Offenbar ist der Technoguru und Internetskeptiker (FAZ) Jaron Lanier auch Denkskeptiker. Anders lässt sich sein selbstgerechtes Geraune wohl kaum erklären. Wie er zu dem Mensch-Hund-Vergleich gelangt? Solche Fragen stellt man nur wider besseres Wissen oder in Unkenntnis der zahlreichen Interviews, die der Internetpionier (SZ) in der verzweifelten Hoffnung, jemand möge doch sein kaum relevant zu nennendes Buch erwerben, der bürgerlichen Presse gibt. So schlägt er mit den ewig gleichen, ewig langweilenden Thesen am 17. Jänner zuerst bei der FAZ [1]auf, am 24. bei der Süddeutschen [2]und am 25. schließlich bei SpOn [3]. Und immer geht es darum, dass das Internet ein Ding ist, in dem marodierende Mobs durch die Gegend ziehen (“Deshalb habe ich ernsthaft Sorge, dass es eines Tages zu einem gefährlichen Mob-artigen Ausbruch im Internet kommen wird.” Oh no! What should we do about it? The mob is in the interweb!!1! We’re totally helpless! May god have mercy with us all!), die dunklen “Lords der digitalen Wolke” alles beherrschen wollen und der in den USA als Schreckgespenst mit Sicherheit noch funktionierende Kommunismus in Form eines digitalen Maoismus grassiert.
Die Frage, die sich spätestens jetzt jeder vernunftbegabte Mensch stellt, lautet: Wenn das Feuilleton der FAZ einen 50jährigen Siff-Punk interviewt, der dazu auch noch so einen Unsinn erzählt, dass selbst eine halbseitig gelähmte, neurotische Katze sich an die Stirn schlagen möchte, warum werden dann die Gedanken, die ich neulich kurz vor dem Einschlafen hatte, nicht als doppelseitiges Feature gebracht?
Laniers Argument: Die Propaganda der Verleger vertreten, selbst aber keiner sein. Deus ex machina. Beispiele gefällig?
Vielleicht müssen wir Monopole zerschlagen, so dass wir beispielsweise nicht mehr nur ein Google haben, sondern mehrere.
Klingt eigentlich harmlos. Bis man sich daran erinnert [4], dass die Verleger Beschwerde gegen Google beim Kartellamt eingelegt haben.
Inzwischen glaube ich, dass es langfristig für alle besser wäre, wenn geistige Erfindungen bezahlt würden.
Mittlerweile sind die ersten Springer-Angebote kostenpflichtig. Was ist eigentlich mit den paar Milliarden Menschen, die gar kein Geld haben, um für geistige Erfindungen zu bezahlen? Ist das für die langfristig eigentlich auch besser?
Wenn der Computerpionier (Spiegel) nur stramm die Linie der Content-Industrie verträte, es wäre zu verkraften, evtl. gar möglich, sein unerträgliches Geschwätz zu ignorieren. Aber nein, Technologie-Forscher Lanier (SZ) muss nebenbei auch noch den kapitalistischen Apologeten geben, der grundsätzlich alles, aber auch wirklich alles, in Waren- und Geldbeziehungen setzen muss. Und diese unangenehme merkantile Bräsigkeit darf einfach nicht unwidersprochen bleiben. Vor allem ein Absatz des FAZ-Interviews stößt dabei äußerst übel auf.
Das Dogma oder die Internetideologie lehrt uns: Ja, schon richtig, wir zwingen Musiker, ihre Musik kostenlos abzugeben, aber dafür bekommen sie ebenfalls kostenlose Publicity, mit deren Hilfe sie andere Sachen verkaufen können.
Wohlgemerkt: Es geht nicht um Musiker, die einfach gerne Musik machen, es geht generell ums Verkaufen (das sollte man im Hinterkopf behalten). Man fragt sich jedoch, wo bspw. der iTunes-Store seinen Platz in dieser Internetideologie findet. Und auch die Tatsache, dass nach wie vor Milliarden mit dem Verkauf von CDs umgesetzt werden, scheint nicht wirklich störend zu sein. Wie gesagt, es geht nicht um Tatsachen, das ist pure Dampfplauderei.
Für bereits bekannte Künstler wie Radiohead mag die Rechnung aufgehen, für alle anderen, die sich nur übers Internet vermarkten, ist das nicht der Fall.
Hinterkopf, anyone? Eine Welt, in der es lediglich darum geht, dass Rechnungen aufgehen und Bands sich vermarkten müssen, die Musik scheint eher unwichtig, lässt sich sehr schön schwarz färben. Oder weiß. Je nach Gusto.
Nach meiner Ansicht liegt das daran, dass ein Interaktionsmodell, in dem Künstler ihre Produkte kostenlos anbieten müssen, ihnen die Struktur vorenthält, die sie brauchen, um sich wirklich selbst zu entfalten.
Die einzige Struktur, die hier fehlt ist Geld. Und genau das offenbart den Warencharakter, den Lanier hier nur zu gerne der Kreativität verpassen möchte. Nur mit Geld können Bands wie die Rolling Stones sich von kümmerlichen Frühwerken wie “Beggars Banquet” zu Meisterwerken á la “Bridges to Babylon” entwickeln. Oder so ähnlich. Das Problem an dieser Argumentation ist: grotesker Irrsinn ist ihre Basis und absurde Übertreibungen die Folge. Glaubt mir natürlich wieder keiner. Aber nur bis zum nächsten Zitat. (hehe)
Ich sage das nicht gern, aber wenn Leute ständig neue Videos online stellen und der Menge gefallen müssen, gibt es für sie keine Pause, um sich weiterzuentwickeln.
Äh, was? Gut, der Satz an sich ist richtig, nur irgend etwas stört mich daran. Vielleicht liegt das daran, dass er keinerlei Bezug zur Realität hat? Ich weiß es nicht genau, aber es könnte sein. Irgendwie stelle ich mir gerade einen etwas dicklichen Bassisten vor, der eigentlich mit seiner Hardrockband so richtig kommerziell abgehen will, es aber nicht schafft, da er die ganze Zeit neue Videos produzieren und online stellen muss, bis er zutiefst verzweifelt seine Katze filmt, die, halbseitig gelähmt und neurotisch, ständig versucht, sich mit einer Pfote an die Stirn zu schlagen. Wie sollen unter diesen Bedingungen auch Rechnungen aufgehen?
Apropos Rechnung. Ich habe mal eine einfache aufgemacht. Wenn ein sogenannter Netzkritiker x Interviews gibt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sich selbst widerspricht um ca. x²*8000%.
SPIEGEL: Auch das Internet ist für Sie eine Art Religion?
Lanier: Ich spreche von einer neuen, auf Technologie basierenden Religion. Das Internet ist zu einem singulären, antiindividualistischen Apparat geworden, der mit einer Art kollektivem Verstand arbeitet — ähnlich wie ein Bienenstaat.
FAZ: Sind Sie von den Geeks tiefer enttäuscht als vom Markt?
Lanier: Die neue Geek-Religion, in der das Internet ein lebender Organismus ist und als vermeintliches Wesen angebetet wird, kann einen schon sehr enttäuschen.
Ich glaube ja persönlich, dass das Internet ein Hund ist. Und damit in gewisser Hinsicht auch ein Mensch. Aber auch eine Katze. Auf jeden Fall irgendwas mit Rudelverhalten, mit ohne Nachdenken. Das scheint mir ganz wichtig. Und doof ist es auch.
Das Internet bringt das Schlechteste im Menschen hervor.
Getretener Quark wird breit, nicht stark.