Rechts der CDU
sagt man zur Stunde, sei noch ein Plätzchen frei. Für Leute, die Sarrazin, Steinbach und Koch toll finden. Und für Leute wie Sarrazin, Steinbach und Koch. Die CDU rechts überholen und alles Doofe den Ausländern und diversen anderen Tunichtguten zuzuschustern ist das Gebot der Stunde. Die bürgerliche Presse scheint ein regelrechtes Casting zu veranstalten — Deutschland sucht den neuen HaiderLePenFortuynWilders. Das Problem ist nur, dass man in der markentinggerechten Verbrauchsgesellschaft zumindest einen Markenkern benötigt, um entsprechende Botschaften glaubwürdig beim Volk unterbringen zu können. Doch gerade dabei hapert es bei den achso wertbeständigen Konservativen.
Bestimmte konservative Werte und Lebensmodelle werden von der CDU nicht mehr deutlich genug nach außen getragen.
Sagt Erika Steinbach. Was genau sie damit meint, geht während der Castingshow unter, oder ist von vornherein unklar formuliert. Was sind denn genau die konservativen Werte? Ich würde das ja gerne mal wissen, allein, um einen Realitätsabgleich mit meinen Mitbürgern durchführen zu können. Zucht und Ordnung? Ehre und Familie? Was ja nah beim gefürchteten Islam wäre, dem gegenüber man eine klare Haltung fordert, oder ihn sogar den Sündenbock spielen lässt. Das einzig Verbindende der Konservativen ist doch der Glauben an die Segnungen des kapitalistischen Systems. Und genau das lässt sich in den Zeiten der wirtschaftlichen Krise nunmal nicht gut verkaufen. Und so haben die Konservativen ein Problem, denn sie haben nichts anderes, was sie verkaufen könnten. Und umso lauter schreien sie jetzt auf, der Konservatismus rule doch so dermaßen, dass man rechts der CDU dutzende Bundestagsmandate holen könnte. Und alle machen mit.
Der 80erJahre-Konservative-Eliten-Chef, Eberhard von Brauchitsch, ist vor wenigen Tagen gestorben. Die SZ schreibt im Nachruf:
Die ganze Republik wurde inventarisiert, um dem Flick-Konzern zusätzlich Steuergelder in die Kassen zu spülen. Der Chefmanager und seine Helfer versuchten, Politiker durch Geschenke oder Betreuung auf Auslandsreisen für ihre Zwecke gewogen zu machen, den Einfluss der Linken in den Parteien zu neutralisieren und Flick-genehme Nachwuchspolitiker zu fördern.
Ist es das, was sich rechte Hirne herbeisehnen? Keiner kann es sagen, denn der politische Diskurs um den rechten Rand der Union wird resentiment-geladen und emotional geführt. Eine klare Haltung zum Islam kann jeder fordern, was genau jetzt aber mit der Chiffre Islam, die durch mediale Begleitmusik in den letzten Jahren erheblich negativ aufgeladen wurden, gemeint ist, kann nicht mal Roland Koch beantworten. Der hat für den nächsten Monat ein Buch mit dem nichtssagenden Titel “Konservativ. Ohne Werte und Prinzipien ist kein Staat zu machen.” angekündigt. Vielleicht bringt er ja brutalstmögliche Aufklärung in den deutschen Konservatismus.
Ohne Sympathien verdeutlichen zu wollen, glaube ich doch nicht, daß “Das einzig Verbindende der Konservativen doch der Glauben an die Segnungen des kapitalistischen Systems ist”. Dies beschreibt imho eher die Haltung des Liberalismus, während Konservative doch mehr kulturellen Werten anhängen. Es gibt durchaus eine Reihe von Konservativen, die aus christlicher Tradition heraus deutlich gegen Markt und Kapitalismus opponieren, und trotzdem eine überkommene Moral und ein antimodernistisches Weltbild pflegen.
Und die wären? Mir fallen da nur Heiner Geißler und Nrobert Blüm ein, die allerdings auch erst nach dem Abschied aus der Politik damit angefangen haben, kapitalismuskritisch zu sein. Das mag es früher noch häufiger gegeben haben, als die katholischen Sozialbewegungen noch einen ernsthaften Flügel in der CDu darstellten, aber heute? Dazu kommt ja, dass die katholische Kirche gerade die Scherben ihrer Glaubwürdigkeit aufkehren muss, von seit Jahren sinkenden Mitgliederzahlen mal ganz zu schweigen. Und die wenigsten konservativen Politiker leben ein christliches Weltbild vor. Seehofer hat ein uneheliches Kind (wofür er dem alten Testatment nach eigentlich sterben müsste), Wulff ist zum zweiten Mal verheiratet, von Beust schwul. Meines Erachtens hat sich die christliche Tradition zumindest in der CDU in den letzten Jahren pulverisiert, und da kommt der Systemtreue als verbindendem Element noch größere Traglast zu.
Also mir ging es hier eher um die Wähler. Und darum, daß Deine Beschreibung “Das einzig Verbindende der Konservativen ist doch der Glauben an die Segnungen des kapitalistischen Systems” geistesgeschichtlich treffender wäre, wenn da Liberale statt Konservative stehen würde. Ist nicht moralisch sondern nur historisch gemeint. Eine andere Sache wäre es, wenn man fragte, was denn jenseits von Liberalismus noch übrig geblieben ist bei den Konservativen. Christlich misst sich imho übrigens nicht an Familienstand o.ä. Das zeigt sich eher an der Reaktion auf andere kulturelle Einflüsse. Und z.B. an einer Art zu Denken, die die Kategorien ‘wahr und unwahr’ verwendet (was kennzeichnend für alle sog. Buchreligionen ist). Die CDU ist einfach eine Partei, definiert aber keineswegs, was konservativ ist. Kann halt sein, daß sie inzwischen schon etwas anderes ist. Der Begriff ‘Konservativismus’ meint eine geistesgeschichtliche Strömung, die relativ eng definiert ist. Verwischt man in der politischen Diskussion diese Begriffe, leidet imo das Unterscheidungsvermögen. Wie gesagt: ist nur geistesgeschichtlich gemeint.