PLinks KW 18/11 Ideen, die Vergangenheit und die Zukunft
Es lohnt sich doch manchmal sich mit den Ideen anderer Leute zu beschäftigen. Ideen können bekannterweise die Welt verändern. So begab es sich 1989, im Jahr des Mauerfalls, dass Tim Berners-Lee seine Idee eines Hypertext-Systems umsetzte, mit dem Ziel wissenschaftliche Dokumente, die zu der Zeit häufig für andere unzugänglich in den Computern ihrer Verfasser fristeten, plattform- und programmunabhängig Anderen zur Verfügung zu stellen. Die Idee war gut und führte letztlich zu dem weltweiten Netz von Hypertext-Seiten (kurz WWW), das wir heute kennen.
Den Ideen anderer Leute widmet sich TED, ein Portal, dass sich der Verbreitung von Ideen verschrieben hat. Dahinter steht eine kleine NGO mit einigen großen Sponsoren — was die Plattform aber nicht davon abhält z. B. auch ein Interview mit Julian Assange zu veröffentlichen.
Wie sich Tim Berners-Lee, heute Direktor des W3C, vor zwei Jahren die Zukunft des Web vorstellte, kann man sich auch bei TED angucken. Der Vortrag zeigt ein Appell dafür strukturierte Daten zu veröffentlichen, möglichst direkt im “Linked data” Format, das Berners-Lee in seiner Rede beschreibt. Ziel ist ein “semantisches” Web, das neue Möglichkeiten für komplexe Suchanfragen und Visualisierungen von Daten ermöglicht. Ein Jahr später berichtet Berners-Lee dann von ersten Erfolgen: Veröffentlichte Verkehrsdaten ermöglichen es Fahrradunfälle auf einer Karte darzustellen und die Internetgemeinschaft hilft nach dem Erdbeben von Haiti bei der Erstellung einer Straßenkarte von Port-au-Prince, auf der auch Flüchtlingscamps verzeichnet sind. Alles schön also im Web von Morgen.
Ein aktueller Vortrag von dem eher unbekannten Eli Pariser zeigt (wiederum bei TED) eine etwas andere Realität und eine andere Form der Datennutzung. Neben den Daten, die bewusst veröffentlicht werden, werden bekanntermaßen fleißig eine Reihe weiterer Daten gesammelt um Nutzerprofile zu erstellen und dann z. B. entsprechende Werbung zu schalten. Behavioural targeting nennt man die Kunst Benutzer nach ihren Verhaltensweisen im Web zu kategorisieren und dann entsprechende Inhalte anzuzeigen. Das funktioniert auch Website übergreifend. So liest man auf Spiegel Online einen Bericht über Griechenland und bekommt beim nächsten Reiseanbieter die passenden Flüge dazu angeboten. Dem aufmerksamen Surfer ist längst aufgefallen, dass sich nach dem Schuhkauf auf Zalando vergleichbare Angebote auch auf anderen Websites häufen und dass Gmail Werbung einblendet, die zum Inhalt der empfangenen E‑Mails passt.
Eli Pariser verweist in seinem höhrenswerten Vortrag mit dem Titel “Beware online ‘filter bubbles’ ” auf zwei weitere Beispiele: Die Filterung der “Wall” auf Facebook und die Filterung von Googles Suchergebnissen. Dass Facebook die Einträge meiner Freunde vorfiltert ohne mich davon zu informieren, ist natürlich eine Frechheit. Was bei Google passiert ist aber wirklich bedenklich: Die Suchergebnisse unterscheiden sich mittlerweile je nach Benutzer. Es wird dabei ausgewertet wo ich mich gerade befinde, welchen Computer ich benutze, welchen Browser etc. Das Beispiel von Herrn Pariser: Er bittet zwei seiner Freunde gleichzeitig bei Google nach “Egypt” zu suchen und vergleicht die Ergebnisse: Berichte zur Krise beim Einen, Reiseangebote beim Anderen.
Pariser spricht von “filter bubbles” um zu beschreiben, dass meine Online Welt, und damit auch mein Blick auf die reale Welt, aus einer für mich geschaffenen Blase besteht. Meine Sicht auf das Internet wird von automatischen Algorithmen gefiltert und auf mich, meine Meinungen und Interessen, zugeschnitten. Andere Meinungen, Themen die mich nicht interessieren und Wahrheiten die mich vielleicht verstören könnten, werden einfach ausgeblendet. Das Problematische dabei ist, dass ich keine Möglichkeit habe den Filter auszuschalten oder anzupassen — schlimmer noch: ich nehme ihn gar nicht wahr. Berners-Lees Appell nach offenen Daten und seine Vision der Zukunft des Internets wirkt daneben dann doch etwas idealisierend.