PLinks KW 10/11 Guttenberg: Nachlese
Einen der interessanteren Texte zu unserem verlogenen und verklebten Exminister und dem Bohei, den er entfacht hat, ist beim Kollegen von Nichtidentisches zu lesen, der überhaupt seit geraumer Zeit lange, kluge Texte produziert und sich so einen Platz in unserem Blogroll verdient hat. Übrigens sind da nicht nur die Texte, sondern auch die Kommentare recht schlau. So bemerkt einer: «Wenn ein deutscher Kriegsminister „unvisionär und strategielos“ ist, sollte man das als vernünftiger Mensch eigentlich begrüßen» und ein anderer beklagt zu recht das Gezeter über den Stammtisch (aka Bildleserinnen, Pro-Guttenberg-Facebookgruppen etc.).
Dabei stimmt es ja: Am Stammtisch gibt es mehr Klare als klare Gedanken. Nun ist das nichts Neues. So wenig wie der linke Reflex, den Skandal nicht als solchen, sondern als Symptom für irgendwas (in der jungle world, erwartbar, als Symptom für Deutschtümelei, beim bohémien für die Turbogesellschaft, bei anderen, nicht-linken, und daher auch gleich noch schlichter denkenden Zeitgenossen für — festhalten! — «mangelhafte Qualitätskontrolle in der Wissenschaft»). Dort wo Systemkritik intendiert ist, hat die symptomatische Lektüre immer etwas für sich. Statt auf Einzelne drein zu dreschen, fokussiert man auf die Strukturen, die deren jeweiliges Verhalten befördern oder gar erst erzeugen.
Aber das reicht nicht und führt obendrein — und ich würde sagen, dieses Problem gilt für Nichtidentisches und jungle world gleichermaßen — in den politischen Quietismus. Man ist klüger als der Stammtisch, ja, aber indem man das ständig betont, wird der Graben zu selbigem immer größer und die gemeinsame Politik, die zwecks Systemüberwindung wohl nötig wäre, immer unwahrscheinlicher.
Richtiger wäre es gewesen, von vornherein nicht die Tatsache der Fälschung zu beklagen (und die Dummheit der Leute, die sich daran nicht stört; oder die Dummheit der Leute, die sich auf falsche Weise daran stört), sondern Guttenbergs Elitismus und Standesdünkels, die Tatsache, dass er im Grunde meint, sich alles erlauben zu können. Seine antidemokratische Gesinnung mit anderen Worten, die — und das wäre dem Stammtisch auf dem Bierdeckel vorzurechnen — zwar in diesem Fall dessen Interessen nicht tangiert, in anderen und grundsätzlich aber sehr wohl.