PLinks KW 42/10
Das Thema heute: Transparenz und Glaubwürdigkeit. Im Einzelnen geht es um das geplante Etikettenschwindel-Portal des Verbraucherministerums und alternative Plattformen für Verbraucherinformation und Transparenz und es geht nochmals um die Glaubwürdigkeit der Integrationsdebatte. Zu guter Letzt als kleiner Veranstaltungstipp: die Gabriel von Max-Retrospektive im Münchner Lehnbachbaus.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner
Eine Schlagzeile der vergangenen Woche (KW 42) war das von Verbraucherministerin Ilse Aigner geplante Internet-Portal zur Aufdeckung von Etikettenschwindel. Ein Online-Pranger für Hersteller, die ihre Produkte falsch oder missverständlich auszeichnen — um Analogkäse und Klebeschinken aber auch schleichende Preiserhöhung durch Verringerung der Füllmenge aufzudecken. Der Kunde selbst darf Detektiv spielen, die Hersteller haben nach einem Eintrag 7 Tage Zeit um Stellung zu nehmen.
Was auf den ersten Blick als sinnvoller Ansatz scheint, geht der Zeit nicht weit genug. Sie fordert eine Lebensmittelampel und eine klare Kennzeichnung für Produkte, um neben der Angabe von Inhaltsstoffen auch darüber zu informieren, wie gesund ein Lebensmittel ist. Ein Ansatz den Frau Aigner, genauso wie das EU-Parlament im Sommer ablehnte. Auch hierzu berichtete die Zeit.
Doch wie so häufig ist der Verbraucher schneller. Wir brauchen nicht bis März 2011 warten, wenn nach Aigners Vorstellung in Hessen ein Versuch der Verbraucherschutz-Plattform starten soll. Die Plattform http://das-ist-drin.de bietet schon heute Informationen zu Inhaltsstoffen und Herstellern von Produkten und gibt unter den Überschriften Nährwertangaben, Allergie, Ernährung und Test- und Qualitätssiegel einen schnellen Überblick darüber, ob ein Artikel z. B. vegan ist oder Gluten enthält. Ein Ampel-System wie von der Zeit gefordert fehlt zwar genauso, wie der von Aigner angedachte “Online-Pranger” — die Macher von das-ist-drin sind aber über jede Hilfe bei der Erweiterung ihrer Produktdatenbank dankbar.
Auch was die Bewertung von Produkten und Herstellern angeht ist die Internetgemeinschaft schon aktiv. Eine Umfangreiche Datenbank zu Nachhaltigkeit und Social Resconsibility hat wegreen aufgebaut. Wegreen bündelt dabei die Informationen von Portalen und Listen wie Rank a Brand, “The Global 100 Most Sustainable Corporations in the World”, dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis, dem Greenpeace Guide to Greener Electronics oder dem Schwarzbuch Markenfirmen. Das Ganze fließt wiederum in eine Datenbank und führt hier endlich zu einer Ampel-Bewertung von Produkten und Unternehmen. Das Netteste dabei ist aber, dass wegreen dazu auch noch eine App entwickelte, mit der man den Nachhaltingkeitsscan direkt im Supermarkt durchführen kann.
Letztlich fragt man sich also, warum die gute Frau Aigner sich nicht lieber der Förderung und Weiterentwicklung solcher Projekte widmet, anstatt das Rad neu zu erfinden.
Die Antwort hat wie so oft bei politischen Entscheidungen wahrscheinlich mit Wählerstimmen, medialer Präsenz und Überspielung der eigenen Zwecke zu tun. Ähnlich also, wie bei der Integrationsdebatte, die David hier vor kurzem thematisierte. Hierzu findet sich bei heise ein interessanter Artikel, der zwar wenig Neues sagt, aber einfach, sachlich und klar den Populismus und die wahre Motivation hinter der Debatte aufdeckt. Es geht natürlich darum den Stammtisch zu gewinnen, also den Kleinbürger als Wähler an sich zu binden. Fazit des Artiels:
Solange der Kleinbürger den – in vielen Fällen ebenfalls kleinbürgerlich konservativen – Türken als Bedrohung sieht und reale Bedrohungen wie den Neoliberalismus ausblendet, kann auch die Politik neoliberal durchregieren, ohne einen Rückgang der Wählerstimmen zu befürchten. Die Angst des Kleinbürgers vor dem Fremden ist somit letztlich nichts anderes als ein stetes Feuer, das immer wieder aufs Neue geschürt wird, um eine Politik durchzudrücken, die sich gegen die Interessen des Kleinbürgers richtet.

Gabriel von Max: Affen als Kunstrichter, 1889
Wäre Gabriel von Max noch am Leben — er könnte das Prinzip der Politik vielleicht genauso ironisch treffend auf den Punkt bringen wie das Prinzip der Medizin. Sein Bild “Der Anatom” zierte schon einen früheren Principien-Artikel zu diesem Thema.
Wer sich an diesem und anderen Bildern (z. B. “Affen als Kunstrichter”, links) erfreuen will, der gehe noch bis zum 30. Januar 2011 ins Münchner Lehnbachhaus, das dem Künstler die erste große Retrospektive überhaupt widmet. Genauere Informationen dazu gibt es hier.