PLinks KW 47/10
Anders als im Kölner Zeitungskrieg, in dem kurz nach der Jahrtausendewende die Verlagshäuser von Bild und Express das neue Umsonstformat 20 Minuten Köln kaputtpublizierten, existiert in Zürich seit einigen Jahren die friedliche Kohabitation. 20 Minuten erscheint für die Pendler am Vormittag, Blick am Abend müllt die Trams und S‑Bahnen dann im Feierabendsverkehr mit ihrer Gedankengrütze und ihren Konsumvorschlägen zu. In ihrer politischen Ausrichtung nehmen sich beide Zeitungen nicht viel, beide sind in erster Linie apolitisch bis dumpf populistisch, Blick eher ein Stück weiter rechts (SVP) als 20 Minuten.
Beliebt ist in beiden Fällen der Appell an Ressentiments oder man echauffiert sich darüber, was andere Böses über die Schweizer sagen. So im Fall des «Ratgebers» für ein «harmonisch-kollisionsfreies Überleben» für Deutsche in der Schweiz von einem gewissen Dr. Kühntopf. Ein gefundenes Fressen für 20 Min.: Wie kann der Mann nur behaupten, die Schweizer seien humorfrei und verstünden Ironie nicht? Wie kommt er da drauf? (Ich persönlich finde das ja ziemlich witzig, vor allem wenn sich Kühntopf darüber ärgert, er müsse bei seinen Gastgebern die Schuhe ausziehen und ihnen beim Anstoßen in die Augen gucken.)
Wenn die Schweizer keinen Spaß verstehen, dann mit «kriminellen Ausländern». Womit wir beim eigentlichen Thema der Woche wären: der Abstimmung über die sogenannte Ausschaffungsinitiative. «Ausschaffung» klingt irgendwie niedlich, ist es aber nicht. Es ist Schweizerdeutsch und bedeutet «Abschiebung». Die Ausschaffungsinitiative, die morgen zur Volksabstimmung kommt, wurde von der SVP lanciert, die seit dem erfolgreichen Minarettverbot offenbar ein rassistisches Gesetz nach dem anderen verabschieden möchte. Es geht kurz gesagt darum, dass in der Schweiz ansässige Ausländer ihr Aufenthaltsrecht verlieren sollen, wenn sie rechtlich schuldig befunden werden, ein schweres Delikt begangen zu haben (Gewaltdelikte, Drogenhandel oder Einbruch), oder wenn sie missbräuchlich Sozialhilfe oder Leistungen der Sozialversicherungen bezogen haben. Wie schon beim Minarettverbot scheint der neue Gesetzestext auch in diesem Fall mit bestehendem Völkerrecht zu kollidieren. Und auch sonst bestehen erhebliche juristische Mängel.
Beworben wird die Initiative mit dermaßen rassistischen Plakaten, dass man sich wundern muss, dass diese nicht bereits den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. (Ein Gericht hat zwar entschieden, die Schäfchenplakate seien nicht rassistisch, aber das sagt wohl mehr über das Gericht als über das Plakat…) In anderen Ländern wurden die Plakate übrigens von Parteien wie der NPD und deren Äquivalenten kopiert, woran sich die SVP aber nicht sonderlich zu stören scheint.
Zur Ausschaffungsinitiative gibt es auch einen Gegenentwurf, der die SVP-Forderungen etwas abmildert und die Ausschaffung von der Schwere des Strafmaßes abhängig machen will. Im Grunde verfolgt er jedoch fast identische Ziele und wird in erster Linie damit beworben, leichter und effektiver umsetzbar zu sein.
Gegen diesen beiden rassistischen Gesetzentwürfe gibt es schließlich noch eine große Kampagne für ein doppeltes Nein, die unter anderem mit kleinen Filmen, die im Kino laufen, gegen beide Vorschläge mobil macht. Morgen wird abgestimmt.
Ich könnte echt kotzen
Die meinen dich! Nee, ernsthaft: Kannst du dann auch ausgewiesen werden? Oder muss man dafür wahlweise schwarz sein oder Kopftuch tragen?
So wie ich das verstehe, gilt das für EU-BürgerInnen genauso. Die Rechtslage scheint aber nicht ganz klar zu sein; es gibt da irgendwelche Verträge mit der EU, mit denen das neue Gesetz kollidieren würde. Ohnehin gehen alle davon aus, dass die Initiative so wie sie jetzt beschlossen wurde, aufgrund ihrer Völkerrechtswidrigkeit und anderer juristischer Probleme, gar nicht umgesetzt werden kann.
Vorsichtshalber ist für mich jetzt trotzdem erst mal Schluss mit Raubmord und Plünderung.
[…] dem Minarettverbot des letzten Jahres nun die “Ausschaffung” straffälliger Nicht-Schweizer (siehe PLinks KW 47/10). Diese schon sprachlich absurd klingenden Ideen kommen dann auch noch zu linguistischen Ehren! Das […]