar Unsinn und vor allem viel zu extrem, aber in der Schweiz stimm­berechtigte Men­schen, die keine Self­mademän­ner oder FDP-Nation­al­räte sind, soll­ten den­noch für sie stim­men. Sie ist ein klein­er Schritt in die richtige Rich­tung und ihr Erfolg wäre ein biss­chen bess­er als nix.