Pornpiraten

Erin­nert sich noch jemand an Nap­ster? Oder an eDon­key? Diese Zeit, als man die freigegebe­nen Ord­ner wild­fremder Men­schen auf der ganzen Welt nach unbekan­nter Musik durch­suchen kon­nte? Man kön­nte fast nos­tal­gisch wer­den, wenn man an heutige nahezu anonyme Riesen­tor­rents denkt. In den Pirate Bay-Top100 machen aktuelle Alben ger­ade ein­mal zehn Prozent aus, und auch glob­al ist der Audio­tausch ille­galer Natur via P2P-Net­zw­erke in den let­zten Jahren zugun­sten der Videonach­frage abge­sunken, wenn man der von NBC in Auf­trag gegebe­nen Studie der Fir­ma Envi­sion­al glauben darf.

Das hin­dert Dieter Gorny allerd­ings nicht, gebetsmüh­le­nar­tig seine Forderung nach ein­er Inter­netsperre für “Web- oder Musikpi­rat­en” zu fordern, was regelmäßig schmerzhaft zu ver­mei­d­baren Alle­gorien führt.

Ich sage immer: Leute, wenn ihr bei Rot über die Ampel fahrt oder betrunk­en seid, dann seid ihr doch auch Euren Führerschein los.

Sowas bringt einen immer­hin in die Enquete-Kom­mis­sion “Inter­net und dig­i­tale Gesellschaft”. Kann man sich ja mal merken, falls die restlichen Lebensen­twürfe nach und nach aus­fall­en. Doch wen­den wir unser Antlitz vom fet­ten Philis­ter­lächeln des Musik­man­agers ab, und der oben gezeigten Grafik wieder zu. Die unmit­tel­bare Folge des gestiege­nen Erotik­fil­mange­bots über Bit­tor­rent ist eine erwart­bar ver­stärk­te Klageak­tiv­ität. Inter­es­sant wird es jedoch eigentlich erst, wenn sich ein ser­iös­er Anwalt mit eben­so ser­iösen Richtern darüber im Saal stre­it­en muss. Wenn dieser Anwalt Man­dan­ten ver­tritt, deren Pro­duk­te so herzhafte Namen tra­gen wie “Meat my Ass” oder “Mom­my blows best”, zu deutsch wohl tre­f­fend über­set­zt mit “Mut­ti bläst am besten”. Das ist natür­lich unan­genehm, zumal man in den Vere­inigten Staat­en immer dort kla­gen muss, wo der jew­eils Beschuldigte seinen Wohn­sitz hat. Dieser­art direk­ter, juris­tis­ch­er Kon­takt mit Dor­frichtern ist den serösen Anwäl­ten natür­lich unan­genehm. Da kann mal schon mal auf unortho­doxe Ideen kommen.

So hat John Steel bspw. die umge­drehte Massen­klage erfun­den, mit der man, sein­er Mei­n­ung nach, massen­haft Leute an einem Ort verk­la­gen kann, indem man ein­fach alle Per­so­n­en, die “Melanie Rios — Stuffed Petite” herun­terge­laden haben, zu ein­er juris­tis­chen Klasse zusam­men­fasst, welche von einem Gericht berureilt wer­den kann. Ein sehr inno­v­a­tiv­er Ansatz in den USA. Man kann den Kon­takt mit Richtern aber auch ver­mei­den, indem man sie erst gar nicht mehr um Erlaub­nis fragt, ob man an die Kabel­net­zw­erke schreiben darf, dass man gerne eine Hand­voll IP-Adressen ver­mei­dlich­er File­shar­er hätte. Dies­mal geht es um den Porno “Der gute Onkel”, Kläger ist der Deutsche Mick Haig, sein tex­anis­ch­er Anwalt heißt, wie kön­nte es anders sein, Evan Stone. Im weit­eren hat dann z.B. Com­cast einen Brief an den entsprechen­den User gesandt, dessen Frau allerd­ings in diesem einen Fall zuerst am Briefkas­ten war. Die ehe­lichen Diskus­sio­nen über­lasse ich hier get­rost der Phan­tasie. Glück­licher­weise ist der Fall ist zufäl­liger­weise in die Blicke der Elec­tron­ic Froun­tier Foun­da­tion, kurz EFF, ger­at­en, so dass wir akte­nent­nehmend zitieren können:

Rather than choos­ing com­pe­tent local coun­sel expe­ri­enced in intel­lec­tu­al prop­er­ty law, the Court appoint­ed a trio of attor­neys renowned for defend­ing Inter­net pira­cy and renowned for their gen­er­al dis­re­gard for intel­lec­tu­al prop­er­ty law.

Da ist keine Eigen­wer­bung, son­dern eine Beschw­erde von Evan Stone der mit seines­gle­ichen jedoch bald vor größeren Prob­le­men ste­hen kön­nte, denn mitler­weile haben die Kabel­be­treiber über­haupt keine Lust mehr auf solche juris­tis­chen Spiren­zchen. Das musste jet­zt die in New York ansäs­sige Anwalt­skan­zlei Foley & Lard­ner erfahren, die eigentlich nur das Pro­dukt “Anal Fanat­ic” juris­tisch ver­trat. Da hat der zuständi­ge Richter erst­mal Bescheid gesagt, dass er die gesamte Angele­gen­heit für Quatsch hielte, wom­it er der Kan­zlei eine mündliche Absage erteilte. Und eigentlich sind die nur vors Gericht gegan­gen, weil sie sich nicht mit Com­cast, dem Net­z­be­treiber, eini­gen kon­nten, wieviele IP-Adressen für wieviel Kohle nachzuschauen sind.

Während die Anwälte in den USA den Einzel­nen in ruinöse und undurch­sichtige Prozes­sorgien führen kön­nen, muss in Deutsch­land der juris­tis­che Dop­pel­bo­den erst noch herg­erichtet wer­den, weswe­gen das Haup­tau­gen­merk auf der poli­tis­ch­er Lob­b­yarbeit zur Ein­rich­tung ein­er Three-Strikes-Regelung nach franzö­sis­chem Vor­bild ruhen dürfte. Da muss man noch zum groben Keil greifend erzählen, dass im Bere­ich Musik, Film und TV-Serien durch “Pira­terie” im Inter­net und analo­gen Medi­en rund 10 Mil­liar­den Euro und über 195.000 Arbeit­splätze ver­loren gehen, und wenn sich poli­tisch und am Ver­hal­ten der Inter­net­nutzer nichts ändert, kann dies 2015 im schlimm­sten Szenario selb­st bei ein­er sehr kon­ser­v­a­tiv­en Schätzung zu Min­dere­in­nah­men von 56 Mil­liar­den Euro und 1,2 Mil­lio­nen weniger Jobs führen. Alter­na­tiv kann man auch merk­be­fre­it weit­er schwadronieren:

Für den Bun­desver­band Musikin­dus­trie forderte Dieter Gorny eine neue Wertschätzung der Inhalte und ihrer Pro­duzen­ten. Der Kern der Kreativ­ität stecke auch im Inter­net in der Leis­tung Einzel­ner, “nicht in der Durch­schnittsmei­n­ung” mys­ter­iös­er Schwarmintel­li­gen­zen. Andern­falls gin­ge die kul­turelle Vielfalt und damit etwa auch das “Pro­fil von Bal­lungsräu­men” verloren.

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